Dem Wirtschaftswachstum auf der Spur
Bildung lohnt sich nicht nur für jeden einzelnen, sondern ist auch ein Schlüsselfaktor für das wirtschaftliche Wachstum eines Landes. – Das konnte eine jüngst im Magazin Science veröffentlichte Studie empirisch belegen. Neben Wolfgang Lutz vom International Institute for Applied Science Analysis (IIASA) und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften waren Jesus Crespo-Cuaresma von der Universität Innsbruck sowie Warren Sanderson von der Stony Brook University New York und IIASA an der Publikation beteiligt.
Arme Länder brauchen Mittelschulbildung
„Auf globaler Ebene war es bis jetzt extrem schwierig, den Zusammenhang zwischen Bildung und Wirtschaftswachstum nachzuweisen. Unsere Studie ist eine der ersten, die mit einem neuen Datensatz und einer neuen Strategie endlich diese Beziehung bestätigen kann“, erklärt Crespo-Cuaresma. Die Daten der 120 untersuchten Länder wurden dazu exakt nach Altersgruppen und Bildungskategorien strukturiert und bis 1970 rekonstruiert. So entstand ein sehr differenziertes Bild, das verdeutlicht, welche Rolle das Bildungsniveau der Bevölkerung in unterschiedlich entwickelten Ländern spielt: Für Entwicklungsländer ist es sehr wichtig auf eine breite Sekundarausbildung zu setzen. „Die Wachstumseffekte der Mittelschulbildung sind wesentlich stärker als die der Grundschulausbildung“, verdeutlicht Crespo-Cuaresma ein zentrales Ergebnis, das wirtschaftspolitisch von Bedeutung ist. „Wenn wir das Wirtschaftswachstum ärmerer Länder fördern wollen, sollte die Politik der Vereinten Nationen nicht nur eine solide Grundschulbildung, sondern auch eine breite Mittelschulbildung anstreben“, so der Ökonom über globale Bildungsziele. Anders ist die Situation in entwickelten Ländern, in denen fast die gesamte Bevölkerung eine Pflichtschulausbildung hat. Hier muss in Hochschulbildung sowie in Forschung und Entwicklung investiert werden, um die Wirtschaft weiter anzukurbeln. Grafik zum Projekt: http://www.oeaw.ac.at/shared/news/2008/img/szenarien
Europäische Erfolgsrezepte: Arme und reiche Regionen im Vergleich
Die Frage nach den Ursachen für wirtschaftliches Wachstum beschäftigt Prof. Jesus Crespo-Cuaresma nicht nur auf globaler, sondern auch auf europäischer Ebene: Vor Kurzem erhielt er gemeinsam mit weiteren Experten den Zuschlag für ein von der Generaldirektion Regionalpolitik der Europäischen Kommission ausgeschriebenes Forschungsprojekt. Partner sind renommierte Institutionen wie Cambridge Econometrics oder das Vienna Institute for International Economic Studies. „Wir wollen herausfinden, welche Faktoren für regionales Wachstum verantwortlich sind beziehungsweise warum manche Regionen in der EU so schnell gewachsen sind, während andere stagnieren“, beschreibt Crespo-Cuaresma die Ziele des Forschungsvorhabens. Zwar gibt es bereits zahlreiche theoretische Überlegungen zu diesem Thema, das internationale Forscherteam will diese nun aber durch Daten belegen. Während in der ersten Projektphase mittels statistischer Analysen die Determinanten für regionales Wachstum identifiziert werden, stehen in der zweiten Phase Fallstudien im Mittelpunkt. „Wir erwarten uns fünf bis zehn Faktoren, die regionales Wachstum erklären“, so der Wissenschaftler. Dies können zum Beispiel Auslands- und Heiminvestitionen sowie Investitionen in Forschung und Entwicklung sein. Aber auch die Präsenz der Politik am Markt oder die Tatsache, ob eine Region arm oder reich ist, können laut Crespo-Cuaresma maßgeblichen Einfluss haben. Bereits Ende April wird es einen Zwischenbericht geben, im Herbst liegen dann erste Ergebnisse vor. Im Anschluss daran werden die erfolgreichsten und die erfolglosesten Regionen Europas unter die Lupe genommen. Insgesamt wird das Forschungsvorhaben von der Europäischen Kommission mit 800.000 Euro unterstützt.
Zur Person
Jesus Crespo Cuaresma wurde 1975 in Sevilla, Spanien geboren. 1997 schloss er das Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Sevilla ab. 1999 absolvierte er das Programm in Economics am Institut für Höhere Studien in Wien. In der Zeit von 2000 bis 2007 war Jesus Crespo Cuaresma als Assistent und – nach seiner Habilitation im Fach Volkswirtschaftlehre im Juni 2005 – als Dozent an der Universität Wien tätig. Seit 2001 ist er wissenschaftlicher Betreuer der Österreichischen Nationalbank. Im März 2007 übernahm er die Professur für Wirtschaftstheorie an der Fakultät für Volkswirtschaft und Statistik der Universität Innsbruck.