Oxidativer „Luftangriff“

Die natürlichen Fette in unserer Haut reagieren mit dem Reizgas Ozon. Bei dieser Wechselwirkung entstehen erstmals nachgewiesene Oxidationsprodukte, die unsere Gesundheit möglicherweise ebenso beeinträchtigen wie das Ozon selbst. Diese neuen Zusammenhänge haben Innsbrucker Ionenphysiker gemeinsam mit amerikanischen Wissenschaftlern erstmals im Detail erforscht.
Ozon in Innenräumen reagiert mit der menschlichen Haut - zu diesem Ergebnis kamen Ion …
Ozon in Innenräumen kann zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen [Foto: pixelio.de/Paul-Georg Meister]

Menschen in der industrialisierten Welt verbringen etwa 90 Prozent ihrer Lebenszeit in Innenräumen. Über geöffnete und gekippte Fenster, die Lüftungsanlage oder bauliche Undichtheiten gelangt Ozon in Büros oder Wohnräume. Das Reizgas bildet sich bei intensiver Sonneneinstrahlung in der Außenluft aus flüchtigen organischen Verbindungen und Stickoxiden. Es wird aber auch von bestimmten Laserdruckern oder Kopiergeräten freigesetzt. „Ozon reagiert in Innenräumen mit  einer in diesem Zusammenhang bisher kaum untersuchten Oberfläche, der menschlichen Haut“, erklärt Dr. Armin Wisthaler vom Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck.

 

Ozon reagiert mit Oberflächen

Wisthaler und der US-Chemiker Charles J. Weschler vom Environmental and Occupational Health Sciences Institute in New Jersey zeigen in ihrer Studie erstmals, dass Ozon bevorzugt mit einem in den natürlichen Hautfetten enthaltenen, mehrfach ungesättigten Kohlenwasserstoff (Squalen) reagiert. Als Folge entstehen zahlreiche einfache und substituierte Carbonylverbindungen. Die Produkte dieses oxidativen „Luftangriffes“ bleiben entweder auf unserer Körperhülle oder entweichen gasförmig von der Hautoberfläche. Sie reichern sich in weiterer Folge in der Raumluft an und werden eingeatmet. „Diese Prozesse konnten wir auch bei niedrigen, für Mitteleuropa typischen Innenraum-Ozonkonzentrationen nachweisen“, sagt Wisthaler.

 

Die Forscher haben bei ihrer Studie die Reaktionen und Folgereaktionen des Reizgases bei typischer Ozonkonzentration in einem mit zwei Personen besetzten Büro simuliert. Laut den Ergebnissen reduziert die Anwesenheit einer einzelnen Person die Ozonkonzentration in der Büroluft um zehn bis 25 Prozent. Davon wird nur ein geringer Anteil (weniger als zwei Prozent) eingeatmet, der Großteil zersetzt sich an Haut, Haaren und Kleidung. „Daneben reagiert Ozon insbesondere auch mit allem, das der Mensch berührt und dadurch mit seinen Hautfetten bedeckt“, so Wisthaler. Da viele der entstehenden Oxidationsprodukte als reizend oder sensibilisierend für Haut und Atemwege eingestuft werden, regen die Forscher Folgestudien zur genaueren Klärung der gesundheitlichen Auswirkungen an.

 

Neue Technik

International gibt es zur Luftgüte in Innenräumen im Kontext Ozon bisher nur wenige Studien. Traditionelle Messverfahren zur Feststellung der Luftgüte in Innenräumen weisen die Oxidationsprodukte von Ozon nicht nach. Erst seit kurzem ist es möglich, die bei der Oberflächenreaktion von Ozon entstehenden Oxidationsprodukte exakt zu messen. Ein am Innsbrucker Institut für Ionenphysik entwickeltes, hochsensibles Messverfahren, bei dem mithilfe einer neuartigen Ionenquelle in einem Massenspektrometer schnell winzigste Spuren flüchtiger Gase gemessen werden können, bietet die dafür nötige Technik.

 

Hochreaktives Molekül

Unterschieden wird grundlegend zwischen dem nützlichen stratosphärischen Ozon, das in 25 bis 40 Kilometer Höhe vor der UV-Strahlung der Sonne schützt und dem bodennahen oder "troposphärischen" Ozon, das für Menschen, Tiere und Pflanzen schädlich ist. Ozon ist eine spezielle Form des Sauerstoffes, bei der drei Sauerstoffatome zu einem Molekül, O3, verbunden sind. Die hochreaktiven gasförmigen Moleküle bilden sich durch komplexe photochemische Prozesse bei starker Sonneneinstrahlung. Das bodennahe Ozon ist deshalb ein Hauptbestandteil des Sommersmogs. Ozon und dessen Reaktionsprodukte, wie zum Beispiel Aldehyde, stehen unter dem Verdacht, Augenreizungen, Atembeschwerden, Kopfschmerzen, trockene Augen und trockene Lippen zu verursachen.

Die renommierte Zeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“ berichtet darüber in ihrer Internet-Vorabausgabe.

 

(ip)