Romani Studies an der Universität Innsbruck? Eine Vision – und Impressionen einer Reise
Roma, die größte Minderheit Europas mit mehr als acht Millionen Angehörigen, gerät vor allem dann in die Schlagzeilen, wenn es entweder zu Konflikten zwischen Roma und Nicht-Roma oder zu Übergriffen auf Roma-Gruppen kommt, wie es derzeit in Italien der Fall ist. Nicht so bei der Kulturveranstaltung im Bierstindl: Nach einer wissenschaftlichen Diskussion zum Thema „Romani Studies an der Universität Innsbruck? Eine Vision“, einer Lesung von Emil Cina (Roma-Autor aus Prag) und Musik der Fratelli-Band präsentierten die Studierenden ihre Erlebnisse der achttägigen Exkursion, die von Dr. Beate Eder-Jordan (Vergleichende Literaturwissenschaft / Institut für Sprachen und Literaturen) und von Prof. h.c. Mozes F. Heinschink (Romano Centro / Wien) geleitet wurde. Magdalena Trojer, die durchs Programm führte, ging auf Highlights, aber auch auf Unsicherheiten und offene Fragen aus Sicht der Studierenden ein.
Die Vision
Zu Beginn der Veranstaltung im Bierstindl behandelten die TeilnehmerInnen die Frage, ob Romani Studies (Kultur und Sprache der Roma) als eigenes Modul oder Fach an der Universität Innsbruck eingerichtet werden könnten. Mit großem Interesse wurde dabei der Vortrag von Eva Zdařilová B.A. von der Zeitschrift Romano Džaniben aufgenommen, die das fünfjährige Romistik-Studium an der Karls-Universität Prag vorstellte. Dieses wurde 1991 von Milena Hübschmannová gegründet.
Im Rahmen der wissenschaftlichen Diskussion erörterten Prof. Dr. Erika Thurner (Politikwissenschaft, Innsbruck), Dr. Beate Eder-Jordan (Vergleichende Literaturwissenschaft, Innsbruck), Prof. h.c. Mozes F. Heinschink (Romano Centro, Wien) und Eva Zdařilová B.A. (Prag) anschließend Möglichkeit und Nutzen eines Romistik-Moduls oder -Studiums in Innsbruck: An der Universität unterrichten zwar bereits mehrere Lehrende seit vielen Jahren Kultur, Literatur und Geschichte der Roma und auch der international renommierte Experte für Sprache und Kultur der Roma, Mozes F. Heinschink, hielt zahlreiche Sprachkurse ab – eine Bündelung des Know-How gab es allerdings bisher noch nicht. Durch eine Vernetzung mit anderen Universitäten (u.a. der Romistik an der Karls-Universität Prag und dem Institut für Sprachwissenschaft der Universität Graz) könnte ein Romistik-Modul bzw. -Studium Gestalt gewinnen. Geplant ist eine Ringvorlesung, bei der Lehrende mehrerer Fakultäten in die interdisziplinäre Lehre miteinbezogen werden sollten.
Die Reise
Im Anschluss an die Diskussion präsentierten die TeilnehmerInnen der Exkursion ihre Eindrücke von der Reise, bei der sie einen tiefen Einblick in Kultur, Kunst, Literatur, Verfolgungsgeschichte und gegenwärtige Situation der Roma und Sinti erhalten haben. Begriffe aus theoretischen Diskussionen wie Hybridität, Ethnizität, Identität, Gedächtnis etc. wurden um viele Facetten erweitert. Ein Höhepunkt der Reise war der Besuch bei der Autorin, Malerin und KZ-Überlebenden Ceija Stojka in Wien, die an ihrem 75. Geburtstag 22 Personen in ihrem Wohnzimmer empfing und über ihre Kindheit in Konzentrationslagern und ihre Arbeit als Künstlerin sprach. So herzlich die Gruppe überall empfangen wurde, so deutlich wurde auch die Geschichte des Völkermords, mit der Roma und Sinti leben müssen.
Die StudentInnen dokumentierten diese Impressionen in einem Kurzfilm (Regie Daniel Dlouhy, Mitarbeit: Julia Stubenböck und Sandra Gründhammer), anhand von Fotos, Texten, Tonaufnahmen (Ricarda Kössl) und Skizzen (Marlene Roner).
Die einzelnen Stationen der Reise im Überblick:
- Diskussionen mit VertreterInnen der Vereine Ketani in Linz (Gitta Martl und Nicole Sevik) und Romano Centro in Wien, mit WissenschafterInnen in Wien, Brünn und Prag, mit SchriftstellerInnen (u.a. Gejza Demeter, Emil Cina, Vlado Olah, Hilda Pášová und Gejza Horváth), KünstlerInnen (Alfred Ullrich u.a.) und MusikerInnen auf allen Stationen der Reise.
- Dr. Christiane Fennesz-Juhasz führte durch das Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Sammlung Heinschink, größtes Audioarchiv zu Sprache und Musik der Roma weltweit).
- Ein besonderer Programmpunkt in Wien: Fatma Heinschink, die auch bei der Präsentation in Innsbruck anwesend war, erzählte Märchen auf Romanes.
- In Brünn nahmen die Studierenden an der langen Nacht der Museen im Roma-Museum teil, in Prag besuchte die Gruppe das Roma-Musik-Festival Khamoro, zahlreiche Ausstellungseröffnungen und eine Roma-Schule.
- Aufgrund komparatistischer Neugier Besuch der Villa Tugendhat in Brünn, einem der berühmtesten Gebäude moderner Architektur, erbaut nach den Plänen von Mies van der Rohe 1929/30.
Kooperationspartner und Förderer: Universität Innsbruck, Forschungsschwerpunkt Kulturen in Kontakt (KiK), ÖH, Initiative Minderheiten, Land Tirol, Stadt Innsbruck.