Cella – Strukturen der Ausgrenzung und Disziplinierung

Als Teil des Programms „Geschichte trifft Zukunft 1809/ 2009“ des Landes Tirol wurde unter der Gesamtleitung von Prof. Christoph Bertsch vom Institut für Kunstgeschichte und Silvia Höller eine Ausstellung konzipiert, die heute im Complesso Monumentale die San Michele a Ripa Grande in Rom eröffnet wird.
Die Ausstellung zeigt Werke, die sich mit mit der Zelle oder Themen wie Ausgrenzung,  …
Die Ausstellung zeigt Werke, die sich mit mit der Zelle oder Themen wie Ausgrenzung, Isolierung oder Überwachung auseinandersetzen, u.a. vonPipilotti Rist

Der Complesso Monumentale di San Michele a Ripa Grande in Trastevere wurde in zentralen Teilen von Carlo Fontana in den Jahren 1686 – 1715 unter den Päpsten Innozenz XI, Innozenz XII und Clemens XI errichtet. Das Gebäude ist weltweit der erste Gefängnisbau, der mit einer Zellenstruktur arbeitet. Als Erziehungsanstalt für Jugendliche konzipiert, diente der Bau über die Jahrhunderte hinweg bis 1972 stets dem Aspekt der Ausgrenzung oder Überwachung. Heute befindet sich der Complesso Monumentale nicht mehr im Besitz des Vatikans. 1999 wurde er vom italienischen Kultusministerium renoviert und steht seitdem für diverse Kulturveranstaltungen zur Verfügung.

 

Ort als Teil der Ausstellung

„Mich hat immer geärgert, dass dieser historische Bau, der durchaus als Gründerbau bezeichnet werden kann, im Bereich der Architekturgeschichte über einen sehr geringen Bekanntheitsgrad verfügt. Der Complesso Monumentale steht zwar seit 1999 für Veranstaltungen zur Verfügung, wurde aber nur selten dazu genutzt“, beschreibt der Kurator der Ausstellung, Prof. Christoph Bertsch vom Institut für Kunstgeschichte, die Umstände, die bei ihm zur Idee für das Projekt „cella“ geführt haben. „Ich wollten das Gebäude als Ausstellungsort in eine Ausstellung integrieren. Cella ist die erste Ausstellung im Complesso Monumentale di San Michele, die sich mit dem Bau beschäftigt“, so Bertsch.  Gemeinsam mit Mag. Silvia Höller machte er sich vor zwei Jahren daran, Künstlerinnen und Künstler zu finden, die sich in ihren Arbeiten mit der Zelle oder Themen wie Ausgrenzung, Isolierung oder Überwachung beschäftigen. Schlussendlich konnten sie 38 internationale Künstlerinnen und Künstler für das Projekt gewinnen.  „Obwohl wir den Künstlern keine Finanzierung nach internationalen Standards bieten konnten, zeigten sich doch alle, die wir angesprochen haben, begeistert vom Konzept“, freut sich Bertsch. Auch Silvia Höller bestätigt, die positive Resonanz, auf die sie bei den Künstlern gestoßen sind. „Nur zwei Künstlerinnen sagten ab, aber nicht weil Ihnen das Konzept nicht gefiel sondern weil sie bereits an anderer Großprojekte arbeiteten“, erklärt die Mitkuratorin der Ausstellung.

 

Verschiedene Blickwinkel

Vom 05. November bis 5. Dezember 2009 werden die Künstler in den einzelnen Zellen und dem Refektorium des Complesso Monumentale ihre Arbeiten präsentieren. Dabei steht nicht die mediale Ausdrucksform im Mittelpunkt sondern der inhaltliche Aspekt. Videos, Fotoarbeiten und Installationen werden ebenso zu finden sein wie skulpturale Werke, Malerei und Grafik. Die ausgestellten Arbeiten von Pipilotti Rist, Matthew Barney, Jannis Kounellis, Giuseppe Penone, Gerwald Rockenschaub und anderen sind zum größten Teil eigens für die Ausstellung entstanden. „Der Inhalt der Ausstellung ist dabei aber nicht ein rein politischer, neben Themen wie Überwachung, Ausgrenzung und Haft wird die Zelle auch als Rückzugsort oder aus religiöser Sicht interpretiert. Diese Spannbreite des Themas abzubilden,  ist Teil des Konzeptes der Ausstellung“, erklärt Bertsch.  

 

Dialog zwischen Kunst und Wissenschaft

Parallel zum künstlerischen Ansatzpunkt werden sich  von 21. – 23. Jänner 21 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen (Kunstgeschichte, Theologie, Philosophie, Psychologie, Soziologie, Architekturtheorie, Geschichte, Medizin) bei einem Workshops in Innsbruck mit dem Thema der „cella“ beschäftigen. „Bei dem Workshop wird auch der größte Teil der Künstler anwesend sein, was einen interessanten Dialog zwischen Wissenschaft und Kunst erwarten lässt“, freut sich Bertsch.

 

Breite Unterstützung

Möglich gemacht wurde das Projekt durch die Unterstützung zahlreicher Sponsoren, allen voran des Hauptsponsors Hypo Tirol Bank und des Landes Tirol. Dieses fördert das Projekt „cella“ als Sonderprojekt im Rahmen des Programms zum Gedenkjahr Geschichte trifft Zukunft 1809/2009.

(sr)