Innsbrucks unbekannte Einwohner

Dr. Doris Gesierich von der Arbeitsgruppe Hydrobotanik am Institut für Botanik der Universität Innsbruck untersuchtim Zuge eines vom Tiroler Wissenschaftsfonds (TWF) geförderten Forschungsprojektes die Kieselalgendiversität in 10 ausgewählten Brunnen im Stadtgebiet von Innsbruck.
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Stadtbrunnen als aquatische Biotope stehen im Mittelpunkt des Forschungsinteresses von Doris Gieserich vom Institut für Botanik.

Kieselalgen (Diatomeen) sind mikroskopisch kleine einzellige Mikroorganismen (Protisten), die meist nur wenige µm – in seltenen Fällen bis zu 2 Millimeter – groß werden. Sie leben in einer kunstvoll ausgebildeten Schachtel aus opaler Kieselsäure. Diese Schachtel (Frustel) besteht aus Deckel und Boden und ihr spezifisches Muster dient zur Bestimmung der Taxa auf Artniveau. „Annähernd 40.000 Arten sind aktuell bekannt, die tatsächliche Artenzahl dürfte aber um einiges höher liegen“, erklärt Dr. Doris Gesierich vom Institut für Botanik. Kieselalgen sind photoautotrophe Pflanzen und brauchen daher, bis auf wenige Ausnahmen, Wasser und Sonnenlicht zur Erzeugung von energiereichen Stoffen. „Man findet sie nahezu überall in Salz- und Süßwasser, in zeitweise feuchten Habitaten, feuchter Erde, ja selbst im Lungengewebe von Ertrunkenen. Verbreitet werden Kieselalgen entweder durch aktives Kriechen über feste Substrate oder passiv wie zum Beispiel durch Luftströme, Vögel, Fischerboote oder durch den Menschen“, weiß die Botanikerin.

Städtisches Feuchtbiotop

In ihrem aktuellen Forschungsprojekt konzentriert sich Doris Gesierich auf einen besonderen Lebensraum: Die Stadtbrunnen in Innsbruck. Diese sind nicht nur zur Trinkwasserversorgung für Mensch und Tier von Nutzen, sie sind auch häufig Orte der Erholung, Treffpunkte für Jung und Alt und tragen wesentlich zum „Flair“ einer Stadt bei. „In der Öffentlichkeit werden Stadtbrunnen häufig als Wasserskulpturen und nicht als aquatische Biotope angesehen. Wissenschaftlich gesehen sind sie jedoch spezifische Feuchtgebiete mit einem eigenständigen Charakter, meist perfekt geeignet für Algenbewuchs. Wird jedoch dieses Algenwachstum zu stark, werden die Bewüchse so schnell wie möglich entfernt, da sie hässliche Oberflächenverfärbungen und damit verbunden teils unangenehme Gerüche verursachen können“, beschreibt Doris Gesierich. Und auch wenn sich das Algenwachstum nicht negativ auf die Wasserqualität auswirkt, versucht man sie so schnell wie möglich zu bekämpfen. „Googelt man den Begriff `algae city fountains so erhält man an die 126.000 Ergebnisse, von denen die meisten Ratschläge zur Entfernung des unerwünschten Algenbewuchses geben“, berichtet die Nachwuchswissenschaftlerin. Für sie steht außer Frage, dass Stadtbrunnen gewissen hygienischen Standards unterliegen müssen, doch auch wenn sie keine Massenentwicklungen aufweisen, beherbergen sie eine Vielzahl an Organismen. Aus limnologischer Sicht seien jedoch gerade reine Gewässer, hauptsächlich in abgelegenen Gebieten (Quellen, Wasserfälle, Gebirgsbäche) sehr interessant und durch einen spezifische Algengemeinschaft charakterisiert. Sie beherbergen häufig eine große Anzahl an seltenen und geschützten Kieselalgenarten.

Das Vorkommen von Kieselalgen in Stadtbrunnen – die von den Habitatbedingungen bis zu einem gewissen Grad mit feuchten Felsstandorten vergleichbar sind – wurde bis dato nur sehr selten untersucht. „Schon in meinen vorangegangene Untersuchungen, die sich mit benthischen Algen in Quellen, Wasserfällen und feuchten Felsen befasst haben, haben gezeigt, dass vor allem diese feuchten Felsstandorte eine höchst diverse Artengemeinschaft mit zum Teil sehr seltenen Arten beherbergen“, erklärt Doris Gesierisch. Die Botanikerin vermutet auch, dass Stadtbrunnen bei der bei der Verbreitung von Algen eine Rolle spielen.

Kenntnisstand erweitern

Im Rahmen ihres Forschungsprojekts will Doris Gesierich den Kenntnisstand über die Verbreitung von Kieselalgen in Stadtbrunnen – einem bis dato weitgehend vernachlässigten aquatischen Biotop – erweitern. Zudem will sie auch mögliche Unterschiede in der Kieselalgenzusammensetzung und Wasserchemie auf feuchten Felsen in den Alpen und feuchten Steinsubstraten in Stadtbrunnen herausarbeiten sowie seltene oder vom Aussterben bedrohte Arten in Stadtbrunnen identifizieren. Nach Abschluss des Projekts über Stadtbrunnen in Innsbruck will sich die Nachwuchswissenschaftlerin auch weiterführenden Untersuchungen in einer Stadt mit über drei Millionen Einwohnern widmen.

 

Weitere Infos bzw. Einführung zu Kieselalgen siehe auch: Rott, E., R. Schweitzer, D. Gesierich & S. Kapelari, 2010.

(sr)