Erfolgreicher Start für die neue Forschungsplattform Geschlechterforschung
Besonders groß war der Andrang zur Auftaktveranstaltung der neuen Forschungsplattform Geschlechterforschung. Viele GeschlechterforscherInnen wie auch zahlreiche Interessierte waren gekommen, um den Start in die neue Forschungsplattform gemeinsam zu feiern.
Die Leiterin der Plattform Prof.in Erna Appelt begrüßte die Gäste und freute sich insbesondere darüber, dass auch viele KollegInnen von außeruniversitären Bildungseinrichtungen gekommen waren, weil es ein Grundanliegen feministischer Forschung ist, „inner- wie außeruniversitäre Aktivitäten in den Blick zu nehmen“. Gelungen sei es, dass „Gender-Forschung heute ein unverzichtbarer Bestandteil jeder sozial-, geistes- oder kulturwissenschaftlichen Forschung“ sei.
Die Aufwertung zur Forschungsplattform stellt eine wesentlich verbesserte Verankerung dieser Forschungsperspektive an der Universität Innsbruck dar. Nicht weniger als neun Fakultäten sowie das Forschungsinstitut Brenner-Archiv sind derzeit an der „Forschungsplattform Geschlechterforschung: Identitäten –Diskurse – Transformationen“ beteiligt. Rund 40 aktive Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bringen ihre Resultate aus den Gebieten der Frauen-, Gender- und feministischen Forschung ein. Die interdisziplinär arbeitende Forschungsplattform hat es sich zum Ziel gesetzt, das erarbeitete Wissen feinmaschig und international zu vernetzen, mit Universitäten und Bildungseinrichtungen im In- und Ausland verstärkt zu kooperieren und nicht zuletzt ihre Ergebnisse nachhaltiger nach außen zu kommunizieren.
Der Vizerektor für Forschung, Prof. Tilmann Märk wies in seiner Festrede darauf hin, dass es „schon seit über fünfzehn Jahren an der Uni Innsbruck einen Schwerpunkt im Bereich der feministischen Forschung, und seit 1999 den Wahlfachstudiengang „Feministische Gesellschafts- und Kulturwissenschaften. Interdisziplinäre Frauenforschung und Gender Studies“ gibt. Die Universität Innsbruck hat damit auch schon recht früh erkannt, wie wichtig die Geschlechterforschung und vor allem auch die Betrachtung der Geschlechterperspektive in der Wissenschaft ist und hat damit auch eine gewisse Vorreiterrolle in Österreich gespielt.“ Die Aufwertung zu einer Plattform stellt – so Vizerektor Märk - sowohl eine Auszeichnung für die bisherige Arbeit dar als das auch als Auftrag für noch vielfältigere Kooperationen in diesem Forschungsbereich zu verstehen ist.
Die aus Graz angereiste Gastreferentin Angelika Wetterer, Professorin für Soziologie und Frauen- und Geschlechteforschung, analysierte in ihrem Beitrag „Gleichstellungspolitik und Geschlechterforschung - Über die Tücken des Erfolgs“ aktuelle Prozesse in Wissenschaft und Politik. Sie diagnostizierte ein deutliches Auseinanderdriften der Arbeitsformen und –inhalte von Gender-ExpertInnen und GeschlechterforscherInnen. Historisch gesehen sind Frauenforschung und Frauenpolitik im Sinne einer emanzipatorischen Wissenschaft und Politik eng miteinander verbunden gewesen. Die Entwicklung seit den 1990er Jahren habe aber zu einer Theoretisierung der Geschlechterforschung einerseits und einer „Verbetriebswirtschaftlichung“ des Gender-Diskurses im Kontext des von der EU Top-down initiierten Gender Mainstreamings im Sinne einer Optimierung des Human Ressources Managements von Organisationen und Institutionen geführt. Die Diagnose Wetterers: "Die Praktikerinnen und die Theoretikerinnen verfügen heute über ein je eigenes hoch elaboriertes Geschlechterwissen. Beide orientieren sich an unterschiedlichen Bezugs- und Relevanzsystemen, und sie tun dies auch deshalb, weil die Kriterien der Anerkennung und des Erfolges, an denen sich ihre Arbeit zu orientieren hat, um als kompetent zu gelten, nicht deckungsgleich sind."
Die erst vor kurzem aus Wien nach Innsbruck gekommene und langjährig in der universitären wie auch außeruniversitären Frauen- und Geschlechterforschung aktive neue Koordinatorin der Forschungsplattform, Dr.in Andrea Ellmeier, stellte sich der Innsbrucker Gender-Community vor und wies darauf hin, dass es ein Hauptanliegen ihrer Arbeit sein werde, „Forschungsleistungen im Bereich Geschlechterforschung an der Universität Innsbruck zu stärken und sichtbar zu machen“ wie sie auch im Rahmen ihrer zeitlichen Ressourcen die Mitglieder der Plattform bei Projekten und Vorhaben unterstützen wird. Hinsichtlich künftiger Projekte stellte sie fest, dass vor allem der Forschungsschwerpunkt „Politics und Cultures of Care“ ausgebaut werden soll.
Last not least stellte Mag.a Elisabeth Grabner-Niel vom Büro für Gleichstellung und Gender Studies spannende Überlegungen hinsichtlich eines fach- und universitätsübergreifenden Masterstudiums mit dem Arbeitstitel „Gender, Culture and Development“ an. „Unserer Überzeugung nach ist es wichtig, ein in sich konsistentes Studienangebot mit starkem Fokus auf die Geschlechterdimension zu entwickeln, das aktuelle und höchst dringliche gesellschaftliche Zusammenhänge behandelt“ legte sie als treibende Motivation zu diesem Projekt dar.
Umrahmt wurde die von MMag.a Irene Tischler organisierte Auftaktveranstaltung von einer Ausstellung bunter und im Design ganz unterschiedlicher Plakate, die von beteiligten GeschlechterforscherInnen angefertigt wurden. Diese Plakate werden demnächst auf der Website der Forschungsplattform Geschlechterforschung abrufbar sein. Mit anregenden Gesprächen bei einem kulinarisch abwechslungsreichen Buffet und musikalisch begleitet von der Gruppe saxofemmes klang die Auftaktveranstaltung aus.
Designierte Forschungsbereiche der Plattform
Der Zusatztitel der interdisziplinär und interfakultär konzipierten Forschungsplattform Geschlechterforschung: Identitäten – Diskurse – Transformationen nimmt Bezug auf drei hochaktuelle Interessensgebiete. Ein erstes Forschungsfeld „Körper – Gesundheit – Normierung“ stellt Untersuchungen zu Körper- und Gesundheitskonzepten von und für Frauen und Männer(n) an. Aufgerollt wird dabei etwa die Geschichte der Auffassung vom (menschlichen) Körper.
Analysen von Subjektivierungsprozessen stehen hingegen im Zentrum des zweiten Forschungsgebiets, das den Namen „Subjektivität, Macht und Narrativität“ trägt. Biographien werden dann als Umwandlungen und Manifestationen von kulturellen, juristischen, historisch-politischen, ethischen und gesellschaftlichen Diskursen begreifbar gemacht.
„Sozioökonomische und politische Transformationen“ nimmt schließlich das dritte Forschungsfeld näher unter die Lupe. Hier wird vor allem das Erwerbsverhalten von Frauen und Männern kritisch hinterfragt. Zum Beispiel: Wie kann es sein und welche Gründe gibt es dafür, dass es in allen europäischen Ländern bedeutende geschlechtsspezifische Unterschiede beispielsweise hinsichtlich Berufsorientierung, Einkommenschancen, Beschäftigung und Arbeitslosigkeit gibt?