Die älteste Ingenieurskunst der Welt
Der Steinzeitmensch nutzte bereits vor circa 750 000 Jahren das Element Feuer als Wärmequelle und zur Nahrungszubereitung. Bisher glaubte man, dass die Fähigkeit unserer Vorfahren, Feuer auch bei der Herstellung von Steinwerkzeugen und Waffen einzusetzen dagegen verhältnismäßig jung sei: Diese Form der Pyrotechnologie, die man für eine Erfindung der Steinzeitjäger im ausgehenden Paläolithikum Europas hielt, wurde bis dato auf rund 25 000 Jahre datiert. In der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift Science vom August 2009 revolutionierte ein internationales Forscherteam nun diese Sichtweise. Nach den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaftler ist die älteste Feuertechnologie zumindest 72 000 Jahre, möglicherweise aber sogar 164 000 Jahre alt und hat sich an der Südspitze Südafrikas entwickelt.
Alte Steinwerkzeuge
Durch eine Kombination von mehreren Methoden und Analogexperimenten konnten die Wissenschafter nachweisen, dass nuanciertes aber starkes Erhitzen des Ausgangsgesteins dessen Material- und Bearbeitungseigenschaften erheblich verbessert. „Nur so kann das Auftreten eines Großteils der hoch entwickelten Steinwerkzeuge, die an der Südküste Südafrikas vorkommen, erklärt werden“, sagt Michael Meyer, Marie Curie Fellow am Institut für Geologie und Paläontologie der Universität Innsbruck, der gemeinsam mit seiner Kollegin Zenobia Jacobs von der University of Wollongong in Australien für die Datierung der archäologischen Sedimente mit den darin enthaltenen Fundstücken verantwortlich war. „Um komplexe archäologische Sedimentsequenzen wie im vorliegenden Fall Südafrikas präzise datieren zu können, setzen wir die Optisch Stimulierte Lumineszenz (OSL) Methode ein. Dabei messen wir pro Probe das Lumineszenzsignal mehrere hundert bis tausend einzelne Sedimentkörner, auf deren Basis wir dann das Ablagerungsalter des Sedimentes berechnen können“, so Meyer.
Aussterben der Neanderthaler
Die genaue zeitliche Stellung und Abfolge von archäologischen und klimatischen Ereignissen ist eine der wichtigsten und spannendsten Herausforderungen in der modernen Geoarchäologie und Klimaforschung und stellt den Schwerpunkt der Arbeit von Michael Meyer dar, der sich zur Zeit auf Forschungsaufenthalt an der University of Wollongong in Australien befindet. An die Erkenntnisse, die er in Südafrika gewonnen hat, möchte Michael Meyer gemeinsam mit seinen Kollegen in einem nächsten Schritt inhaltlich und thematisch anknüpfen. „Wir sehen, dass unsere direkten Vorfahren bereits sehr früh Meister im Umgang mit Feuer waren – Wissen, das ihnen vermutlich einen erheblichen Vorteil einbrachte, als sie vor circa 50 000 Jahren in die wesentlich kälteren Regionen Eurasiens vordrangen. Hier trafen sie auf die Neanderthaler, die zu dieser Zeit in Europa und Teilen Asiens heimisch waren, bald darauf aber ausstarben“, erklärt Meyer. Welche Rolle dabei der aus Afrika stammende Moderne Mensch und seine Pyrotechnologie sowie die raschen Klimafluktuationen der herannahenden Eiszeit spielten, ist Fokus der zweiten Phase des Marie Curie Projektes von Michael Meyer. „Der Mittelpunkt dieser zweiten Projektphase wird ab Sommer 2010 das OSL Labor am Institut für Geologie und Paläontologie der Universität Innsbruck sein und den damit verknüpften Aufgaben und Herausforderungen sehe ich mit Freude entgegen“, so der Nachwuchswissenschaftler.
Zur Person
Dr. Michael Meyer studierte Erdwissenschaften an der Universität Wien und absolvierte von 2003-2006 das Doktoratsstudium am Institut für Geologie und Paläontologie der Universität Innsbruck. In der Arbeitsgruppe von Prof. Christoph Spötl vom Institut für Geologie und Paläontologie arbeitete er an Sinterablagerungen in ostalpinen Höhlen, anhand derer er neue Erkenntnisse über die Klima- und Umweltentwicklung während des letzten Interglazials sowie über den bislang kaum erforschten Zeitabschnitt am Beginn des Quartärs vor circa 2 Millionen Jahren gewinnen konnte. Seit 2007 forscht Michael Meyer im Rahmen eines Schrödinger Stipendiums und eines Marie Curie Fellowships in der Arbeitsgruppe von Prof. Bert Roberts an University of Wollongong (Australien). Im dritten Jahr seiner Zeit als Marie Curie Fellow wird er wieder an der Universität Innsbruck forschen und seine Erfahrungen in das noch junge OSL Labor einbringen.