Molekularer Schalter entdeckt

Innsbrucker Wissenschaftler haben einen molekularen Schalter für einen der grundlegendsten Mechanismen des Lebens gefunden. Die Forscher um Ronald Micura und Norbert Polacek vom Institut für Organische Chemie der Universität Innsbruck und dem Biozentrum der Medizinischen Universität berichten darüber in der Fachzeitschrift Nature Chemical Biology.
: Ribosomen sind die Proteinfabriken der Zelle (Grafik: David S. Goodsell)
: Ribosomen sind die Proteinfabriken der Zelle (Grafik: David S. Goodsell)

Die Herstellung von Eiweißstoffen verläuft in allen Zellen – egal ob bei Hefe, Tier, Pflanze oder Mensch – auf dieselbe Weise: Der genetische Code, die Bauanleitung für Proteine, wird von der DNA abgelesen, eine Boten-RNA bringt ihn zum Ribosom, der Proteinfabrik der Zelle, und dort wird er in eine Abfolge aus Aminosäuren übersetzt. Diese werden miteinander zu einer Peptidkette verknüpft – es entsteht ein Protein. Die Innsbrucker Wissenschaftler um Norbert Polacek vom Biozentrum der Medizinischen Universität und Ronald Micura vom Institut für Organische Chemie haben in den letzten Jahren entscheidend dazu beigetragen, den molekularen Mechanismus der Proteinherstellung aufzuklären. In ihrer neuesten Arbeit untersuchen sie das „Förderband“ der Ribosom-Maschinerie: den Transport der Transfer-RNAs (tRNAs). Die Arbeit fand im Rahmen des GEN-AU-Projekts zu nichtkodierenden RNAs statt, das von CEMIT gemanagt wird, und wurde auch vom FWF gefördert.

 

In Innsbruck entwickeltes Verfahren

 

Transfer-RNAs sind die Träger der Aminosäuren, die im Ribosom zum Peptid verknüpft werden. Wenn sie ihre „Fracht“ abgeliefert haben, machen sie rasch Platz für die nächsten, mit neuen Aminosäuren beladenen tRNAs. Damit das Weiterrutschen der tRNAS reibungslos funktioniert, muss eine chemische Reaktion am Ribosom stattfinden: die Hydrolyse des Energieträgers GTP an dem Enzym EF-G. Es lag nahe, dass das Ribosom selbst über einen „Schalter“ verfügt, der diese Reaktion auslöst. Doch wo dieser Schalter sitzt, war bislang unklar. Um dies herauszufinden, wandten die Wissenschaftler das von Polacek und Micura entwickelte Verfahren der atomaren Mutagenese an. Der Molekularbiologe Polacek schneidet kleine Stücke der ribosomalen RNA gezielt heraus, und der organische Chemiker Micura stellt die passenden Ersatzteile her: künstliche Stücke ribosomaler RNA, die nur in einzelnen Atomen vom natürlichen Vorbild abweichen. Anschließend testen die Wissenschaftler, wie sich der Austausch einzelner Atome oder Atomgruppen auswirkt – in diesem Fall auf die Fähigkeit des Ribosoms, die Hydrolyse von GTP an EF-G auszulösen.

 

Wichtiger Mechanismus aufgeklärt

 

Mit diesem Verfahren wurde das Team um die Doktorandin Nina Clementi fündig: Der „Schalter“, mit dem das Ribosom die Hydrolyse auslöst, ist eine Aminogruppe der Nukleotidbase Adenin 2660. Die Autoren vermuten, dass eine bestimmte Art der chemischen Wechselwirkung zwischen der Nukleotidbase und dem Enzym EF-G, das „Stapeln“ elektronenreicher Ringsysteme, für die entscheidende Konformationsänderung verantwortlich ist. Sie lässt den „Schalter“ umkippen und löst die Hydrolyse und in Folge den Weitertransport der tRNAs aus. Wie entscheidend diese Nukleotidbase ist, zeigt auch die Tatsache, dass Gifte wie das hochtoxische Rizin in unmittelbarer Nähe binden. Sie wirken, indem sie die Proteinherstellung blockieren.

(ip)