Amerikastudien feiern runden Geburtstag
Kolleginnen und Kollegen aus Nah und Fern sowie zahlreiche Studierende und Interessierte waren der Einladung des Instituts für Amerikastudien zur zweitägigen Konferenz über die Vergangenheit und Zukunft der Amerikastudien in Innsbruck gefolgt. Dabei sah es in den letzten Jahren aufgrund struktureller Debatten oft so aus, als würde das Institut seinen 50sten Geburtstag nicht mehr erleben, wie Gudrun Grabher betonte. In der überaus gut besuchten Aula eröffneten Institutsleiterin Gudrun Grabher, Vizerektorin Margaretha Friedrich und Dekan Hans Moser mit jeweils sehr persönlichen Beobachtungen und Kommentaren zum Werdegang und Ist-Zustand der Amerikastudien in Innsbruck die Veranstaltung.
Margaretha Friedrich vollzog in eindrucksvoller Weise den historischen Werdegang der institutionalisierten akademischen Auseinandersetzung mit den USA von der Peripherie zum Zentrum, fachlich, aber auch im Sinne des Austausches von Studierenden und WissenschaftlerInnen. Hans Moser gestand seine Skepsis und schließlich Bewunderung, was den Kampfgeist um die Eigenständigkeit des Instituts betraf. Als Vertreterin der amerikanischen Botschaft Wien, die wesentlich zur Einrichtung und Erhaltung der Amerikastudien in Innsbruck beitrug, überbrachte Karin Schmid-Gerlich Grüße und Glückwünsche.
Amerikastudien übernahmen Vorreiterrolle als kulturwissenschaftliche Disziplin
In seinem Vortrag zum Thema “Difficult Beginnings: Birth and Growth of American Studies at the University of Innsbruck” erörterte Arno Heller, Institusvorstand in den 1980er Jahren, die Schwierigkeiten der Amerikastudien mit ihrer Vorreiterrolle als kulturwissenschaftliche Disziplin. Die oft scherzhaft verwendete Beschreibung des Faches als „sechs oder mehr Gegenstände auf der Suche nach einer Disziplin“ umreißt das Dilemma der Vielfältigkeit, in dem sich die Amerikastudien bis heute bewegen.
Der erste Tag der Konferenz stand mit Vorträgen von Werner Sollors (Harvard University), Franz Mathis (Universität Innsbruck), Anton Pelinka (Central European University Budapest) und Klaus Frantz (Universität Innsbruck) unter dem Motto „Multidisciplinary American Cultural Studies“. Werner Sollors referierte über die Bedeutung der Aussage „all men are created equal“ im kulturellen Kontext, besonders im Hinblick auf die historische Entwicklung hinsichtlich der Rechte der Frauen und ethnischer Minoritäten. Franz Mathis erörterte in seinem Vortrag die ökonomische Entwicklung der USA, während Anton Pelinka den Einfluss der amerikanischen Politikwissenschaften und Politik auf Österreich unter die Lupe nahm. Klaus Frantz untersuchte aus geographischer Sicht das Phänomen der „gated communities“ in den USA und verwies auf ein Phänomen, das zahlreiche kulturwissenschaftliche Implikationen mit sich bringt.
Der zweite Konferenztag beschäftigte sich in Vorträgen zu „Medical Humanities“, „Law and the Humanities“ und „Business/Management and the Humanities“ mit der transdisziplinären und neuen Ausweitung des Faches Amerikastudien. Mit Vorträgen von jeweils einem Vertreter aus den USA und Innsbruck wurde in diesen drei durchwegs neuen wissenschaftlichen Bereichen das Fundament für fruchtbare Arbeit gelegt. In seiner Darstellung der Medizingeschichte in den USA unterstrich Claude Desjardins (University of Illinois) die große Bedeutung statistischer Zahlen und technischer Innovationen, während Paul König (Medizinische Universität Innsbruck) mit beeindruckenden Beispielen die Bedeutung der ganzheitlichen Medizin und des humanistischen Zugangs in der Medizin hervorhob. Walter F. Pratt (University of South Carolina) und Bernhard Koch (Universität Innsbruck) sprachen zu Aspekten des amerikanischen Rechtssystems. Kurt Matzler (Johannes Kepler Universität Linz) und Todd Mooradian (College of William and Mary, Williamsburg) erörterten schließlich Kultur- und Persönlichkeitsunterschiede und Konsumentenverhalten in den USA und Österreich.
Neben den inspirierenden und zu Diskussionen anregenden Vorträgen war das Rahmenprogramm der Konferenz besonders beeindruckend: 16 großartige studentische SchauspielerInnen aus Linda Quehenbergers Theater Workshop führten die ergreifende Spoon River Anthology auf (siehe iPoint Bericht vom 21. Juni 2007). Außerordentliche studentische Leistung wurde auch in der non-stop Vorstellung der besten am Institut für Amerikastudien erarbeiteten Kurzfilm-Projekte der vergangenen 25 Jahren dargeboten und gewürdigt. Die „very-best-of“-Sammlung zeigte das erstaunliche Können der Studierenden im Umgang mit dem Medium Film.
Der Kongress war ein zukunftweisendes und bahnbrechendes Vorhaben und erreichte sein Ziel, die Amerikastudien nicht nur als grenz- und disziplinenüberschreitendes Fach zu verankern, sondern auch die konkrete Relevanz der Amerikastudien für Wirtschaftswissenschaften, Rechtswissenschaften und die Medizin zu verdeutlichen. Als Auftakt zur Forschung in bisher nur mangelhaft beachteten Schnittstellen zu wirtschafts- und gesellschaftsrelevanten Bereichen war die Tagung innovativ und wegweisend.
Histories und Her-stories – eine kurze Geschichte der Amerikastudien in Innsbruck
Nach der Schließung des Amerika Hauses 1955 in Innsbruck war es dem damaligen Rektor Herdlitczka ein großes Anliegen, den „lebendigen Draht zur amerikanischen Wissenschaft“ aufrecht zu erhalten. So wurde am 20. Februar 1956 das interdisziplinäre „Amerika-Institut“ an der Universität Innsbruck eingerichtet, mit Leihgaben der amerikanischen Botschaft ausgestattet und mit in den Disziplinen stets wechselnden Fulbright Professoren wissenschaftlich besetzt, darunter auch dem berühmten Prof. George Steiner. Geleitet wurde das Institut von einer disziplinenübergreifenden Kommission. 1966 erfolgte unter dem Vorsitz von Prof. Pivec die Eingliederung des Instituts in die philosophische Fakultät. Nach mehreren Anläufen zur Besetzung einer ständigen Professur erreichte das Institut für Amerikanistik erst mit dem Dienstantritt von Prof. Brigitte Scheer 1974 eine wissenschaftlich anhaltende Kontinuität und verstärkte Eigenständigkeit.
In den Kernbereichen der Kulturstudien und Literaturwissenschaften folgten die Amerikastudien stets einer breiten interdisziplinären Ausrichtung. In den 80er Jahren etablierte sich das Institut durch visionäre Forschungs- und Lehrtätigkeiten im nationalen und internationalen Kontext. Es erfolgte eine starke Ausweitung im Bereich der Cultural Studies in Richtung Film Studies, Ethnic Studies und Gender Studies.
Trotz vieler Debatten im letzten Jahrzehnt konnte das Institut für Amerikastudien unter Prof. Gudrun Grabher seine Unabhängigkeit behaupten und stellt sich weiter den Herausforderungen interdisziplinärer Forschung und Lehre mit den im Rahmen des American Corner Innsbruck neu eingerichteten Forschungsbereichen „Medical Humanities“, Law and the Humanities“ und „Business/Management and the Humanities“.