Soziologie trifft Praxis

Geburtenrückgang - Single-Haushalte - Migrantenintegration. Gesellschaftliche Trends machen nicht Halt vor der eigenen Stadt. Dies zeigte ein Vortrag von Martin Geiler vom Stadtmagistrat Innsbruck, der am Institut für Soziologie von Dr. Frank Welz in die Einführungsvorlesung “Soziologische Perspektiven” eingeladen worden war.
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Martin Geiler vom Stadtmagistrat Innsbruck informierte Soziologie-StudentInnen über die Stadt Innsbruck.
Innsbruck = Paris

Mittels zahlreicher statistischer Befunde beförderte Martin Geiler manches Erstaunliche zu Tage. Nur eine Außenansicht ist dabei, dass Innsbruck mit einer Fläche von 104 km² etwa so groß wie Paris ist - wobei die besiedelbare Fläche hierzulande  nur 8% beträgt.

Eine innere treibende Kraft stellt hingegen die demografische Entwicklung dar. Diese ist eine “tickende Zeitbombe” in der Expertensicht Martin Geilers, der im Rathausturm das Referat “Statistik und Berichtsdaten” leitet.

Auf der einen Seite verzeichnet auch Innsbruck ein Geburtendefizit und dies schon seit 25 Jahren. Auf der anderen Seite steht dem eine deutlich verlängerte Lebenserwartung gegenüber, die im übrigen auffallend geschlechtsspezifisch ist: So stehen in der Innsbruck Stadtstatistik 100 über 80-jährigen Männern stolze 270 über 80-jährige Frauen gegenüber. Damit ist klar, dass die Innsbrucker Alterspyramide oben wie unten eine Schieflage hat. “Oben”, im Alter, überwiegen die Frauen, “unten” fehlen die Kinder und es steht zu befürchten, dass bald nicht einmal Zuwanderung das langjährige Geburtendefizit auszugleichen vermag.

 

Gesellschaftliche Trends im Spiegel der Stadt

Es ist also wie überall: Auch die Innsbrucker halten sich an die “Gesetze” der Soziologie. Und eines derselben lautet heute: Individualisierung. Deren Innsbrucker Merkmale sind: Erstens, die Scheidungsraten schnellten empor; 45 von 100 Ehen enden in Innsbruck heutzutage im Scheidungsverfahren. Zweitens, der Anteil der Single-Haushalte hat sich gegenüber den 1960er Jahren auf heute über 40% mehr als verdoppelt. Drittens deutet auch eine rasant gestiegene Rate an unehelich geborenen Kindern auf individuellere, auf eigener Wahl beruhende Lebensentwürfe. In Innsbruck liegt auch diese Quote bei 40%. Im ländlichen Raum liegt sie niedriger - mit Ausnahme von ganz bestimmten Landgebieten: solchen mit starkem Fremdenverkehr.

 

Soziale Milieus in Innsbruck

Was die Familienstruktur betrifft, finden sich die größeren Haushalte, also Familien, im Westen der Stadt sowie im Stadtteil Amras. Während im Olympischen Dorf in größeren Wohnungen oft die Elterngeneration zurückbleibt, gründen deren jetzt erwachsene Kinder in den Neubaugebieten einen eigenen Hausstand. Bürger mit ausländischem Pass wohnen vermehrt in St. Nikolaus und Wilten. Konnte vor Jahren von dieser Seite das städtische Geburtendefizit mit überdurchschnittlichen Geburtsraten ausländischer Mitbürgerinnen noch ein wenig ausgeglichen werden, so wurden diese über die Jahre hinweg auch immer “inländischer”. Sie passen sich den gesellschaftlichen Trends gemäß den örtlichen Lebensverhältnissen an.

Hungerburg, Igls, Mühlau, Saggen, Hötting - dort findet man soziale Milieus, deren Angehörige häufig über einen Hochschulabschluss verfügen. Gerade im Kontrast zu Stadtgebieten wie dem Olympischen Dorf, Reichenau und Alt-Pradl geht dies statistisch einher mit politischen Überzeugungen, wie sie sich bei Wahlen farblich in den dunkleren Wacker-Innsbruck-Farben einerseits bzw. eher helleren Tönen andererseits ausdrücken.