Tiefer Blick in einen Mikroquasar
Der Mikroquasar Cygnus X-3 besteht aus einem massereichen, heißen Stern und einem bisher noch nicht entschlüsselten, kompakten Objekt (Neutronenstern oder Schwarzes Loch). Spektakulär wird dieses Sternensystem aber insbesondere durch einen beidseitigen Materieausfluss mit etwa halber Lichtgeschwindigkeit, sogenannten Jets. „Solche Systeme nennt man in Analogie zu ähnlichen beobachtbaren Phänomenen von anderen Jet-Objekten, den Quasaren, dann Mikroquasare“, erklärt Prof. Olaf Reimer vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck und Mitautor der Veröffentlichung in Science. „Wiewohl die beobachteten Eigenschaften, wie breitbandige Emission im elektromagnetischen Spektrum, auffällige Helligkeitsveränderungen auf unterschiedlichen Zeitskalen sowie die bereits erwähnten Jets im Radiobereich auf Ähnlichkeiten hinweisen, haben wir es bei den Mikroquasaren mit Objekten in unserer Milchstraße zu tun, also Miniaturversionen der extragalaktischen Quasare, deren Emission von massiven Schwarzen Löchern getrieben ist“, sagt Reimer. Cygnus X-3 ist den Astrophysikern durch seine helle Radioemission bereits in den 1960er-Jahren aufgefallen. Seit dieser Zeit wurde wiederholt spekuliert, dass die Radioemission auch von Hochenergieemission begleitet wird – was den Mikroquasar als eine der ersten Quellen der Gammaastronomie ausgezeichnet hätte. Die vermeintlichen Nachweise energiereicher Photonen mussten allerdings revidiert werden, als bessere Instrumente die vorherigen Resultate nicht bestätigt hatten.
Rätselhaftes Objekt identifiziert
Mit dem Large Area Telescope (LAT) von NASA‘s Fermi Gammastrahlen-Weltraumteleskop konnten die langjährigen Spekulationen um eine der rätselhaftesten Quellen in unserer Galaxie nun erneut untersucht und endlich eindeutig geklärt werden. Alle 4,8 Stunden umkreist der kompakte Stern den massiven Partnerstern und durchquert dabei dessen heiße Sternwinde mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerkes. Nicht nur diese Periodizität konnte jetzt in den Gammastrahlungsdaten gesehen werden – was die eindeutige Identifikation dieses Systems ermöglichte - auch regelmäßige Intensitätsänderungen, die gleichzeitig mit Röntgen- bzw. Radioemission auftreten, konnten beobachtet werden. Cygnus X-3 strahlt im Lichte der energetischen Gammastrahlung heller, wenn sich der kompakte Stern (und seine materiesammelnde Akkretionsscheibe aus Gas und Staub) hinter dem Partnerstern befinden. „Wir haben es hier vermutlich mit Wechselwirkungen zu tun, zwischen relativistischen Elektronen aus der Akkretionsscheibe des kompakten Objekts und niederenergetischen Photonen des Strahlungsfeldes des riesigen und hellen Partnersterns, eines sogenannten Wolf-Rayet Sterns“, sagt Reimer. Die ultravioletten Photonen des Sternenwindes treffen auf die sich bereits schnell bewegende Teilchen und gewinnen dadurch an Energie, die sie letztlich bis in den Bereich der Gammastrahlung bringt. Dieser Prozess funktioniert offensichtlich besser, wenn die energiereichen Elektronen sich uns entgegenbewegen und es zu einer frontalen Kollision mit einem Photon des Sternwindes kommt.
Daten eröffnen neue Perspektiven
Zwischen dem 11. Oktober und dem 20. Dezember 2008 und dem 8. Juni und 2. August 2009 war der Mikroquasar besonders aktiv. Hochenergetische Gammastrahlung konnte bereits nachgewiesen werden, die noch etwa 5 Tage vor den Ausbrüchen im Radiobereich stattfanden. Ein Zusammenhang zwischen Hoch- und Niederenergiemission wird damit sehr wahrscheinlich. „Mit der Identifizierung des ersten Mikroquasars im Lichte von hochenergetischer Gammastrahlung und der Beschreibung der Hochenergieeigenschaften erhalten wir Daten, die uns Aufschluss über die Teilchenbeschleunigung in diesen Objekten geben werden“, freut sich Astrophysiker Olaf Reimer über die neuen Erkenntnisse. „Durch die reguläre Modulation kann nunmehr auch zwischen sich wiederholenden Emissionsphasen und sporadischen Aktivitätsänderungen im Gammalicht unterschieden werden.“
Am Bau der Detektoren auf Fermi und am Betrieb des Observatoriums sind neben der NASA und dem US-Energieministerium Forschungseinrichtungen in den Vereinigten Staaten, in Frankreich, Italien, Schweden, Deutschland und Japan beteiligt.