Die Realität der Massenmedien ist unsere Realität

Gestern fand an der LFU Innsbruck der prominent besetzte und gut besuchte Medientag zum Thema „Regionale Medienlandschaften“, organisiert vom Medienforum Innsbruck, statt. Die Beiträge der Forschenden und Studierenden der LFU gaben umfassend Aufschluss über die Realität der Massenmedien. Eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion bildete den Abschluss des Tages.
v.l. Vizerektor HR Dr. Martin Wieser und Mag. Frank Staud (TT).
v.l. Vizerektor HR Dr. Martin Wieser und Mag. Frank Staud (TT) der die Bedeutung der Unabhängigkeit eines Mediums erklärt: "Unabhängigkeit ist unser Credo".

Vizerektor Dr. Martin Wieser (LFU), Mag. Markus Sommersacher (ORF), Mag. Frank Staud (TT), Markus Hatzer vom StudienVerlag Innsbruck-Wien-Bozen und Dr. Raffael Mooswalder von der Südtiroler Bauernjugend diskutierten in der abschließenden Podiumsdiskussion die Entwicklung der Massenmedien aus erster Hand und standen dem interessierten Publikum Rede und Antwort. Sommersacher gab einige Entwicklungstrends wieder: „Ich empfinde die Medienlandschaft hier in Tirol als einengend. Jede Vergrößerung der Produktpalette von Medienprodukten ist mir willkommen, vor allem, wenn sie qualitätsvoll ist.“ Frank Staud wollte dieser ersten Einschätzung nicht zustimmen: „Eine Dürre im Tiroler Printmedienbereich kann ich nicht erkennen, höchstens im elektronischen Bereich. Wir haben mit der Kronenzeitung den größten Herausforderer, den wir haben können. Außerdem gibt es den Kurier, die Presse, den Standard und die Salzburger Nachrichten, die alle ihre Korrespondenten hier in Innsbruck haben“.

 

Eine zweite Entwicklung sei „der steigende finanzielle Druck im Medienbereich, der letztendlich zu einer Vermischung von Infobeiträgen und gekauften Beiträgen führt“, erklärt Sommersacher: „Diese Entwicklung empfinde ich als sehr negativ“. Frank Staud hingegen hält den Druck für wettbewerbsfördernd: „Auch ein Medium muss als Unternehmen gesehen werden, das sich selbst finanzieren muss. Unsere Zeitung finanziert sich zu 60 Prozent aus Werbeeinnahmen und der Rest aus Abonnenteneinnahmen. Die LeserInnen sind mündiger geworden. Wenn ihnen nicht gefällt was wir machen, bestellen sie das Abo schnell wieder ab.“

 

Wir lassen uns nicht kaufen

Beide Chefredakteure weisen jedoch den Vorwurf aus dem Publikum auf ein verstecktes Product Placement entschieden zurück. Staud betont, dass in den letzten Jahren der Druck von Interessengruppen und NGO’s immer stärker wird: „Sich Berichterstattung zu erkaufen funktioniert bei uns nicht. Wir haben eine klare Linie: Wenn Geschichten stimmen und ausrecherchiert sind, werden sie geschrieben.“ Hier wird auch keine Rücksicht auf große Werbekunden genommen. „Die TT lebt von ihrer extrem hohen Reichweite und ihrer starken Marktposition. Wir haben überhaupt kein Problem mit großen Werbekunden hart ins Gericht zu gehen“, ergänzt Staud. Den erhöhten Druck und die Interventionen in Bezug auf die Verwischung von Werbung und Redaktionellem bestätigt Sommersacher: „Bei uns gibt es eine rigorose Trennung zwischen dem Informationsbereich und der Marketingabteilung. Werbung kommt im Infobereich nicht in Frage.“

 

Den Druck aus Angebot und Nachfrage bestätigt auch Bibliotheksdirektor und Vizerektor Martin Wieser: „Der User bestimmt auch im Bereich der Bibliothek in zunehmendem Maße, was beschafft wird“. Jedoch stellt Wieser noch einen zusätzlichen Trend in der Informationsvermittlung fest: „Die Möglichkeiten einzelne Informationen zu beschaffen haben sich rasant entwickelt und sind astronomisch gewachsen. Qualitativ hochwertige Informationstools werden oft nicht angenommen bzw. oft nicht genutzt. Die Entwicklung der Medien- Informationskompetenz hat mit den Möglichkeiten in diesem Bereich nicht Schritt gehalten.“

 

Sport als „Quotendrücker“

Die überraschenden Ergebnisse einer erst kürzlich durchgeführten Untersuchung präsentierte Frank Staud: „Der Sport hatte die schlechtesten Quoten in der TT mit zwischen 1 bis 4 Prozent.“ Der Internationale Bereich erzielte nach Staud sensationelle Quoten.

 

Interdisziplinäre Medienforschung an der LFU

Der LFU-Medientag stand im Zeichen der interdisziplinären Medienforschung an der LFU. Dabei wurden zahlreiche aktuelle Medienprojekte der LFU präsentiert. Das Programm gab Einblick in regionale Medienlandschaften, alte und neue Medien: Digitale Bibliotheken, Filmprojekte und Radioarbeit, Kultur- und Literaturzeitschriften sowie Studierendenprojekte.

 

„Medien sind allgegenwärtig. Sie prägen unsere Sprache, unsere Gefühle, unsere Welt, unser Wissen“, betont Forschungsvizerektor Tilmann Märk die Bedeutung der Medienforschung: „Medien ändern auch unsere Lebensweise, unser Selbstbild und unser Weltbild. Die Realität der Massenmedien wurde zu unserer Realität“. Medien schaffen Wissen, können aber auch manipulieren. „Die Macht der Medien ist eine Reale“, betont Märk.

 

„Es gab schon sehr früh Pioniere an unserer Universität, die sich mit der Medienforschung beschäftigt haben: sie verknüpfen praxisbezogene Anwendungen, empirische Untersuchungen und theoretische Reflexionen um ein Gesamtbild zu erhalten“, beschreibt Märk den wissenschaftlichen Alltag der interdisziplinären LFU-Medienforschung: „Die interdisziplinäre Medienforschung an unserer Universität weist eine neue umfassende Medienkompetenz auf allen universitären Ebenen – Forschung, Lehre und Infrastruktur – auf.“ Auch Prof. Theo Hug, der Initiator des LFU-Medientags, verweist auf die Bedeutung der Medien: „Die Relevanz der Medien ist unübersehbar. Wir sprechen von Wissensgesellschaft, Kommunikationsgesellschaft und Erlebnisgesellschaft. Aus diesem Grund hat sich eine Gruppe von LFU-Forschenden zum interdisziplinären Medienforum Innsbruck zusammengeschlossen“, erklärte Hug: „Wir untersuchen aktuelle Medienfragen aus unterschiedlichen Perspektiven und anhand verschiedener Methoden“.

 

Internationale Tendenz der Medienkonzentration auch in Tirol

„Auch in Tirol, Südtirol und Vorarlberg lässt sich die internationale Tendenz der Medienkonzentration feststellen“, betonte MMag. Bernd Wachter vom Institut für Erziehungswissenschaften. Er verwies in diesem Zusammenhang vor allem auf die Moser Holding, die Athesia und das Vorarlberger Medienhaus. Außerdem stellte er eine Zunahme von selbständigen Redaktionen, jedoch mit einer straffen Eigentümerstruktur dahinter, fest. „Die Entwicklung geht in Richtung mehr Marketing anstatt mehr Journalismus. Die Public Relations-Bedeutung in Tirol steigt stark an. 80 Prozent der veröffentlichten Nachrichten und Berichte finden ihren Ursprung in der PR-Arbeit. So werden die Nachrichten also von den ‚Hintergrundmedienmachern“ aus der PR dominiert“, erklärt Wachter seine Forschungserkenntnisse.

 

„Das Buch als zentrales Medium ist tot“

Die Universitätsbibliothek (UB) Innsbruck bietet umfassende Services in Bezug auf Digitalisierung von Textobjekten an. Im Vortrag von Dr. Günter Mühlberger von der Abteilung für Digitalisierung und elektronischen Archivierung der LFU wurde deutlich, dass Digitalisierung die Zukunft der Bibliotheken ist. „Das gedruckte Buch als zentrales Medium ist tot“, formuliert Mühlberger: „Das elektronische Buch als solches jedoch wird lebendig“. Ein besonderes Projekt ist das seit 2004 europaweit einzigartige Service Digitalisierung-on-Demand (DoD). Das Projekt DoD (http://webapp.uibk.ac.at/alo/cat/) hat ab September 2006 den Aufbau eines europäischen Netzwerkes (http://www2.uibk.ac.at/ub/dea/eten/index.html) für die On-Demand-Digitalisierung von Bibliotheksbeständen unter Innsbrucker Leitung mit 13 europäischen Partnern zum Ziel. Vergriffene Bücher werden auf Bestellung digitalisiert, als e-Book verschickt und gleichzeitig online gestellt. Dieses Projekt wird nun mit Unterstützung der Europäischen Union auf ganz Europa ausgedehnt. „Mit dem DoD Projekt können BenutzerInnen aus der ganzen Welt rasch und einfach jedes beliebige Buch der teilnehmenden Bibliotheken als e-Book erwerben. Das ist ein gewaltiger Fortschritt für Forschung und Lehre“, erläutert Mühlberger.