Vertrauen ist gut, Haftung ist besser

Umwege von Taxifahrern, nicht notwendige medizinische Eingriffe, oder Mechaniker, die mehr als nur das defekte Teil austauschen: Solche Übervorteilungen von Kunden können mit Haftungsregeln reduziert werden. Dort wo diese nicht greifen, ist die Wahl von 'intrinsisch richtig motivierten' Experten essentiell. Das haben Innsbrucker Ökonomen in einem groß angelegten Experiment gezeigt.
werkzeug.jpg
Kann den Automechanikern vertraut werden? (Foto: © Michael Hirschka / PIXELIO)

Er habe viel mit Mechanikern zu tun, erzählt der Ökonom Rudolf Kerschbamer, Professor am Institut für Wirtschaftstheorie, Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsgeschichte der Universität Innsbruck. Denn Kerschbamer fährt gerne alte Autos, und diese bedürfen des Öfteren einer Reparatur. Woher nun wissen, ob ein Mechaniker genau die notwendige Reparatur durchführt, oder zu wenig oder gar zu viel an einem Auto repariert? Und woher wissen, ob nicht vielleicht wenig repariert, aber viel verrechnet wird? Ökonomen sprechen bei Reparaturen von Vertrauensgütern. Das sind Güter und Dienstleistungen, bei denen Fachleute besser über die Bedürfnisse Ihrer Kunden Bescheid wissen, als die Kunden selbst. Neben Autoreparaturen können dies so unterschiedliche Dinge sein wie medizinische Behandlungen, Taxifahrten oder Programmierarbeiten.

Dabei können Experten ihre Kunden auf zwei Arten übervorteilen: Zum einen können sie Leistungen in Rechnung stellen, die gar nicht erbracht wurden, Ökonomen sprechen dann von Überbezahlung. Zum anderen können die tatsächlich erbrachten Leistungen nicht den wahren Bedürfnissen der Kunden entsprechen: Eine Unterversorgung liegt vor, wenn statt der notwendigen aufwändigen und teuren, eine einfache und billigere Leistung erbracht wird. Wo statt der notwendigen günstigen, eine kostspielige Leistung verkauft wird, spricht man hingegen von Überversorgung. „Tauscht der Mechaniker wegen einer defekten Sicherung gleich die gesamte Lichtmaschine aus, dann ist das eine Überversorgung, da der zusätzliche Nutzen für den Kunden die höheren Kosten nicht aufwiegt“, erklärt Kerschbamer. „Als Kunde kann ich oft nicht beurteilen, ob diese teure Reparatur notwendig war.“

In vielen Bereichen gibt es institutionelle Regeln, um den Kunden vor Übervorteilungen zu schützen: Selbstauferlegte Standards von Berufsverbänden, Festpreise für Taxifahrten, oder der hippokratische Eid in der Medizin, der Patienten vor Unter- und Überversorgung schützen soll. Gemeinsam mit dem Innsbrucker Experimentalökonomen Matthias Sutter haben Rudolf Kerschbamer und der derzeit in Australien forschende Uwe Dulleck in einem Laborexperiment überprüft, welche ökonomischen Rahmenbedingungen Kunden besonders gut vor Übervorteilungen schützen.

Haftungsregeln stärken das Vertrauen

„Wir haben knapp 1.000 Studierende ins Labor eingeladen und mit ihnen die Entscheidungen beim Erwerb von Vertrauensgütern unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen durchgespielt“, erklärt Kerschbamer den Ablauf des Experiments. Dabei übernehmen zwei Testpersonen jeweils die Rolle des Kunden und des Experten. Am Computer treffen sie Entscheidungen, deren monetäre Konsequenzen qualitativ denen auf Märkten für Vertrauensgüter nachgebildet sind. Gespielt wird, wie bei ökonomischen Experimenten üblich, um wirkliches Geld.

Im Labor zeigte sich, dass Haftungsregeln nicht nur das Handelsvolumen, sondern auch die Effizienz des Marktes erhöhen. Dabei beseitigen solche Regeln nur das Problem der Unterversorgung, die Probleme der Überversorgung und der Überbezahlung bleiben davon dagegen unberührt. Einen Hinweis darauf, dass Überversorgung auf realen Märkten für Vertrauensgüter zu erheblichen Effizienzverlusten führt, liefert eine noch unveröffentlichte Nachfolgestudie. Sie zeigt, dass die Überbehandlungsrate sprunghaft nach oben schnellt, wenn das Experiment statt mit Studierenden mit Mechanikern durchgeführt wird. Und zwar selbst dann, wenn Überversorgung für den Mechaniker finanziell von Nachteil ist! „Da scheinen verinnerlichte Handlungsmuster das Verhalten stärker zu prägen als monetäre Anreize“, meint Kerschbamer. „Haftungsregeln lösen die Probleme auf Märkten mit Vertrauensgütern aber auch bei Mechanikern besser als alle anderen institutionellen Rahmenbedingungen, die untersucht wurden.“

Wenn der Kunde durch eine Haftungsvereinbarung vor einer Unterbehandlung geschützt ist, belebt dies den Markt und reduziert die Anreize für Täuschungen durch den Experten. „Es ist allerdings nicht immer einfach, diese Erkenntnis in die Praxis umzusetzen“, gibt Kerschbamer zu. „So kann ein Auto bei der Abholung in der Werkstätte funktionieren und fünf Tage später am selben Problem leiden, wie vor der Reparatur. In solchen Fällen muss eine Haftungsregelung einen längeren Zeitraum abdecken, um die gewünschten Effekte zu erzielen. Allerdings kann in diesem längeren Zeitraum das Auto auch aus Gründen, für die der Mechaniker nichts kann, kaputt gehen.“ Noch schwieriger ist die Situation bei medizinischen Behandlungen, wo es oft keine Therapie gibt, die eine Erkrankung mit Sicherheit beseitigt. „Haftungen funktionieren generell nur dort gut, wo das Ergebnis beobachtbar und für Dritte verifizierbar ist und wo es Behandlungen gibt, die mit Sicherheit zum gewünschten Ergebnis führen.“

Nachprüfbarkeit zeigt keinen Effekt

Eine theoretische Vorhersage konnten die Ökonomen in den Experimenten mit den Studierenden nicht bestätigen. „Eigentlich sollten Märkte für Vertrauensgüter auch ohne Haftungsregeln sehr gut funktionieren, wenn die Kunden feststellen können, welche Leistungen sie tatsächlich vom Experten erhalten haben, wenn Überbezahlung also ausgeschlossen ist“, erzählt Kerschbamer. Im Experiment hatte diese Form der Nachprüfbarkeit aber keinen Einfluss auf die Effizienz von Märkten. Die Wirtschaftswissenschaftler erklären dies so: „Die theoretische Vorhersage beruht auf der Annahme, dass die Beobachtbarkeit der Leistung dazu führt, dass die Preise sich so anpassen, dass die Experten keinen monetären Anreiz für eine Über- oder Unterversorgung haben und dann im Interesse des Kunden handeln“, sagt Kerschbamer. Im Experiment zeigt sich aber, dass solche Preise von sehr begrenztem Nutzen sind: Viele Experten nutzen unter diesen idealen Bedingungen den Informationsvorsprung, um ihre Kunden zu schädigen. Was kann man aus diesen Erkenntnissen für die Praxis lernen? „Vielleicht, dass es wichtiger ist, eine Expertin oder einen Experten mit den richtigen Präferenzen zu finden, als Institutionen so zu formen, dass sie für genau einen Idealtypus von Individuum gut funktionieren, nämlich für den von den Ökonomen erfundenen – in der Praxis aber kaum vorkommenden – ultrarationalen und nur am eigenen monetären Vorteil interessierten Homo Oeconomicus“, meint Kerschbamer. In seinen Worten: „Wir benötigen entweder Institutionen, die robust sind bezüglich der Heterogenität der Präferenzen von Experten, oder intrinsisch motivierte Experten, die unabhängig von den von den Institutionen ausgehenden materiellen Anreizen das Richtige tun."

Finanziell unterstützt wurden die Forscher bei diesen Experimenten vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max Planck Gesellschaft. Die Ergebnisse werden in Kürze in der renommierten Fachzeitschrift American Economic Review veröffentlicht.

(cf)