Ein Jahr hochschulpolitischer Stillstand: „Denkzettel“ für die Bundesregierung
Zu Beginn des neuen Wintersemesters sehen sich die Rektoren der öffentlichen Universitäten Österreichs mit den alten Problemen konfrontiert: In den wesentlichen Fragen der Universitätsfinanzierung und des -zugangs hat sich gegenüber dem Vorjahr wenig bis nichts bewegt. Als Folge der Untätigkeit der Bundesregierung bei der Lösung der hochschulpolitischen Herausforderungen werden am 19. Oktober 2010 an allen heimischen Standorten Universitätsvollversammlungen abgehalten. Die Rektorate greifen damit eine Initiative der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) auf und werden bei der Gelegenheit die Öffentlichkeit über die Konsequenzen des angekündigten Sparkurses der Bundesregierung für den weiteren Betrieb der Universitäten informieren.
Die Bundesregierung, insbesondere die Koalitionsspitze, wurde von der Österreichischen Universitätenkonferenz (uniko), aber auch von einzelnen Rektoren mehrfach auf die dramatische Situation für die Universitäten aufmerksam gemacht. Angebote eines Gesprächs der Universitätsleitungen mit Bundeskanzler und Vizekanzler wurden in den vergangenen Monaten ebenso ignoriert wie der jüngste offene Brief, worin uniko und Fachhochschulkonferenz gemeinsam an Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Josef Pröll appelliert hatten, den angedrohten Sparkurs bei Bildung und Forschung zu überdenken. Das solcherart zum Ausdruck gebrachte Desinteresse der höchsten Repräsentanten der Bundesregierung an den Zukunftsthemen des Landes steht in krassem Widerspruch zu der in Sonntagsreden stets betonten Priorität für Wissenschaft, Forschung und Innovation, für die zum überwiegenden Teil die Universitäten verantwortlich zeichnen. Rektor Karlheinz Töchterle verwies im Rahmen der Pressekonferenz in Salzburg erneut auf die Notwendigkeit eines „offenen und möglichst ideologiearmen Gesprächs, um einen künftigen Weg raus aus der Trümmerwüste, in der sich die österreichische Bildungspolitik derzeit befinde, zu finden. „Grundproblem ist die Unterfinanzierung der Universitäten, aber wir müssen auch darüber reden, wie die Hochschulen künftig in die Lage versetzt werden international konkurrenzfähig zu sein. Ebenso wichtig ist es aber auch unseren aktuellen und künftigen Studierenden Rahmenbedingungen zu bieten, unter den diese auch erfolgreich studierenden können“, so Rektor Töchterle.
Der hochschulpolitische Stillstand der Bundesregierung kann aus Sicht der Rektoren nicht hingenommen werden. Der vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung ins Leben gerufene Hochschuldialog (November 2009 bis Ende Juni 2010) hat außer knapp 250.000 Euro Kosten keine nennenswerten Ergebnisse zur Lösung der akuten Probleme an den Universitäten gebracht und kann im Rückblick wohl nur als Ablenkungsmanöver qualifiziert werden. Sowohl die Studierenden als auch die Lehrenden werden daher die Bundesregierung in den kommenden Wochen und Monaten nicht aus ihrer Verpflichtung für eine ausreichende Finanzierung der Universitäten und die Herstellung angemessener Studienbedingungen entlassen.