Ökosysteme sind Kohlendioxid-Pumpen
In der aktuellen Klimadebatte wird die Rolle der Böden nach wie vor eher vernachlässigt. Dies ist erstaunlich, geben die Landflächen weltweit doch acht bis zehn Mal soviel Kohlendioxid an die Atmosphäre ab wie die Menschheit bei der Verbrennung fossiler Energieträger. Freilich befinden sich diese Ökosysteme heute noch weitgehend im Gleichgewicht und nehmen im Durchschnitt etwa gleichviel Kohlenstoff auf wie sie abgeben. Dennoch können schon kleine Änderungen in diesem Kohlenstoffkreislauf enorme Folgen für das Klima haben. Forscher aus aller Welt versuchen deshalb, die komplexen Prozesse in den Böden besser zu verstehen. Unter ihnen ist auch Dr. Michael Bahn vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck, der zunächst in der Pflanzenökologie gearbeitet und sich in den letzten Jahren immer stärker der Bodenforschung zugewandt hat. „Wollen wir den Boden und seinen Einfluss auf das Klima besser verstehen, müssen wir auch den Zusammenhang zwischen der Pflanzen- und Bodenaktivität erforschen“, sagt Michael Bahn. „Dies ist allerdings nicht einfach, weil der Boden ein sehr schwer zugängliches System darstellt.“ In der Vergangenheit wurde der Boden deshalb meist nur isoliert und unter dem Einfluss physikalisch-chemischer Faktoren betrachtet. „Heute zeigt sich aber immer deutlicher, dass auch die biologischen, häufig oberirdischen Einflüsse berücksichtigt werden müssen“, erzählt Bahn, der deshalb seit kurzer Zeit eine neue Methode zur Bestimmung des Kohlenstoffkreislaufes einsetzt.
Weltweit erste Messung im Grasland
Dabei führt Michael Bahn dem Ökosystem mit stabilen (nichtradioaktiven) Isotopen markiertes Kohlendioxid zu, das durch die Fotosynthese der Pflanzen aufgenommen wird und über die Wurzeln in den Boden gelangt. Mit Hilfe der Laserabsorptionsspektrometrie lässt sich dann der markierte Kohlenstoff wieder finden, ohne dass das untersuchte Ökosystem zerstört werden muss. Während früher Proben nur sporadisch genommen werden konnten und unter großem Aufwand in Labors untersucht werden mussten, können heute direkt im Freiland sehr exakte Messungen laufend durchgeführt werden. Gemeinsam mit deutschen und Schweizer Kollegen hat Bahn mit dieser Methode nun erstmals die CO2-Freisetzung aus dem Boden von Graslandflächen mit hoher Zeitauflösung untersucht und dabei überraschende Ergebnisse zutage gefördert. „Zum einen konnten wir zeigen, dass der von den Pflanzen über die Fotosynthese aufgenommene Kohlenstoff über die Wurzelatmung und mikrobielle Ausscheidungen innerhalb von nur ein bis zwei Stunden vom Boden wieder abgegeben wird“, erklärt Bahn. „Dabei ist ein tageszeitliches Muster festzustellen, das nahe legt, dass die Pflanzen und Mikroorganismen untertags bevorzugt die frischen Fotosyntheseprodukte verarbeiten und nachts vor allem auf ältere Reserven zurückgreifen.“ Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler damit erstmals einen eindeutigen Beleg für den unmittelbaren Einfluss der Fotosynthese auf die Bodenatmung finden. Bisher war dies zwar vermutet worden, die These beruhte aber auf fragwürdigen Annahmen, wie Bahn erst unlängst zeigen konnte.
Eigenes Messgerät wird angeschafft
Mit diesen Erkenntnissen eröffnet sich ein ganz neues Forschungsfeld, das die Zusammenarbeit von Pflanzenforschern, Bodenkundlern, Mikrobiologen, Isotopenspezialisten und Modellierern notwendig macht. „Um diese komplexen Zusammenhänge zu verstehen, bedarf es eines integrierten, interdisziplinären Ansatzes“, betont Michael Bahn, der auch in internationale Bemühungen zur Vertiefung dieses Forschungsgebiets eingebunden ist. Die Forschungsergebnisse, die vor kurzem in der renommierten Fachzeitschrift New Phytologist veröffentlich wurden, zeigen auch, dass Prognosen verlässlicher werden, wenn die Fotosynthese der Pflanzen in zukünftigen Modellrechnungen berücksichtigt wird. Dazu wird es notwendig sein, weitere Messungen an unterschiedlichen Ökosystemen durchzuführen. Die Innsbrucker Forscher sind dafür bestens gerüstet, erhalten sie doch in Kürze ein eigenes Gerät zur Laserabsorptionsspektrometrie, das aus Mitteln des Uniinfrastrukturprogramms finanziert wurde.