Astronomische Überraschung

Jets sind gewaltige, gerichtete Materieauswürfe aus Schwarzen Löchern entfernter Galaxien. Ein internationales Team von Wissenschaftlern – unter ihnen Dr. Anita Reimer und Prof. Olaf Reimer von der Uni Innsbruck – berichtet in der Fachzeitschrift Nature, dass der dominante Teil der Jetstrahlung, nämlich Gammastrahlen, viel weiter entfernt vom Schwarzen Loch entsteht als bisher erwartet.
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Die Simulation zeigt ein Schwarzes Loch, das umgebende Materie anzieht (gelb) und Energie in Form von Jetmaterie auswirft (blau und rot). Diese wird durch Magnetfeldlinien (grün) zusammengehalten. (Bild: Jonathan McKinney, Stanford University)

„Es wird vermutet, dass solche Jets durch ein supermassives Schwarzes Loch mit der Masse von hundert Millionen bis einige Milliarden Sonnenmassen im Kernbereich einer aktiven Galaxie angetrieben werden“, veranschaulicht Dr. Anita Reimer vom Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck. „Die Jets machen sich durch gerichtete Strahlung aus Gebieten von etwa der Größe unseres Sonnensystems bemerkbar. Die Strahlung reicht von langen Radiowellen bis zu hochfrequenter Gammastrahlung, und die Emissionsgebiete bewegen sich im Jet fast so schnell wie das Licht.“ Es wird vermutet, dass diese Jets durch starke Magnetfelder zusammengehalten werden; die Jetstrahlung wird durch hochenergetische Teilchen produziert, die sich entlang der Magnetfeldlinien winden. „Details waren bisher relativ unbekannt“, sagt Anita Reimer. „Die neuen Messergebnisse haben uns überrascht. Sie erlauben ein tieferes Verständnis der Anatomie dieser interessanten Quellen."

Dem Ursprung der Gammastrahlung auf der Spur

Helle Galaxienkerne, sogenannte Blasare, dominieren den extragalaktischen Gammastrahlenhimmel und stellen möglicherweise die größten Teilchenbeschleuniger des Universums dar. Über ein Jahr lang stand ein bestimmter Blasar, 3C279, im Sternbild der Jungfrau im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Wissenschaftler. Sie untersuchten ihn über fast das gesamte elektromagnetische Spektrum. Im Februar des Vorjahres beobachteten die Forscher dann ein dramatisches Aufleuchten des Jets mit spektakulären Änderungen im optischen Licht und im Gammalicht. „Optisches Licht ist normalerweise unpolarisiert, d.h. es besteht aus einer Mischung verschiedenster Polarisationsrichtungen. Energetische Teilchen in gerichteten Magnetfeldern können jedoch polarisierte Strahlung erzeugen“, erklärt Anita Reimer. Während des zwanzigtägigen Gammastrahlenausbruchs änderte sich die Polarisation des optischen Lichts deutlich und kontinuierlich. Dieses zeitliche Zusammentreffen und die ersten monatelang weitgehend kontinuierlich durchgeführten Messungen dieser Quelle, untermauern die Vermutung, dass das optische Licht und die Gammastrahlung einen gemeinsamen Ursprung haben. Zusammen mit der Dauer des Ausbruchs deutet dies auf einen relativ großen Abstand des Ursprungsgebiets vom Schwarzen Loch hin. „Wir hatten erwartet, dass die Gammastrahlen etwa ein bis zwei Lichttage vom Schwarzen Loch entfernt produziert werden. Nun weisen die Daten aber eher auf ein Lichtjahr Entfernung hin. Dies ist durchaus unerwartet und überraschend“, sagt Reimer.

Jet folgt gekrümmter Bahn

Die gleichmäßige Änderung der Polarisation des optischen Lichts verrät auch Überraschendes über die Struktur des Jets: Die Jetmaterie folgt vom Schwarzen Loch aus einer gekrümmten Bahn. Dieses neue Verständnis der Physik von Blasar-Jets erfordert überarbeitete Modelle für die Struktur von Jets. „Hier kommen nun die Theoretiker ins Spiel“, sagt Prof. Olaf Reimer vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck. „Diese Studie setzt vollkommen neue Anforderungen an magnetische Jet-Modelle: Wie muss ein Jet aussehen, der große Mengen an Energie weit entfernt vom Schwarzen Loch deponiert? Und wo kommt die Jet-Krümmung ins Spiel?“, umreißt die Theoretikerin Anita Reimer die aktuellen Fragen und weist darauf hin, dass die Berücksichtigung starker und komplexer Magnetfeldtopologien in Simulationen relativistischer Jets extrem schwierig ist.

 

Diese und zukünftig geplante Messungen über weite Frequenzbereiche, insbesondere des energetisch dominanten Gammastrahlenbereichs, werden es Forschern erlauben, Jet-Modelle zu testen und ein detailliertes Verständnis dieser Objekte zu erlangen. Die Innsbrucker Wissenschaftler greifen hierfür nicht nur auf das 2008 gestartete Fermi Gammasatellitenobservatorium zurück, sondern nutzen auch die in Namibia befindlichen H.E.S.S. Teleskope zum Nachweis energiereicher Gammastrahlung. Am Bau der Detektoren auf Fermi und am Betrieb des Observatoriums sind neben der NASA und dem US-Energieministerium Forschungseinrichtungen in den Vereinigten Staaten, in Frankreich, Italien, Schweden, Deutschland und Japan beteiligt. Die optischen Polarisationsdaten wurden vom KANATA Teleskop in Higashihiroshima, Japan, unter Leitung der KANATA Kollaboration aufgenommen.

(cf)