Kranebitten quo vadis?

Ende Juni wurde am Institut für Soziologie ein einjähriges Forschungs- und Lehrprojekt beendet, das am Beispiel des Innsbrucker Stadtteils Kranebittenzukünftige Herausforderungen von Stadtrandgebieten aufzeigen will. In einem abschließendem Fachworkshop wurden die Ergebnisse präsentiert und diskutiert.
Der Stadtteil Kranebitten war Zentrum einer Studie am Institut für Soziologie.
Der Stadtteil Kranebitten war Zentrum einer Studie am Institut für Soziologie.

 

Am Institut für Soziologie wurden in einer Multitmethoden-Studie nach einer ausführlichen qualitativen Forschungsphase (Sozialraumanalyse, 14 ExpertInneninterviews, 6 biographische Interviews) eine Fragebogenerhebung unter den BewohnerInnen Kranebittens durchgeführt (N=155). „Die Ergebnisse aus Kranebitten sind stellvertretend für viele Stadtrandsiedlungen im sogenannten "Speckgürtel" einer Stadt," so Studienautorin Elisabeth Donat vom Innsbrucker Institut für Soziologie, „aber auch für viele ländliche Gemeinden, die sowohl mit demographischen Veränderungen als auch einer zunehmenden Versorgung von Randgebieten konfrontiert sind.“

Infrastrukturschwächen und Auto-Lastigkeit

Kranebitten, ein Wohnort "in der Stadt und doch am Land", ist von ehemals vier Bauernhöfen mittlerweile zu einem stattlichen Innsbrucker Vorort mit 1.800 EinwohnerInnen angewachsen. Die Infrastruktur vor Ort (Einkaufen, soziale und medizinische Einrichtungen für Kinder, Jugendliche und SeniorInnen etc.) hat dieses schnelle Wachstum jedoch nicht mitgemacht. So führen viele Wege aus dem Stadtteil hinaus. „Die starke Auto-Lastigkeit des Stadtteils steht im Widerspruch zum sehr geschätzten Grün- und Naturraum, der einst ausschlaggebend für den Umzug ins Grüne war“, erklärt Elisabeth Donat. Kranebitten – vor allem in den letzten 20 Jahren begehrter Wohnort von (Jung)familien – blickt einem relativ gleichzeitigen Älterwerden seiner BewohnerInnen entgegen. Fast alle befragten älteren EinwohnerInnen wollen ihren Lebensabend in Kranebitten verbringen – trotz geringer Infrastruktur und des steilen Geländes, das Fußwege erschwert.

Aktiv im Alter

Noch ist die EinwohnerInnenzahl Kranebittens überschaubar: so sind zwei Drittel der BewohnerInnen stark mit ihrem Wohnort verbunden, und haben Interesse daran, ihren Stadtteil mitzugestalten (77% der Befragten). Besonders die am stärksten wachsende Gruppe der älteren Befragte ist bereits aktiv oder kann sich vorstellen, sich für den Stadtteil zu engagieren. „Die ehrenamtliche Tätigkeit sorgt für Integration in einem Stadtteil, in dem soziale Einrichtungen nicht vorhanden sind“, beschreibt Donat. Welche Strukturen geschaffen werden müssen, um auch junge Menschen und berufstätige Familien für eine Mitgestaltung ihres Stadtteils zu interessieren, war Gegenstand einer abschließenden Diskussionsrunde des Workshops "Suburbanisierung - lessons learned" beim Workshop. Hier wurde vor allem diskutiert, wie junge Menschen mehr in partizipative Prozesse wie Bürgerinitiativen oder Stadtteilforen eingebunden werden können.

Der Preis des Wachstums?!

Wie Kranebitten in Zukunft diese Anforderungen bewältigen kann und trotzdem seine Lebensqualität behält, hänge auch mit der Entwicklung der EinwohnerInnenzahlen zusammen, weiß die Soziologien. „Immerhin sind 60% der Befragten sind der Meinung, dass Kranebitten gleich groß bleiben soll. Ein Wachstum der Infrastruktur ist allerdings nur bei steigender EinwohnerInnenzahl realistisch“, so Elisabeth Donat. Die zunehmende Zerstörung von Naturraum durch die Bebauung sei vor allem älteren BewohnerInnen bewusst und zeige sich besonders in der Analyse der durchgeführten biographischen Interviews. „Der Ruf nach institutionellen Lösungen für die Bebauung ist dabei nur eine Seite der Medaille. Auf dem eignen Grund und Boden ist alles möglich: vom Fällen der Bäume und einer Reduzierung des Grünraumes bis hin zu einem lukrativen Verkauf für eine der neuen Großwohnanlagen“, beschreibt Donat. „Wie viele neue BewohnerInnen nach Kranebitten kommen sollen oder dürfen kann daher Belastung oder Chance zugleich sein. Schließlich ist mit jedem neuem Kranebitter/in ein Stück Naturraum verloren gegangen - heute wie damals“, so die Soziologin.

(ip)