Mehr Sicherheit und Komfort im alpinen Skilauf
Im alpinen Skilauf liegt die Verletzungsrate unter zwei Verletzten pro 1000 Skitage. In den österreichischen Krankenhäusern werden dennoch jährlich über 60000 verletzte Skifahrer und Snowboarder behandelt. Die tatsächliche Zahl von Wintersportverletzungen liegt aber deutlich höher, weil über die Hälfte der Verletzten selbstständig einen Arzt aufsucht. Die volkswirtschaftlichen Kosten für Behandlung, Krankenstand, Invalidität und Todesfälle belaufen sich in Österreich jedes Jahr auf über 100 Millionen Euro. „Der Prävention von Verletzungen im alpinen Skilauf kommt deshalb eine bedeutende Rolle zu“, sagt Prof. Werner Nachbauer, Geschäftsführer des Technologiezentrums für Ski- und Alpinsport an der Universität Innsbruck. „Wie das neue Interreg IV-Projekt ‚SkiProTech’ zeigt, kann die Forschung hier einen wichtigen Beitrag leisten.“
Virtueller Skifahrer und Crashtest-Dummy
Um Verletzungsmechanismen und Kollisionsunfälle im alpinen Skisport untersuchen zu können, entwickeln Forscher am Technologiezentrum für Ski- und Alpinsport am Computer ein Simulationsmodell. Teilmodelle des Skifahrers, der Skis und des Kontakts zwischen Ski und Schnee wurden bereits erstellt und in der Entwicklungsumgebung LMS Virtual Lab zu einem Gesamtmodell zusammengefasst. Basierend auf diesem Modell können mit Bewegungsvorgabe des Skifahrers Simulationen durchgeführt werden. „Im kommenden Jahr wollen wir das Skifahrermodell mit einem Muskelmodell erweitern, um Rückschlüsse auf die Wirkungsweise der Muskulatur und auf die inneren Gelenkskräfte vornehmen zu können“, erklärt Prof. Nachbauer.
Im Rahmen des Projekts wird an der Universität Padua auch ein Test-Dummy mit möglichst menschenähnlichen mechanischen Eigenschaften entwickelt. Dieser Dummy ist mit mehreren Kraft-, Druck-, Beschleunigungs- und Positionssensoren ausgestattet und soll zur Überprüfung der Funktionsweise von Skischutzausrüstungen wie Skihelm und Rückenprotektor dienen. Die Ergebnisse werden wertvolle Hinweise für eine Verbesserung der Schutzausrüstung bringen.
Ergänzend wird in der Zahnabteilung des Krankenhauses Provinz Bozen ein Prototyp eines Zahnschutzes für Skifahrer entwickelt. Dieser soll Verletzungen im Kieferbereich minimieren, ohne dabei die Atmung oder den Komfort des Skifahrers zu beeinträchtigen. Um den hohen medizinischen Anforderungen gerecht zu werden, führt das Prüfinstitut Dolomiticert in Longarone spezielle Belastungstests am Material des Zahnschutz-Prototyps durch.
Mikroklima im Skischuh optimieren
Ein weiteres Forschungsfeld ist die Verbesserung des Komforts und die Optimierung des Mikroklimas im Skischuh. „Dadurch könnte die Durchblutung, das subjektive Wohlbefinden und damit das Fahrgefühl verbessert werden“, sagt Prof. Nachbauer. Am Forschungsinstitut für Textilchemie und Textilphysik der Universität Innsbruck in Dornbirn wird derzeit eine Apparatur zur Bestimmung von Wärmedurchgang und Feuchtigkeitstransport in textilen Strukturen aufgebaut. Diese soll in Zukunft in einer Klimakammer eingesetzt werden, um die Verhältnisse beim Skifahren zu simulieren. Am Technologiezentrum für Ski- und Alpinsport wurden zur Erfassung des Klimas im Skischuh mehrere hauchdünne Temperatur- und Feuchtigkeitssensoren eingebaut. Die Messsignale dieser Sensoren werden mit einem kleinen, kompakten Datenlogger gesammelt, der ebenfalls am Innsbrucker Technologiezentrum entwickelt wurde. Zur Abschätzung der körperlichen Belastung beim Skifahren wird an den Füßen eine Druckverteilungsmessung durchgeführt.
Die im Rahmen des Interreg IV-Projektes erzielten Ergebnisse sollen die Sicherheit und den Komfort im alpinen Skisport erhöhen. Damit könnten auch die Attraktivität des Skisports und damit verbunden die der alpinen Tourismusregionen gesteigert, die Sportindustrie gestärkt und die Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft gefördert werden.