Rettung einer aussterbenden Art
Waren Flusskrebse früher in Österreich weit verbreitet, findet man sie heute nur noch auf Speisekarten von Gourmet-Restaurants. „Flusskrebse haben in Österreich eine lange Geschichte und hatten früher durchaus auch wirtschaftliche Bedeutung“, erklärt Prof. Leopold Füreder seine Begeisterung für die Flusskrebse. Bereits im 1504 erschienenen Jagd- und Fischereibuch von Maximilian I war der Krebsbestand in Österreich aufgelistet sowie mögliche Fangmethoden beschrieben. „Wir verfügen über Quellen, die bis in das Mittelalter zurückreichen, die die Bedeutung des Krebsfanges in Österreich belegen“, so der Ökologe. Weiteres Indiz dafür, dass Flusskrebse häufig auf dem Speiseplan standen, ist eine kaiserliche Verordnung, die besagt, dass dem Gesinde nicht an mehr als an drei Tagen Krebs vorgesetzt werden dürfe. Im Lauf der Geschichte finden sich auch weitere Hinweise darauf, dass Flusskrebse bewirtschaftet wurden. „Die Tatsache, dass der Edelkrebs vermehrt in Gewässern die zu einem adeligen Besitz – einem Schloss oder einer Burg sowie bei Klöstern vorkommt, weist eindeutig darauf hin“, weiß Füreder.
Gefährdete Art
Diese rege Bewirtschaftung des Flusskrebsbestandes in Westösterreich ist bis 1911 dokumentiert. Zu dieser Zeit führte die k. und k. Hofberichtsstelle für die Region Westösterreich namentlich alle vorkommenden Krebsarten und den erwarteten Ertrag pro Jahr auf. Später verschwanden die heimischen Flusskrebse aber zusehends aus den österreichischen Gewässern. „Der Rückgang der Bestände geht meiner Ansicht nach einher mit der Verbauung, Nutzung und der damit verbundenen Verschmutzung der Gewässer“, erklärt der Ökologe Füreder. Als zweiten Grund für die Dezimierung der Bestände nennt er die Krebspest. „Diese hat im letzten Jahrhundert in mehreren Epochen gewütet und hat die heimischen Flusskrebsbestände radikal ausgelöscht“, beschreibt Füreder. Auslöser für die Krebspest war der verstärkte Besatz mit amerikanischen Krebsen wie zum Beispiel dem Signalkrebs. „Diese Art zeigte eine Resistenz gegen die Krebspest, weshalb sie als ideale Besatzkrebse eingestuft wurden. Es zeigte sich aber, dass der verstärkte Besatz mit Signalkrebsen den heimischen Beständen noch mehr zusetzte, weil sich die Krebspest noch weiter ausbreitete“, schildert Leopold Füreder. Heute seien die größeren Gewässer Österreichs frei von Edelkrebsen und auch die heimischen Steinkrebse haben sich mehr und mehr zurückgezogen. „In Zuflüssen und Oberläufen sind noch vereinzelt Flusskrebspopulationen zu finden. Mit unseren Artenschutzprojekten wollen wir diese sichern und wieder stabilisieren“, beschreibt der Ökologe.
Das Verschwinden der Flusskrebse aus österreichischen Gewässern ist seiner Ansicht nach nicht nur ein Schaden für die Artenvielfalt in Österreich. „Flusskrebse nehmen aufgrund ihrer großen Biomasse – Edelkrebse werden bis zu 20 cm groß und leben in Populationen von mehreren 100 bis 1000 Tieren – eine Schlüsselrolle im Nahrungskreislauf ein. Sie können den Lebensraum verändern, verkleinern grobe partikulärische Substanzen und fressen Insektenlarven und auch Aas“, so Füreder.
Edelkrebse im Gurgltal
Im Tiroler Gurgltal gibt es noch wenige Gewässer, in denen Edelkrebse zu finden sind. Hier wurden bereits vor Jahren intensive Schutzmaßnahmen gesetzt, was zum Erhalt intakter Gewässer – und somit Lebensräume für die Flusskrebse – geführt hat. „Unser Ziel beim vom Land Tirol geförderten Artenschutzprojekt im Gurgltal ist es, ausgehend von zwei relativ intakten Edelkrebs- Populationen fünf Populationen im Gurgltal anzusiedeln“, beschreibt Füreder. Dazu entnehmen die Wissenschaftler im Herbst die bereits befruchteten Weibchen aus den Gewässern und beobachten in einer Zuchtanlage an der Uni Innsbruck unter kontrollierten Bedingungen die Entwicklung der Jungkrebse. Die befruchteten Weibchen für die Entnahme sind dabei gut zu erkennen: „Die Krebse tragen die befruchteten Eier an ihren Schwimmbeinchen unter dem Schwanz, wo sie sich circa sieben Monate lang entwickeln“, erklärt der Ökologe. Nachdem die Jungkrebse geschlüpft sind, werden sie in den Zuchtanlagen noch circa zwei Monate gefüttert, bevor sie wieder in die Natur entlassen werden, allerdings nicht, ohne die Lebensraumbedingungen vorher zu überprüfen: „Bevor die Krebse in ihren neuen Lebensraum gebracht werden, prüfen wir die Gewässer auf ihre Lebensraumvoraussetzungen, Temperatur, Kalkgehalt und so weiter“, so Leopold Füreder. Damit die neue Population nicht nur aus Jungkrebsen besteht, werden auch Weibchen und Männchen aus Wildfängen in die neuen Gewässer eingebracht. „Im neuen Lebensraum angekommen, begleiten wir die Population noch weiter, indem wir ihre Lebensbedingungen analysieren und Optimierungsmöglichkeiten aufzeigen“, beschreibt der Wissenschaftler.
Überlebenskünstler
Eine andere Art der heimischen Flusskrebse – der Steinkrebs – ist noch vereinzelt im Tiroler Außerfern zu finden. Auch diese Bestände wollen die Ökologen durch ein Artenschutzprojekt sichern. „Im Archbach und im Haldensee im Außerfern wurden noch zwei relativ intakte Steinkrebs-Populationen gefunden. Da ihr Lebensraum – vor allem im Archbach – durch zahlreiche Verbauungsmaßnahmen nicht optimal ist, wollen wir diese Population umsiedeln und wie im Gurgltal auch neue Populationen gründen“, beschreibt Leopold Füreder, der anmerkt, dass die Steinkrebse im Außerfern – vor allem im auf 1126 Metern Seehöhe gelegenen Haldensee– unter eher kargen Bedingungen überleben. „Diese Überlebenskünstler gilt es zu bewahren, damit in Österreich in Zukunft jedes Kind wieder Flusskrebse kennt.“
Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe von wissenswert – dem Magazin der Universität Innsbruck in der Tiroler Tageszeitung – erschienen. Die vollständige Ausgabe mit weiteren spannenden Beiträgen zu Forschung und Lehre ist online unter folgendem Link zu finden: http://www.uibk.ac.at/public-relations/medien/wissenswert/wissenswert10.pdf