Klimawandel, Naturgefahren und Megastädte
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat das Jahr 2008 zum Internationalen Jahr des Planeten Erde (International Year of Planet Earth) erklärt. Die Initiative zur Ausrufung des Jahres ging von internationalen Wissenschaftsorganisationen – insbesondere der IUGS (International Union of Geological Sciences) – aus. Die Federführung im UN-System für das Internationale Jahr des Planeten Erde liegt bei der UNESCO.
Größte weltweite Initiative in den Geowissenschaften
Das Internationale Jahr des Planeten Erde soll die Bedeutung und den Nutzen der modernen Geowissenschaften für die Gesellschaft und für eine nachhaltige Entwicklung verdeutlichen. Es ist die bislang größte weltweite Initiative in den Geowissenschaften. Alle internationalen wissenschaftlichen Fachverbände, zahlreiche Partner und Sponsoren unterstützen das UN-Jahr.
Im Verlauf des Jahres finden zahlreiche Veranstaltungen und interdisziplinäre Projekte auf internationaler und nationaler Ebene statt. Die Veranstaltungen und Projekte erstrecken sich insgesamt über einen Zeitraum von drei Jahren (2007 – 2009).
Leistungsschau der Innsbrucker Geo- und Atmosphärenwissenschaften
Die Innsbrucker Fakultät für Geo- und Atmosphärenwissenschaften setzte mit dieser Veranstaltung eine der wenigen breiten Aktivitäten, die österreichweit zum Internationalen Jahr des Planeten Erde veranstaltet werden. Das liegt einerseits daran, dass die Fakultät trotz ihrer vergleichsweise geringen Größe wissenschaftlich sehr breit aufgestellt ist. Ein Indiz dafür ist, dass in Innsbruck an sechs der zehn Leitthemen, (Naturgefahren, Klimawandel, Ressourcen, Megastädte, Tiefe Erde, Boden) nachhaltig geforscht wird. In den vergangenen zwei Jahren wurden an den verschiedenen Instituten an 130 Forschungsprojekten gearbeitet. Knapp zwei Drittel der WissenschaftlerInnen werden dabei über Drittmittel – also extern – finanziert. „Die Kolleginnen und Kollegen in unserer Fakultät arbeiten sehr gut zusammen und sie arbeiten an der spannenden und für unsere künftige Entwicklung so wichtigen Schnittstelle zwischen Mensch und Umwelt“, betont der Dekan, Prof. Martin Coy. Der Fakultätstag fand heuer nach 2006 bereits zum zweiten Mal statt und hat auch das Ziel, die Verbindung zwischen den WissenschaftlerInnen an der Universität mit den ehemaligen Studierenden, die nun als Fachleute in öffentlichen Stellen und der Privatwirtschaft arbeiten, zu vertiefen. Ein weiterer Aspekt dabei ist, mit LehrerInnen in Kontakt zu treten und so auf die Studienmöglichkeiten und die späteren Arbeitsfelder hinzuweisen. Die Fakultät hat daher einen Posterausstellung entwickelt, die in den kommenden Wochen die Möglichkeit für Schulführungen eröffnet. Im Rahmen von Führungen durch diese Ausstellung will man Schülerinnen und Schülern die Bedeutung der Geowissenschaftlichen Forschung näherbringen. Schon J.F. Kennedy erkannte im Jahr 1961: „Unsere gesamte Gesellschaft ist begründet auf – und abhängig von – unserem Wasser, unserem Land, unseren Wäldern und unseren Rohstoffen. Wie wir diese Ressourcen nutzen, beeinflusst unsere Gesundheit, Sicherheit, Wirtschaft und unser Wohlergehen“.
Große Ziele
Folgenden gesellschaftlich relevanten Zielen sieht sich das Internationale Jahr des Planeten Erde verpflichtet:
- Reduzierung der Risiken für die Gesellschaft durch natürliche und menschlich verursachte Katastrophen
- Entdeckung neuer natürlicher Ressourcen und deren nachhaltige Nutzung
- Bestimmung der vielfältigen Faktoren des Klimawandels
- Erweiterung des Wissens über das Vorkommen von Bodenschätzen, verstanden unter anderem als Beitrag zum Abbau politischer Spannungen
- Suche nach wenig erforschten und bisher kaum zugänglichen Grundwasserressourcen Sicherung einer lebenswerten Umwelt und Ermöglichung eines nachhaltigen Umgangs mit natürlichen Ressourcen bei der Entwicklung städtischer Gebiete
In diesem Sinne steht das Internationale Jahr des Planeten Erde unter den folgenden Leitthemen, zu denen geowissenschaftliche Forschung einen zukunftsorientierten Beitrag leistet:
- Naturgefahren: Minimierung des Risikos, Maximierung des Bewusstseins
- Klimawandel: „wenn Steine erzählen“
- Ressourcen: in Richtung nachhaltiger Nutzung
- Megastädte: unsere globale Stadtzukunft
- Tiefe Erde: von der Kruste zum Kern
- Boden: die lebende Haut der Erde
- Grundwasser: Reservoir für einen durstigen Planeten
- Erde und Gesundheit: für eine sichere Umwelt sorgen
- Ozeane: Meer der Zeit
- Leben: Quellen der Diversität
Die Fakultät für Geo- und Atmosphärenwissenschaften, Dekan Martin Coy ist selbst Mitglied im Science Programme Committee (SPC) zum Thema „Megacities“, hat im Rahmen ihres Fakultätstags am 25. November zu den ersten 6 der 10 Themen ihre Forschungsaktivitäten in gut verständlicher Form anhand von Vorträgen und in einer Posterausstellung präsentiert. Der interessante Tag wurde durch einen Vortrag von Prof. Frauke Kraas abgerundet. Sie ist Inhaberin des Lehrstuhls für Anthropogeographie an der Universität zu Köln. Seit vielen Jahren widmet sie sich in ihren Forschungen den Entwicklungsproblemen asiatischer Megastädte. Derzeit leitet sie größere Forschungsprogramme und –projekte in Indien, Bangladesh und China. Sie ist Koordinatorin der Megacity TaskForce der Internationalen Geographischen Union, sie engagiert sich an maßgeblicher Stelle in der Internationalen Global Change-Forschung. Insbesondere gehört sie dem Leitungsgremium zum Internationalen Jahr des Planeten Erde an und ist in diesem Zusammenhang Team Leader des Leitthemas „Megastädte: unsere globale Stadtzukunft“.
Megastädte – Mega-Herausforderungen
Die urbane Wende: 2007/2008 leben nach Schätzungen der Vereinten Nationen erstmals mehr Menschen weltweit in Städten als auf dem Land. Dies kommt einer dramatischen Wende in der Menschheitsgeschichte gleich. Vor allem auch deshalb, weil der für die kommenden Jahre prognostizierte Bevölkerungszuwachs auf der Erde zu einem ganz wesentlichen Teil in den rasch wachsenden städtischen Agglomerationen der Länder des Südens stattfinden wird. Eine besondere Herausforderung sind die so genannten Megastädte, urbane Agglomerationen von mehr als 10 Millionen Einwohnern, die - von wenigen Ausnahmen abgesehen - alle in den armen Ländern des Planeten Erde liegen (s. Karte). Megastädte müssen zunehmend als globale Risikogebiete gesehen werden. Sie sind besonders anfällig für Versorgungsengpässe, soziale Krisen und politische Konflikte und mindestens ebenso verwundbar gegenüber den verschiedensten Naturgefahren. In diesen komplexen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt findet geowissenschaftliche Forschung vielfältige Anknüpfungspunkte. Deshalb sind die Megastädte eines der Leitthemen des Internationalen Jahres des Planeten Erde. Diesem Leitthema war auch der öffentliche Abendvortrag von Prof. Frauke Kraas zum 2. Tag der Geowissenschaften gewidmet.