Gehobene Bücherschätze – Der Handschriftenkatalog der ULBT

Vergangene Woche erschien im Rahmen eines von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften getragenen und vom FWF finanzierten Projektes der fünfte Band des Kataloges der Handschriften der Universitäts- und Landesbibliothek für Tirol in Innsbruck. Es ist dies ein wichtiger Baustein zur Erschließung der reichen Bücherschätze dieser Bibliothek.
Lateinische Bibel, sogenannte „Annenberger Bibel“. Nordfrankreich, Ende 13. / Anfang  …
Lateinische Bibel, sogenannte „Annenberger Bibel“. Nordfrankreich, Ende 13. / Anfang 14. Jh. Cod. 469, Bl. 163rb [Foto Watzek, Hall]

Die 1745 gegründete Universitäts- und Landesbibliothek für Tirol gehört zu den größten wissenschaftlichen Bibliotheken Österreichs. Sie nimmt neben ihrer Funktion als Universitätsbibliothek auch die Aufgaben einer Landesbibliothek wahr.

Zugleich ist sie mit 1.067 Handschriften und einem umfangreichen Bestand an wertvollen Inkunabeln und frühen Drucken eine der bedeutendsten Bibliotheken mit historischem Buchgut in Österreich. Für die Handschriften erfolgte erst seit den 1970er Jahren eine dem Ansehen dieser Sammlung entsprechende Erschließung durch einen wissenschaftlichen, den heutigen Ansprüchen gerecht werdenden Katalog.

 

Gehobene Bücherschätze

Im vorliegenden Band ist ein Querschnitt durch die unterschiedlichen Textgattungen des Mittelalters und der frühen Neuzeit gegeben, wobei theologische Handschriften in lateinischer Sprache überwiegen. Klingende Namen wie Vergil, Augustinus, Thomas von Aquin oder Nicolaus Cusanus sind genauso vertreten wie eine Fülle von heute fast in Vergessenheit geratener, nur der Fachwelt geläufiger Autoren.

Durch die Handschriftenkatalogisierung wurde – wie schon bei den früheren Bänden – auch bislang unbekanntes Quellenmaterial entdeckt bzw. erstmals zugänglich gemacht und somit eine Grundlage für weitere Forschungen auf dem jeweiligen Fachgebiet geschaffen.

Neben solchen inhaltlich interessanten Codices – darunter auch eine Musikhandschrift des ausgehenden 14. Jahrhunderts mit ein- und mehrstimmigen Gesängen – finden sich hervorragende Zeugnisse der Buchmalerei.

 

Handschriftliche Highlights

Zwei dieser Handschriften zählen zu den absoluten Highlights: Das sogenannte „Innicher Evangeliar“ (Cod. 484) des 9./10. Jahrhunderts ist nicht nur eine der bedeutendsten, sondern zugleich die mit Abstand älteste unter den auf Tiroler Boden erhaltenen Handschriften. Sie ist mit prachtvollen Bildern der Evangelisten ausgestattet.

Besonders eindrucksvoll ist auch die sogenannte „Annenberger Bibel“ (Cod. 469), ein Erzeugnis der nordfranzösischen Buchmalerei des 13./14. Jahrhunderts, das durch seine zahlreichen äußerst feinen und geradezu detailverliebten Darstellungen hervorsticht. In die heutige Universitäts- und Landesbibliothek für Tirol gelangten die Handschriften auf verschiedensten Wegen: aus der Innsbrucker Hofbibliothek, durch private Schenkungen und vor allem im Zuge der Klosteraufhebungen unter Joseph II. im 18. Jahrhundert (u. a. Haller und Innsbrucker Jesuiten, Kartause Schnals, Kollegiatstift Innichen) und in der bayrischen Zeit im 19. Jahrhundert (Stifte Stams, Wilten, Neustift).

Für den heutigen Besitzer stellen die Handschriften das wertvollste Gut dar und bedeuten aber auch die Verpflichtung zur Bewahrung, Erschließung und Bereitstellung dieser Bücherschätze. Für die Erfüllung dieser Aufgaben leistet der Katalog einen wichtigen Beitrag.

 

Forschungsprojekt Handschriftenkatalog der Universitäts- und Landesbibliothek für Tirol

Auf Initiative des damaligen Leiters der Handschriftenabteilung und späteren Direktors der Universitäts- und Landesbibliothek für Tirol, Hofrat Dr. Walter Neuhauser, wurde die Innsbrucker Bibliothek in das von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften getragene Projekt der Katalogisierung österreichischer Handschriftensammlungen miteinbezogen.

Seit 1987 sind fünf Katalogbände, umfassend 500 Handschriften, erschienen. Die Finanzierung der Projektmitarbeiter erfolgt seit dem dritten Band durch den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Österreich (FWF) unter der ehrenamtlichen Leitung des Begründers Hofrat Dr. Walter Neuhauser.

Mit dem soeben erschienenen fünften Band ist die „Halbzeit“ des auf zehn Bände veranschlagten Gesamtwerkes erreicht. Bearbeiterinnen der in der vorliegenden Publikation erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Bestände waren Dr. Daniela Mairhofer, Dr. Michaela Rossini und Mag. Claudia Schretter mit Beiträgen von ao. Univ.-Prof. Dr. Gabriela Kompatscher Gufler, Hofrat Dr. Walter Neuhauser und Univ.-Ass. Dr. Lav Šubarić.

Neben diesen ausgewiesenen Fachkräften im Bereich der Kodikologie und der mittellateinischen Philologie konnte für die orientalischen Handschriften auf die Hilfe von Ass.-Prof. Dr. Josef Oesch und Univ.-Prof. Dr. Stephan Procházka zurückgegriffen werden.

Die für die Datierung von Papierhandschriften unerlässliche Wasserzeichenanalyse erfolgte mittels der modernen Methode der Betaradiographie durch Dr. Maria Stieglecker (Österreichische Akademie der Wissenschaften).

Erstmals wurde einem Innsbrucker Katalogband eine CD-Rom als elektronischer Zugang zu Katalog, Register, Wasserzeichen, Einbänden, datierten Handschriften und Schreibervermerken sowie Abbildungen beigegeben, betreut von Dr. Alois Haidinger und Dr. Franz Lackner (Österreichische Akademie der Wissenschaften).

Text: ULBT