Zukunftsweisender Kongress in Innsbruck

Wie reagieren tierische Organismen auf Umweltreize, wie z.B. zunehmende Umweltbelastungen und die Auswirkungen des Klimawandels? Diese brennende Frage war Thema eines zukunftweisenden Kongresses an der Universität Innsbruck.
Prof. Dr. Reinhard Dallinger, Kongress-Organisator; Prof. Dr. Roland Psenner; Dekan d …
v.l.: Prof. Dr. Reinhard Dallinger, Kongress-Organisator; Prof. Dr. Roland Psenner; Dekan der Fakultät für Biologie; Prof. Dr. Roy Weber, Hämoglobinforscher von der Universität Aarhus, Dänemark; Rektor Prof. Dr. Karlheinz Töchterle; Prof. Dr. Tillmann Märk, Vizerektor für Forschung; Gemeinderat Ing. Martin Krulis, offizieller Vertreter der Stadt Innsbruck; Prof. Dr. Coeenraad M. Adema, Mit-Initiator des „Snail Genome Project“, University of Albuquerque, New Mexico, USA.

An der von Prof. Dr. Reinhard Dallinger vom Institut für Zoologie organisierten viertägigen Konferenz nahmen 120 führende Biologen aus 26 Ländern sämtlicher Kontinente teil.

 

Beim Kongress „Environmental stimuli and their impact on homeostasis and gene regulation” von 6. bis 9.  September an der SoWi stand der Einfluss von Umweltreizen auf den Stoffwechsel von Organismen und ihre Gene im Mittelpunkt. Wie sich Lebewesen bereits auf molekularer Ebene – im Mikrokosmos ihrer Lebensbausteine - an Umwelt-Stress anpassen, ist weltweit ein sehr junges Forschungsthema, das die Biologie angesichts des Klimawandels und wachsender Umweltprobleme künftig vor noch größere Herausforderungen stellt. Beim Kongress wurden neueste Forschungen auf dem Gebiet der Genregulation durch Umweltfaktoren bei tierischen Organismen präsentiert, darunter auch bei zahlreichen Tiergruppen und Arten, die bisher nicht so sehr im Fokus der wissenschaftlichen Untersuchungen standen.

 

Von der Eiszeit in die Tropen

Unter den prominentesten Teilnehmern der Tagung war der dänische Hämoglobinforscher Prof. Dr. Roy Weber von der Universität Aarhus. Weber präsentierte unter anderem seine Forschungen zur Rekonstruktion der Struktur und Funktion des kälteangepassten Hämoglobins des während der letzten Eiszeit ausgestorbenen Europäischen Wollhaarmammut (Mammuthus primigenius). Hämoglobin ist das Transportprotein für Sauerstoff im Blut aller Wirbeltiere. Verschiedene Tierarten haben sich an ihre jeweiligen Umweltbedingungen durch spezifische strukturelle und funktionelle Veränderungen des Hämoglobins angepasst. Beim Mammut wurde das Hämoglobin so modifiziert, dass es dem eiszeitlichen Elefanten das Leben in der Kälte erleichterte.

 

Weber ist weltbekannt, da er die strukturellen und funktionellen Anpassungen des Mammut-Hämoglobins auf Basis gut erhaltenen Mammut-Gewebes in der Tundra Sibiriens durch bioinformatische, analytische und molekulare Methoden im Nachhinein rekonstruieren konnte. Das Mammut starb am Ende des Pleistozäns vor etwa 11.500 Jahren in Europa und Nordamerika aus. Von der Eiszeit führte ein weiterer Hauptdarsteller des Kongresses, die Süßwasserschnecke Biomphalaria glabrata, in die Tropen.  Diese Süßwasserschnecke ist Zwischenwirt der Wurmkrankheit Schistosomiasis (früher als Bilharziose bezeichnet), einer Tropenerkrankung an der weltweit rund 300 Millionen Menschen leiden. Der international renommierte molekulare Immunologe Prof. Dr. Coenraad Adema von der US-Universität Albuquerque in New Mexico ist einer der Initiatoren des „Snail genome Project“, bei dem das Genom dieses Zwischenwirtes - damit ein Schlüsselfaktor der durch Staudammbauten und Bewässerungsprojekte zunehmenden Tropenkrankheit -  entschlüsselt wird. Er hielt einen der Hauptvorträge auf dem Kongress.

 

Zukunftsweisendes Forschungsfeld Molekulare Physiologie

Prof. Dr. Reinhard Dallinger, Leiter einer molekularphysiologisch orientierten Arbeitsgruppe an der Abteilung Ökophysiologie am Institut für Zoologie und Mitglied des Innsbrucker CMBI (Center of Molecular Biosciences Innsbruck), sieht die Tagung als wichtigen Schritt hin zu einer integrativen Sichtweise, bei der die Reaktionen von Lebewesen auf Umweltbedingungen im Mikrokosmos einzelner Bausteine vergleichend erforscht werden. „Wenn wir vergleichend mehr über molekulare Mechanismen bei tierischen Organismen erfahren, erhalten wir auch mehr Fakten und vertiefen so das Verständnis von Gesamtzusammenhängen, wie z. B. des komplexen Puzzles der Aktivität von Stressproteinen und Enzymen sowie  der Expression von bestimmten Genen bei der Anpassung von Lebewesen an Umweltreize,“ betont Dallinger.

 

Der Zoologe und sein Team leisten seit langen Jahren im Feld der Wechselwirkung zwischen Lebewesen und Umwelt Pionierarbeiten zu einer ganzen Reihe bodenbewohnender Tierarten. Dallinger organisierte die Tagung in seiner Funktion als Präsident derEuropean Society for Comparative Physiology and Biochemistry“. Diese Gesellschaft wurde vor drei Jahren auf Dallingers Initiative hin in Innsbruck auf neue Ziele ausgerichtet und wieder belebt. Sie vernetzt führende Wissenschaftler der vergleichenden Ökophysiologie und molekularen Tierphysiologie aus ganz Europa. Die Tagung wurde von der Universität Innsbruck, dem CMBI, der öffentlichen Hand und der Wirtschaft gefördert. Für die Teilnahme wurden zehn Stipendien an NachwuchswissenschaftlerInnen vergeben.

(ip)