Ein kleiner Schubs schafft Ordnung

Physiker der Uni Innsbruck konnten zum ersten Mal ein Quantenphänomen experimentell beobachten, bei dem durch eine beliebig schwache Störungaus einem ungeordneten Haufen von Atomen eine wohl geordnete Struktur entsteht. Wie die Forscher um Hanns-Christoph Nägerl in der Zeitschrift Nature berichten, haben sie diesen Quantenphasenübergang in eindimensionalen Quantendrähten realisiert.
Quantenphasenübergang in eindimensionalen Quantendrähten
Ultrakalte Atome (gelb) in optischen Gittern (weißer Untergrund) ermöglichen die Beobachtung von quantenmechanischen Phasenübergängen. Bei schwacher Wechselwirkung zwischen den Teilchen befinden sich die Teilchen über das Gitter verteilt in einem Superfluiden Zustand, und es ist ein tiefes Gitterpotential nötig, um sie auf einzelne Gitterplätze zu pressen (hinten). Stoßen sich die Teilchen jedoch stark ab, so sind sie schon ohne Gitter passend angeordnet. Ein beliebig schwaches Gitter reicht dann aus, um die Teilchen an ihrem Ort festzuheften (vorne).

Ausgehend von einem Bose-Einstein-Kondensat aus Cäsiumatomen bilden die Wissenschaftler am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck in einem optischen Gitter aus Laserlicht eindimensionale Strukturen. In diesen sogenannten Quantendrähten sind die einzelnen Atome nebeneinander aufgereiht und werden vom Laserlicht daran gehindert, aus der Reihe zu tanzen. Über ein externes Magnetfeld können die Physiker die Wechselwirkung zwischen den Atomen sehr präzise einstellen. Damit entsteht ein Labor für die Untersuchung sehr grundlegender physikalischer Fragen. „Denn Wechselwirkungseffekte äußern sich in niedrigdimensionalen Systemen wesentlich dramatischer als im dreidimensionalen Raum“, erklärt Hanns-Christoph Nägerl. Solche Strukturen sind deshalb für die Physik von besonderem Interesse. In Festkörpern lassen sich Quantendrähte nur sehr schwer untersuchen, während ultrakalte Quantengase gut gegen Einflüsse der Umgebung abgeschirmt werden können. Dies eröffnet den Weg zu ganz neuen, grundlegenden Erkenntnissen über die Physik der Materie.

Quantenphasenübergang

Den Innsbrucker Physikern ist nun die Beobachtung des sogenannten „Pinning-Übergangs“ von einem supraflüssigen Zustand („Luttinger-Flüssigkeit“) in einen Zustand, in dem die Atome an einem Ort lokalisiert sind („Mott-Isolator“), gelungen. In ihrem Experiment konnten sie zeigen, dass bei hinreichend starker Wechselwirkung der Atome das Anlegen eines zusätzlichen, beliebig schwachen optischen Gitters längs des Quantendrahtes ausreicht, um die zuvor ungeordneten Atome an ihrem Ort festzuheften („pinning“). Die Atome sind dabei nahe an den absoluten Nullpunkt abgekühlt und befinden sich quantenphysikalisch in ihrem Grundzustand. „Es ist keine thermische Änderung, die diesen Phasenübergang bewirkt“, betont Doktorand Elmar Haller, der Erstautor der Studie, die nun in der Fachzeitschrift Nature erschienen ist. „Vielmehr sind die Atome bereits durch die starke, abstoßende Wechselwirkung vorbereitet und brauchen nur noch einen kleinen Schubs, um sich in dem optischen Gitter regelmäßig anzuordnen“, erklärt Haller. Wird das optische Gitter wieder entfernt, springen die Atome erneut in den supraflüssigen Zustand.

Theoretisch vorhergesagt

Das von den Experimentalphysikern erstmals beobachtete Phänomen wurde vor einigen Jahren von drei Theoretikern vorhergesagt, von denen zwei – Wilhelm Zwerger und Hans Peter Büchler – in der Vergangenheit auch an der Universität Innsbruck tätig waren. Die international beachtete Quantenhochburg Innsbruck bietet den Experimentalphysikern aus der Forschungsgruppe um Wittgenstein-Preisträger Rudolf Grimm mit der engen Kooperation von Theoretikern und Experimentalphysikern und der großen Dichte an hochqualifizierten Wissenschaftlern beste Rahmenbedingungen für ihre Forschung zu den Grundlagen der Physik. Gefördert wurde diese Arbeit auch vom österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF), der European Science Foundation (ESF) und im Rahmen europäischer Forschungsprogramme.

(cf)