2. Innsbrucker Bildungstage fordern neues Denken
Unter dem Titel „Schule im Umbruch“ trugen die Bildungstage zur wissenschaftlichen Fundierung der aktuellen bildungspolitischen Diskussion in Österreich bei.
Rektor Karlheinz Töchterle betonte den humanistischen Anspruch von Bildung und die Bedeutung einer universitären Lehrerbildung. Für Prof. Bernd Schilcher, den Leiter der Expertenkommission zur Schulreform, sind mangelnder Umgang mit Heterogenität und ein Festhalten an überholten Abgrenzungsmustern im derzeitigen österreichischen Bildungssystem Anachronismen.
In seinem brillanten Eröffnungsvortrag forderte er ein neues Denken in Bildungspolitik und Gesellschaft: miteinander und voneinander lernen, Bereicherung durch Inklusion und Integration, das Lob der Vielfalt von Begabung und Persönlichkeit und ein Ende der Fehlerkultur. Weg vom „Entweder oder“, hin zu einem „Sowohl als auch“. Dieses Umdenken sei nicht nur ein zivilgesellschaftlicher Anspruch an eine moderne und gerechte Bildungspolitik, sondern darüber hinaus auch Kosten und Kollateralschaden sparend, wie er mit Zitaten aus OECD Studien belegte. SchulabbrecherInnen, Sitzenbleiben und zu wenige Abschlüsse in der Sekundarstufe II haben brisante wirtschaftliche und soziale Spätfolgen. Mit weit geringerem Kostenaufwand durch individualisierte und personalisierte Bildungsprozesse könnte eine heterogene Schule für alle, die Leistung als Ziel persönlicher Entwicklungsprozesse versteht, schnelle, langfristige und nachhaltige Erfolge erzielen.
Dass eine Schule für alle mit Spitzenleistung keine Utopie sondern gelebte Wirklichkeit sein kann, dokumentierte Prof. Susanne Thurn als Leiterin der Laborschule an der Universität Bielefeld mit beeindruckenden Beispielen: Leistungsorientierung als Lernen für das Leben statt für Noten, gezielte Förderung der individuellen Entwicklung in Jahrgangsübergreifenden Gruppen, Stärken der Persönlichkeit durch aufrichten statt unterrichten.
Politiker sprachen über Bildung
Die von Prof. Heidi Möller moderierte Podiumsdiskussion mit den Bildungssprechern der politischen Parteien im Nationalrat - Erwin Niederwieser (SPÖ), Peter Eisenschenk (ÖVP), Dieter Brosz (Grüne) und Gerald Hauser (FPÖ) - zeigte die stark ideologisierten Positionen und die Notwendigkeit auf, die bildungspolitische Debatte stärker wissenschaftlich zu fundieren.
Zu Beginn konnte jeder Vertreter der Parteien aus dem Nationalrat die grundsätzliche Einstellung seiner Fraktion zum Thema Schule erklären. Dabei betonte Gerald Hauser, dass mehr auf die Bedürfnisse der Schüler einzugehen ist und die Lehrpläne zu überfrachtet sind. Dennoch möchte er nicht das gesamte Schulsystem ändern. „Wir wollen das behalten was am Schulsystem gut ist und was schlecht ist, wollen wir verbessern.“
Peter Eisenschenk sah das Konzept der Gesamtschule noch sehr kritisch an. „Es wurden viele Dinge bei der Gesamtschule versprochen, die sich erst noch beweisen müssen.“ Auch Erwin Niederwieser sah noch gewisse Probleme bei der Umsetzung der Gesamtschule. „Es gibt eine starke Lobby der AHS-Lehrer, die das jetzige System beibehalten wollen. Sie verdienen besser, als ihre Kollegen von der Hauptschule und haben die besseren Schüler, warum sollten sie das aufgeben?“ Diese Schwierigkeiten waren auch für Dieter Brosz beim Konzept der Gesamtschule noch zu überwinden. „Jede Gruppe will unter sich bleiben.“
Die Bildungswissenschaftliche Fakultät mit ihren Instituten für Erziehungswissenschaften, Kommunikation im Berufsleben und Psychotherapie, sowie LehrerInnenbildung und Schulforschung luden in 10 Workshops zur Auseinandersetzung mit bedeutsamen Themen wie Unterricht, Schulsozialarbeit, Inklusion, Burnout bei Lehrkräften über die gesellschaftlichen Auswirkungen von Schule bis zu neuen Schulmodellen in Tirol ein.
Damit boten die MitarbeiterInnen der Fakultät den über 100 TeilnehmerInnen aus dem In-und Ausland Innovationskompetenz und Praxisrelevanz im Spannungsfeld von Lernen, Kommunikation und Lebenslauf.