EU- Grundrechte Agentur: Menschenrechtlicher Mainstream möglich?
Offenes Gespräch
Prof. Werner Schroeder, Leiter des Instituts für Europarecht und Völkerrecht der Uni Innsbruck definierte die Veranstaltung in seiner Begrüßung als „offenes Gespräch über die Aufgaben der Grundrechte Agentur“. Schroeder war auch der Moderator des Round Table und erwartete, dass die Diskussion sowohl über den derzeitigen Informationsstand der Zivilgesellschaft in puncto Agentur als auch deren Erwartungen der Agentur gegenüber Aufschluss gäbe.
Berater und Interlokutor
Am 1. März 2007 wurde in Wien die „Agentur der Europäischen Union für Grundrechte“ (EU- Grundrechte Agentur) eingerichtet. Sie soll den Gemeinschaftsorganen und Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von EG- Recht mit grundrechtlicher Expertise zur Seite stehen. Die Agentur fungiert dabei als Berater der EU-Organe und Mitgliedstaaten und Interlokutor für die Zivilgesellschaft: Sie sammelt Informationen und Daten über die Lage der Grundrechte in der EU, entwickelt neue Methoden und Standards für eine effektivere Datenerhebung und –nutzung und fördert wissenschaftliche Forschung. Die thematischen Bereiche, mit denen sich die Agentur befasst, reichen von Rassimus und Dikriminierung über den Schutz von Kindern und ihrer Rechte bis hin zur Immigration und Integration von Migranten. Im wesentlichen gilt es dabei auch, die Kooperation und nationale Vernetzung sämtlicher Institutionen und Akteure im Grundrechtsbereich durch einen fortwährenden Dialog und Informationsaustausch zu stärken.
Menschenrechtlichen Mainstream errichten
Der Dialog und Informationsaustausch standen dann auch im Zentrum der in Innsbruck abgehaltenen Podiumsdiskussion. In seinem Einleitungsvortrag informierte Prof. Hannes Tretter, Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts und Stv. Vorsitzender des Verwaltungsrats der EU- Grundrechte Agentur, zunächst kurz über Mandat, Aufgaben und Ziele der Agentur. Dabei riss Tretter auch gleich aktuelle Probleme und Herausforderungen der Agentur an, die im Rahmen des nachfolgenden Round Tables genauer erörtert wurden.
Innerhalb der EU herrschten, so Tretter, noch immer inkonforme und diskriminierende Richtlinien (Stichwort: Beschäftigungspolitik), die es abzuschaffen gelte. Hier müsse endgültig ein menschenrechtlicher Mainstream errichtet werden. Viele dieser nicht übereinstimmenden Gesetze rührten daher, dass sich schon einmal die Auffassungen der einzelnen europäischen Regierungen hinsichtlich solcher Begriffe wie Rassismus merklich unterschieden. Die Kernauffassung möge zwar gleich sein, in England beispielsweise, sähe man den Begriff jedoch viel differenzierter. Das läge daran, dass hier mehr Informationen und Daten über Rassimus vorlägen. Die wissenschaftliche Forschung erklärte Tretter deshalb zu einem wesentlichen Arbeitsschwerpunkt der Agentur.
Begrenzte Kompetenzen, skeptische EU
Eine Schwachstelle der Agentur und ein gleichzeitiges Armutszeugnis für die Kommision sieht Tretter ganz klar darin, dass die Agentur nicht befähigt sei, Gesetzesvorschläge der Kommission oder Stellungnahmen dazu zu kommentieren.
Weitere Hindernisse wurden der EU-Grundrechte Agentur hinsichtlich ihres Mehrjahresprogamms 2007- 2012 in den Weg gelegt: Das 5-Jahres Programm ist noch nicht verabschiedet worden, wodurch eine effiziente und zukunftsorientierte Arbeit erheblich schwieriger wird. Die gleichzeitig auftretenden Schwierigkeiten bei der Beststellung des zukünftigen Direktors oder der zukünftigen Direktorin der Agentur, verdeutlichen zudem die eher skeptische und nicht unbedingt förderliche Einstellung der EU- Organe.
Sinnvolle Menschenrechtsarbeit leisten
Im Rahmen des Round Tables diskutierten Prof. Hannes Tretter, Prof. Karl Weber von der Uni Innsbruck, Dr. Gerhard Hetfleisch vom Zentrum für MigrantInnen in Tirol und Dr. Helga Neuberger, Leiterin der Menschenrechtskommission Innsbruck , unter Moderation von Prof. Schroeder. Die noch zu geringe Bekanntheit der Agentur in der Gesellschaft und die teilweise Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Grundrechte Agentur und ihrem tatsächlichen Tätigkeitsfeld, waren zwei der Erkenntnisse, zu denen der Round Table nach mehrstündiger Diskussion gelangte. Die in der Einleitung von Tretter erwähnte fehlende Kompetenz der Kommentierung von Gesetzesvorschlägen wurde ebenfalls thematisiert und gab Anstoß zu einer zentralen Frage, die die weitere Diskussion dominierte: Wie kann die Agentur trotz eingeschränkten Kompetenzfeldes dennoch sinnvolle Menschenrechtsarbeit leisten?