„Körpermärkte“: von Eunuchen in der Antike bis zu künstlicher Befruchtung heute
Die Inwertsetzung des menschlichen Körpers ist in Zeiten der globalen Liberalisierung von Märkten und der Reformdebatten um Gesundheitssysteme von besonderer Aktualität. Geht es im einen Fall auch um den oft ungenierten Verkauf aus dem „Ersatzteillager Mensch“, geht es im anderen um die Leistbarkeit medizinischer, oft lebensnotwendiger Dienstleitungen.
Historische Körpermärkte
All dies hat aber auch eine lange Geschichte, aus der man Schlüsse für aktuelle Debatten ziehen kann. So wurde bereits in der Antike der Wert von Menschen, in diesem Fall zumeist Sklaven, durch Verstümmelung gesteigert: Eunuchen waren auf den Märkten die wesentlich begehrtere „Ware“, wie Kordula Schnegg ausführte. Sie weist aber auch auf die von den Quellen nur indirekt dokumentierte Erfahrungswelt der Betroffenen hin, die dadurch oft bis heute nur unzureichend erfasst ist. Den Blick stärker auf die medizinische Verwertung von Körpern und Körperteilen lenkte Valentin Gröbner (Luzern), wenn er als Mittelalterhistoriker über die Verwendung von „Mumia“ in Apotheken, also (echten oder behaupteten) ägyptischen Mumien, oder von menschlichem Körperfett zur Wundheilung auf den Schlachtfeldern berichtet. Den Abschluss des ersten, historischen Tages des Symposiums bildete Maria Heidegger, die über den Umgang mit psychisch Kranken in der „Irrenanstalt“ Hall im 19. Jahrhundert berichtete. Damals wurde nicht nur der Zugang zum „Geist“ der Patientinnen und Patienten oft über körperliche Betätigung oder auch Einschränkung gesucht, sondern es entwickelte sich auch langsam eine wissenschaftlichere Praxis der Behandlung, für die das „Patientengut“ wertvolles „Material“ abgab.
Organtransplantation, Schmerzensgeld, Eizellspenden
Am zweiten Tag entführte Marlene Hopfgartner die Zuhörerinnen und Zuhörer in die noch gar nicht so lange Geschichte der Organtransplantation. Abgesehen von vielen heute skurril anmutenden frühen Praktiken fällt insbesondere der experimentelle Charakter der frühen Transplantationen auf, die sich auch vor dem Hintergrund eines „Wettlaufs“ zwischen den führenden Kliniken um die ersten Erfolge abspielte, ehe Immuntherapien diese Eingriffe immer mehr zur Routine machten. Magdalena Thöni (UMIT) unternahm anschließend den ökonomischen Versuch, sich dem „Wert“ eines Körpers über einen der wenigen Datenkanäle anzunähern, die es offiziell gibt, nämlich über Schmerzensgeldentscheidungen. Bei aller Unzulänglichkeit dieser Bewertung – und das zeigen auch Vergleiche mit anderen Methoden – ist es eine der wenigen Möglichkeiten, die Monetarisierung von Menschen, die täglich in der einen oder anderen Weise stattfindet, auch transparent zu machen. Die damit eingeschlagene ethische Diskussionsschiene vervollständigte schließlich Gabriele Werner-Felmayer (MedUni Innsbruck) mit ihrem Beitrag über die Verwendung von Eizellen in der Medizin. Dort werden sie nicht nur für die Erfüllung von Kinderwünschen eingesetzt, sondern sind auch wertvolles „Rohmaterial“ für die Stammzellenforschung. In beiden Fällen haben sich längst graue und teils schwarze Märkte gebildet.
Kontroverse Podiumsdiskussion: „Organknappheit? Wie lösen?“
Das trifft auch für menschliche Organe zu. Diesem Thema widmete sich am Abend des ersten Tages eine Podiumsdiskussion unter der Leitung von Ulrike Finkenstedt, an der der Innsbrucker Transplantationschirurg Raimund Margreiter, die deutsche Sozialwissenschaftlerin und Publizistin Erika Feyerabend, der deutsche Gesundheitsökonom Thomas Rudolf und der Innsbrucker Theologe Józef Niewiadomski teilnahmen. Dabei konnte zwar weder geklärt werden, ob es so etwas wie „Organknappheit“ überhaupt gibt, noch wie sie zu lösen wäre, die Diskussion lieferte aber zahlreiche, teils heftig diskutierte Ansätze zu beiden Fragen. So könnte das Beheben eines Mangels an Organen durchaus an der Unersättlichkeit menschlichen Begehrens scheitern, wofür weder monetäre Anreize noch andere Versuche, die Spendenbereitschaft zu erhöhen, viel ändern können. Doch wurde auf diesem Wege auch klar, dass weder die Medizin, noch die Ökonomie und auch nicht die Ethik allein die letzte Antwort auf diese Frage geben können. Vielmehr braucht es den klugen Ausgleich zwischen dem Machbaren, dem Finanzierbaren und dem Wünschbaren, um Leid sowohl von den Empfängerinnen und Empfängern als auch von den Spenderinnen und Spendern fernzuhalten.
Die Serie wird fortgesetzt
Aufgrund des erneut großen Erfolges der diesjährigen Tagung haben die Planungen für das 3. Wirtschaftshistorische Symposium 2009 bereits begonnen. Es wird sich mit Fragen aus dem Themenfeld „Globalisierung“ beschäftigen, wieder interdisziplinär ausgerichtet und frei zugänglich sein. Die Ergebnisse des Symposiums wies man auch nachlesen können. Bereits für den Herbst ist die Publikation der Tagungsbeiträge geplant. Dies trifft auch schon für das erste Symposium zu, dessen Inhalte Gegenstand des Sammelbandes „Von Menschenhandel und Menschenpreisen“ ist, der bei innsbruck university press und im Buchhandel erhältlich ist.