Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser
In seiner Diplomarbeit am Institut für Infrastruktur, Arbeitsbereich für Geotechnik und Tunnelbau und Arbeitsbereich für Wasserbau, führte Michael Holzmann eine Finite-Elementberechnung für einen bereits gebauten und seit vielen Jahren im Betrieb befindlichen - also standsicheren - Damm einer Wasserkraftanlage durch. „Für die Berechnung benötigt man sogenannte Werkstoffmodelle, die reale Materialeigenschaften in Abhängigkeit ihrer mathematischen Komplexität gut oder weniger gut beschreiben“, erklärt Holzmann. In seiner Untersuchung überprüfte er mehrere Werkstoffmodelle auf ihre Tauglichkeit, um Spannungen und Verformungen in einem Schüttbauwerk prognostizieren zu können.
„Die Tauglichkeit der Modelle wird geprüft, indem Standard-Laborversuche mit dem Computer modelliert und nachgerechnet werden. Die mit dem Computerprogramm berechneten Ergebnisse werden anschließend mit den Messdaten aus dem Labor verglichen und bewertet. Dadurch kann neben der Tauglichkeit auch kontrolliert werden, ob das Werkstoffgesetz richtig im Computerprogramm implementiert ist“, so Holzmann.
Bei der Nachrechnung der Versuche unter genormten Bedingungen fand er heraus, dass im verwendeten Programm mehrere Fehler enthalten waren, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht entdeckt wurden. „Offensichtlich wurden von der Entwicklerfirma keine Verifikationsberechnungen durchgeführt. Auch in der Praxis wird aus Zeit- und Kostengründen meist auf solche Berechnungen verzichtet. Somit bleiben Fehler unentdeckt“, berichtet der Bauingenieur.
Nach einer intensiven Beschäftigung mit der mathematischen Formulierung des Stoffgesetzes konnten die fehlerhaft implementierten Formeln isoliert und von der Entwicklerfirma korrigiert werden. Nach Beseitigung der Programmfehler konnte Holzmann dann mit der eigentlichen Berechnung des Dammbauwerks beginnen, um Rückschlüsse aus den Vergleichsuntersuchungen der numerischen Modellierung, den genormten Versuchsbedingungen und den tatsächlichen Verhältnissen am bereits jahrelang erprobten und standfesten Ausführungsbeispiel zu ziehen.
„Eine wichtige Schlussfolgerung aus meiner Untersuchung sollte sein, dass der Ingenieur den Ergebnissen von Black-Box Programmen nicht blind vertrauen soll. Es bleibt zu klären, wer im Falle eines auftretenden Schadens, der durch die Berechnung mit einem fehlerhaften Programm auftreten kann, die Haftung übernimmt. Diese Fragestellung wurde im Rahmen der Diplomarbeit nicht mehr behandelt und könnte wahrscheinlich von ExpertInnen unserer Rechtswissenschaftlichen Fakultät beantwortet werden“, so Holzmann resümierend.