Wer bildet mehr?
„Fachhochschulen – Exzellenzpostulat – Bildungsauftrag: Wo stehen die österreichischen Universitäten?“ lautete der vollständige Titel der zweiten von der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Innsbruck organisierten Podiumsdiskussion zur österreichischen Bildungspolitik am 25. April. Hochkarätige Teilnehmer der Universitäten Innsbruck und Klagenfurt, des Management Center Innsbruck, der Arbeiterkammer und der Wirtschaftskammer Österreich garantierten einen inhaltlich fundierten und spannenden Diskussionsabend in der Aula der Universität Innsbruck.
Universitäten sollen allgemeine Bildung vermitteln
Mit einer Impulsskizze unter dem Titel „Universitas litterarum?“ führte Prof. Brigitte Mazohl vom Institut für Geschichte und Ethnologie die TeilnehmerInnen und ZuhörerInnen in das Diskussionsthema ein. Im Rahmen eines Überblickes über die Entwicklung und Rolle der österreichischen Universitäten in Vergangenheit und Gegenwart konstatierte Prof. Mazohl, dass die Vermittlung allgemeiner Bildung die wichtigste Aufgabe einer Universität sei und gab damit einen wichtigen Anstoß für die anschließende Diskussion.
Geisteswissenschafter sind besonders flexibel
Dr. Klaus Schedler von der Wirtschaftskammer Österreich eröffnete die Diskussion und ging gleich in seinem Anfangsstatement auf einzelne Studienrichtungen bzw. die darin vermittelten Qualifikationen ein. Anhand einer Studie erläuterte er, dass vor allem Geisteswissenschafter nach dem Studium besonders flexibel und offen auf den Arbeitsmarkt reagieren würden, da sie im Rahmen ihres Studiums nicht auf einen expliziten Beruf vorbereitet würden. In diesem Sinne verfügen Geisteswissenschafter laut Schedler über Schlüsselfunktionen für den Arbeitsmarkt.
Rahmenbedingungen als Sorgenkinder
Mag. Martha Eckl von der Arbeiterkammer Wien hingegen betonte in ihren ersten Ausführungen die Wichtigkeit eines qualitätsvollen und berufsorientierten Studiums. Unter den StudienanfängerInnen ist laut Eckl das Interesse am Fach sehr hoch, die Studierenden kritisieren allerdings zunehmend die organisatorischen Rahmenbedingungen sowie die Lehre an den Universitäten insbesondere an den Geisteswissenschaften. Außerdem sorgt der Bologna-Prozess für Verwirrung. „Vielen Studierenden ist nicht klar, ob sie mit einem Baccalaureat auf dem Arbeitsmarkt bestehen können“, meint Eckl.
Dr. Horst Peter Groß, Vorsitzender des Universitätsrates der Uni Klagenfurt, siedelt die Probleme der Universitäten anderorts an: „Meiner Meinung nach hat das UG 2002 einen markanten Punkt gesetzt, so dass die Geisteswissenschaften unter Druck geraten sind“, meinte er zu Beginn der Diskussion. Außerdem könnten so große Institutionen wie die Universitäten nicht mehr so leicht über ein Ministerium gesteuert werden.
Universitäten brauchen klare Ziele und Zielgruppen
Dass Ausbildung auf einen späteren beruflichen Einsatz ausgerichtet sein muss, hob Prof. Johannes Rainer, Vorsitzender des Universitätsrates der Universität Innsbruck, hervor. Dr. Andreas Altmann, Geschäftsführer des Management Centers in Innsbruck, empfiehlt den Universitäten, eine klare Zielgruppe für ihr Angebot zu definieren. „Sie müssen sich fragen, was sie wollen, was für Produkte sie anbieten wollen, was ihr Alleinstellungsmerkmal ist. Und sie müssen sich fragen, wer ihre Stakeholder sind!“
Dekan Christoph Ulf wies auf die Notwendigkeit eines systemhaften Zugangs hin, dass die am tertiären Bildungssektor Beteiligten – Wirtschaft, Fachhochschulen, Universitäten – ihre Standpunkte untereinander abklären, um mit einem gemeinsamen Konzept effektiv auf die Politik Einfluss nehmen zu können.
Umfassendes Bildungskonzept notwendig
Besonders heftig diskutiert wurde daraufhin die Frage, inwieweit die Universitäten den Forderungen der Wirtschaft nachkommen sollen und welche Rolle die Bildungspolitik in dieser Sache spielt. „Die Universitäts-Reform ist unter der Definitionsmacht der Ökonomie gefallen“, klagte Dr. Horst Peter Groß und spielte damit auch auf die Aussagen von Dr. Altmann an, der das Problem der Universitäten sehr wirtschaftlich angegangen war. Keiner sei bis jetzt auf die Politik zu sprechen gekommen. Mag. Eckl sah den wesentlichen Grund für ein Fehlen der Politik in der Diskussion darin, dass es in Österreich keine Hochschulrahmenpolitik geben würde. „Welche Ziele haben Universitäten, was wollen sie und was sind die Maßnahmen, um das zu erreichen? Das fehlt“, stellte sie fest. Die Beantwortung der Fragen bliebe den einzelnen Hochschulen überlassen. Ein umfassendes Konzept seitens der Politik ist daher für sie unverzichtbar.
Fachhochschule versus Universität?
Was die Rahmenbedingungen anbelangt, würden Fachhochschulen gegenüber Universitäten bevorzugt, lautete ein Einwand aus dem Publikum, den Dr. Altmann als Leiter des MCI nicht ganz entkräftete. Auch für Universitäten müssten bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden, meinte er, verteidigte jedoch auch seine Arbeit. Studiengänge am MCI orientieren sich laut Altmann sowohl an der Nachfrage unter den Studierenden, als auch am Arbeitsmarkt. Prof. Rainer hielt dem entgegen, dass die Dreiteilung zwischen Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen zu hinterfragen sei. „Alle drei Fälle sind Relikte aus der Zeit vor dem Bologna-Prozess“, erklärte er und forderte in seinem Abschluss-Statement dann auch eine möglichst konkrete und berufsbezogene Ausbildung an Universitäten und Fachhochschulen. Die Dichotomie zwischen Fachhochschulen und Universitäten werde durch den Bologna-Prozess ohnehin marginalisiert fand auch Dr. Altmann und fügte hinzu: „Jede Hochschule hat ihr eigenes Profil. Die Angst der Universitäten vor den Fachhochschulen führt zu nichts.“
Prof. Ulf stellte abschließend fest, dass die Notwendigkeit eines von der Politik zu verantwortenden Bildungskonzeptes als Rahmenkonzept von allen TeilnehmerInnen der Diskussion anerkannt wurde, dass die durch das UG 2002 geschaffenen Probleme für die Universitäten auch diskutiert werden müssten und dass manche in der Diskussion erhobene Forderung durch die Gestaltung eines Studium generale als Bachelorstudium erfüllt wären. Das könne angesichts der aktuellen Gesetzeslage aber nur „Zukunftsmusik“ sein.