Integration und Glaube an Allah kein Widerspruch

Ob sich MigrantInnen in Österreich integrieren oder separieren, hängt von vielen Faktoren ab. Mit der Frage, welche Rolle die Religion im Akkulturationsprozess spielt, haben sich Forscherinnen vom Institut für Psychologie der Universität Innsbruck beschäftigt. Sie liefern ein differenziertes Bild über die Zusammenhänge von Religion und Akkulturation.
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Der Glaube an Allah und Integration sind laut einer von Innsbrucker Psychologinnen durchgeführten Studie kein Widerspruch [Foto: pixelio.de]

Im Rahmen des Forschungsprojekts „Religiosität und Akkulturation“ haben Dr. Tatjana Schnell und ihr Team vom Institut für Psychologie in Tirol eine Studie mit 129 AsylwerberInnen, 107 Menschen mit Migrationshintergrund und 136 ÖsterreicherInnen durchgeführt. „Uns hat interessiert, ob die intensive Ausübung nicht-christlicher, also fremder Religiosität die Integration ins Aufnahmeland verhindert“, sagt Tatjana Schnell. Aus diesem Grund sind laut Schnell die Ergebnisse der MigrantInnen-Befragung – der Großteil der Befragten kommt aus der Türkei und Osteuropa –  besonders interessant, denn: „Der Islam wird oft als Integrationsbarriere und Symbol der Abgrenzung aufgefasst. Unsere Studie hingegen legt nahe, dass keine Zusammenhänge zwischen überzeugter Glaubensausübung und Integration bestehen“, erklärt die Psychologin.

 

Muslime besonders religiös

Durchgeführt wurde die Untersuchung anhand von differenzierten Fragebögen mit insgesamt 134 Fragen zu 9 verschiedenen Themenbereichen. Erfahrungen während der Einlebephase in Österreich wurden dabei ebenso abgefragt wie die tatsächliche Integration oder eben auch die Themen Glauben und Religiosität. „In der Auswertung wurden die Ergebnisse zu den unterschiedlichen Themenbereichen miteinander in Beziehung gesetzt. Es hat sich dabei keine Korrelation zwischen der Ausprägung der Religiosität und dem Maß an Integration herausgestellt “, betont Schnell. Von den befragten MigrantInnen mit muslimischem Glauben bezeichnen sich 72 Prozent als überzeugt religiös, wobei die Religiosität unter den in Österreich geborenen Muslimen ausgeprägter ist als in der Elterngeneration. Das Ausmaß der religiösen Überzeugtheit ist hingegen deutlich geringer unter katholischen und orthodoxen Christen mit Migrationshintergrund. Zwei Drittel der befragten Muslime sind gut integriert, so das Ergebnis der Studie. Religiosität ist also kein Hindernis für die Integration. Ob sich MigrantInnen integrieren oder separieren hängt vielmehr davon ab, wie hoch der Akkulturationsstress und die Sprachkenntnisse der Betroffenen sind. Aber auch die  individuelle Persönlichkeit ist ein Faktor.

 

Separation geht häufig mit Fundamentalismus einher

In der Gruppe der in Separation lebenden Muslime nimmt Religiosität allerdings eine problematische Rolle ein: Unter ihnen sind das Zugehörigkeitsgefühl zum Islam ebenso wie Fundamentalismus überdurchschnittlich ausgeprägt; allerdings ist das Wohlbefinden relativ niedrig, was laut Schnell bemerkenswert ist: „Es gibt Theorien, die besagen, dass Religiosität die emotionale Seite der Migration erleichtert. Unsere Befragungen ergaben aber das Gegenteil“, erklärt sie. In Separation lebende MigrantInnen leiden außerdem besonders häufig an Sinnkrisen, wie die Studie ergab. „Fundamentalismus gilt eigentlich als stabiles Sinnsystem, im österreichischen Kontext erweist sich diese Strategie zur Bewältigung der Lebenssituation aber offenbar als erfolglos“, unterstreicht die Wissenschaftlerin. „Diese spezifische Gruppe weist mangelnde Sprachkenntnisse auf, erlebt – wohl auch deshalb – die Berufsfindung als besonders schwierig und hat Probleme mit österreichischen Sitten und Gebräuchen. Hinzu kommt, dass diese Personen das Gefühl haben, keine Kontrolle über ihr Leben zu haben. Sie erfahren sich als Spielball des Schicksals, was wir in der Psychologie als ‚fatalistische Externalität‘ bezeichnen. Das alles sind Gründe, um sich zurückzuziehen.“ – Die Studie legt damit einmal mehr nahe, dass es zur Verhinderung fundamentalistischer Tendenzen weit sinnvoller ist, der Separation vorzubeugen – z.B. durch Möglichkeiten der Mitgestaltung und Verantwortungsübernahme in der Gesellschaft – als Muslime in ihrer Religionsausübung einzuschränken.

 

„Unsere Ergebnisse basieren natürlich auf freiwilliger Teilnahme, was sich auf die Repräsentativität der Stichprobe auswirkt“, fügt Tatjana Schnell hinzu. „Es ist davon auszugehen, dass diejenigen, die bereits besser integriert sind, eher bereit waren zur Teilnahme als die Nicht-Integrierten“, erklärt sie. Für den Zusammenhang zwischen Religiosität und Integration würden sich allerdings keine wesentlichen Veränderungen ergeben.

(ef)