Geschlechterforschung ist Querschnittsperspektive
Gender-Forschung ist heute ein unverzichtbarer Bestandteil jeder sozial-, geistes- oder kulturwissenschaftlichen Forschung. Die Ausgangsthese besagt, dass der Frage nach der Bedeutung von Geschlecht ein zentraler Stellenwert in Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft zukommt. Genderforschung kann freilich nie isoliert betrieben werden, sondern sie versteht sich seit ihren Anfängen vor mehr als 30 Jahren als fächerübergreifende Forschungsperspektive mit gesellschaftspolitischer, kultureller und wissenschaftskritischer Relevanz.
Ein wissenschaftlicher Blick auf die Gesellschaft
Um z. B. zu verstehen, wie die Strukturen des geschlechtersegregierten Arbeitsmarktes mit den Lohn- und Karriereunterschieden zwischen Frauen und Männern zusammenhängen (BWL + VWL), ist es notwendig, einen Blick auf die entsprechenden Bildungswege und die Berufsentscheidungen zu werfen (Erziehungswissenschaft, Psychologie). Um zu erkennen, warum die politische Repräsentanz von Frauen trotz formal gleichem Zugang nach wie vor ungleichgewichtig ist (Politikwissenschaft), ist Wissen über die historische Entwicklung politischer Verhältnisse erforderlich (Geschichte).
Interfakultärer Forschungsschwerpunkt an der LFU
Gender Studies wurden den letzten beiden Jahrzehnten weltweit an Universitäten etabliert und institutionalisiert. An der LFU wird in einigen Fachdisziplinen zum Teil bereits seit zwei Jahrzehnten die zentrale Bedeutung von Geschlecht erforscht. In Anerkennung dieser Forschungsleistung wurde im Entwicklungsplan der interfakultäre Forschungsschwerpunkt „Geschlechterforschung: Identitäten – Diskurse – Identitäten“ eingerichtet und prominent gereiht, der diese Forschungsperspektive nun innovativ weiterentwickelt.
Ein wesentliches Element im Rahmen dieses FSP ist die Vernetzung der Forscherinnen und Forscher, die an 7 der 15 Fakultäten sowie am Forschungsinstitut Brenner-Archiv unserer Universität und auch an der Medizinuniversität tätig sind. Letzte Woche wurde der 3. Workshop dieser ForscherInnengruppe durchgeführt. Thematisch stand bei dieser Veranstaltung die Bedeutung des Begriffs „gender“ in den beteiligten Fachbereichen im Mittelpunkt. „Gender“ bezeichnet – in Differenzierung zum Begriff „sex“ – alles, was in einer Kultur als typisch für ein bestimmtes Geschlecht angesehen wird; er verweist nicht unmittelbar auf die körperlichen Geschlechtsmerkmale.
Entlang der Leitfragen wie „Wie wird der Begriff ‚gender’ in den jeweiligen Fachbereichen verwendet?“, „In welche Wissenstraditionen wird der Begriff in der eigenen Disziplin eingeordnet?“ oder auch „Welche Aspekte der Genderforschung finden Eingang in den ‚mainstream’ der Disziplin und welche Aspekte bleiben exkludiert?“ wurde ein intensiver für alle Gewinn bringender fachlicher Austausch betrieben. Neben drei Hauptreferaten aus den Bereichen Geschichte (Dr. Maria Heidegger / Institut für Geschichte, Maga Kordula Schnegg / Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik), Theologie (Dr. Gertraud Ladner / Institut für Systematische Theologie) und Sozialwissenschaften (Prof. Dr. Erna Appelt / Institut für Politikwissenschaft) wurden die Zugangsweisen der anderen beteiligten Fachdisziplinen sowie der Medizinuniversität Innsbruck präsentiert und diskutiert. Die Ergebnisse des Workshops werden in Form einer Broschüre der Universitätsöffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Pläne für die nahe Zukunft
Darüber hinaus wurden bei dieser Veranstaltung auch konkrete mittel- und langfristige Pläne geschmiedet. Beispielsweise wird es im kommenden Wintersemester eine Interdisziplinäre Ringvorlesung mit dem Titel „Geschlechterpolitik unter Stress“ und einen Workshop zur Frage „Vermittlung von Genderforschung in der Lehre“ geben. Für das kommende Sommersemester sind eine internationale Tagung zum Thema „Kritik der Gefühle“ (22. - 24. März 2007, Institut für Politikwissenschaft) sowie ein Workshop über poststrukturalistische Gendertheorien in den Geschichtswissenschaften in Planung.