Zentrale Fragen der Wirtschaftspolitik im Fokus

An den sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten fanden kurz hintereinander zwei Böhm-Bawerk-Vorlesungen statt. Die Fakultät für Betriebswirtschaft hatte den führenden deutschen Wirtschaftsethiker Prof. Karl Homann (LMU München) eingeladen; Die Fakultät für Volkswirtschaft und Statistik den früheren Vizepräsidenten der Weltbank und Professor der Universität Oxford, Ian Goldin.
Prof. Karl Homann bei seinem Vortrag
Prof. Karl Homann bei seinem Vortrag

Beide Vortragenden gingen zuerst auf die Kritik der bestehenden marktwirtschaftlichen Ordnungen und ihrer Institutionen ein und betonten dann die Notwendigkeit von Reformen angesichts der Globalisierung. Nicht eine neue Welt-Moral oder eine neue Welt-Ordnung seien notwendig, sondern ein Wandel der bestehenden Institutionen damit die Marktwirtschaft die neuen Herausforderungen besser bewältigen kann.

 

Regeln gegen unmoralisches Verhalten

Mit dem Thema „Moral oder ökonomisches Gesetz“ bezog sich Karl Homann auf den berühmten Aufsatz von Böhm-Bawerk über „Macht oder ökonomisches Gesetz“. Böhm-Bawerk sah einen Gegensatz zwischen Macht und den ökonomischen „Gesetzen“ und meinte, dass sich letztlich die ökonomischen Gesetze durchsetzen werden. Homann kritisierte dagegen die Ansicht, dass es einen Gegensatz zwischen Moral und Ökonomie gäbe, wie sie auch heute noch in der deutschsprachigen Unternehmensethik und von vielen Kritikern des „Casino-Kapitalismus“, der „Heuschrecken“ und des shareholder-value vertreten wird. Die Moral lässt sich nämlich – so seine zentrale These – nicht gegen, sondern nur mit der ökonomischen Logik realisieren, denn im (globalen) Wettbewerb wird ein Unternehmer, der den moralischen Appellen Folge leisten würde, Nachteile gegenüber den anderen Konkurrenten hinnehmen müssen und nicht lange am Markt bestehen bleiben. Moralische Ideale werden also nur dann Bestand haben, wenn sie ein ökonomisches Fundament aufweisen.

 

Regeln verhindern „unmoralisches“ Verhalten, für alle Konkurrenten gelten die gleichen Moralstandards. Die erwünschten Handlungen müssen also durch entsprechende Regeln „anreizkompatibel“ gemacht werden. Das ist heute leichter als in einer statischen Ökonomie (in der Null-Summen-Spiele vorherrschen), weil heute durch entsprechende Regeln und eine bessere Allokation der Ressourcen ein Vorteil für alle Teilnehmer möglich ist, oder zumindest Verluste vermieden werden können. Anhand von vier aktuellen Problemen der Wirtschaftspolitik zeigte Homann, wie solche Reformen möglich sind, ohne auf eine größere Moral der Handelnden zu setzen.

 

Beim Problem der Armut, vor allem in den Entwicklungsländern, geht es darum, einerseits den reichen Ländern Paretoverbesserungen in Aussicht zu stellen und andererseits in den Entwicklungsländern durch eine „good governance“ die Voraussetzungen für Investitionen (und Gründung) von Unternehmen zu geben. In den reichen Ländern ist es vor allem die Agrarpolitik, die durch hohe Subventionen (weit mehr als die gesamte Entwicklungshilfe) derzeit den armen Ländern keine Chance auf Exporte gibt.

 

Beim Problem der Arbeitslosigkeit meint Homann, dass dann, wenn eine Schließung eines Produktions-Standortes droht, die Alternative von Entlassungen eines Teiles der Mitarbeiter und Lohnkürzungen Paretosuperior sein können, und damit im Interesse der Arbeitnehmer und ihrer Interessenvertreter liegen.

 

Zum Problem der Bildung stellt Homann fest, dass es ökonomisch keine bessere Investition gibt als die Bildung. Weil es auch hier notwendig ist, institutionelle Arrangements zu finden, die die gesellschaftliche Paretosuperiorität mit den individuellen Vorstellungen und Anreizen kompatibel machen, plädiert er für Studiengebühren mit entsprechenden Stipendien und Krediten – und Wettbewerb zwischen den Universitäten.

 

Die Rolle der Unternehmen sieht Homann vor allem als Instrumente der Armutsbekämpfung, denn wie sollte den Armen dieser Welt ohne Unternehmen geholfen werden. Ihnen wird es nur besser gehen, wenn es auch den Reichen besser geht, was allerdings den Forderungen nach mehr Teilen, mehr Moral fundamental widerspricht. Man darf nur nicht den Umkehrschluss ziehen, dass es automatisch auch den Armen besser geht, wenn es den Reichen besser geht. Es geht also auch hier darum, institutionelle Reformen zu finden, Unternehmen Anreize zu geben, in Entwicklungsländern zu investieren, auch in Human- und Sozialkapital, in Bildung und eine soziale Ordnung.  

 

Globalisierung als Herausforderung für Institutionen

Die Notwendigkeit von Reformen der internationalen Institutionen, wie Welt-Währungsfonds und der Weltbank war der Kernpunkt der 24. Böhm-Bawerk-Vorlesung von Ian Goldin. Er war von 2003 bis vor kurzem Vizepräsident der Weltbank und ist heute Professor an der Universität Oxford in der „21rst Century School“. Das Thema seines Vortrages lautete: „Globalisation: Evolving Ideas and Lagging Institutions“.

 

Goldin analysierte den Globalisierungsprozess und zeigte auf, dass für seine Entwicklung  die Kraft von Ideen wichtiger ist als die Ausweitung des Handels mit Gütern und Dienstleistungen, oder die   technologischen Neuerungen. Die vorhandenen Institutionen sind aufgrund von Ideen vor mehr als 60 Jahren entstanden, sodass sie gegenüber den aktuellen Herausforderungen oft nachhinken. Deshalb haben z.B. die Weltbank, die vor allem für die Förderung der Entwicklung in der dritten Welt gegründet worden war, und der Weltwährungsfonds wenig erreicht. Ein Großteil der Gelder floss nach Afrika, das nach wie vor unterentwickelt ist. Andererseits erhielten die rasch wachsenden Länder China und Indien (ebenso wie die asiatischen „Tigerländer“) fast keine Kredite von der Weltbank.

 

Für die Bewältigung der neuen Herausforderungen sind Änderungen der Institutionen notwendig. Eine der wichtigsten Herausforderungen ist das Altern und die Krankheitskosten. Im Jahr 2030 werden die Menschen eine Lebenserwartung von 100 Jahren haben und bis 80 arbeiten. Damit ist eine Dynamik der sozialen Institutionen notwendig. Auch auf den Gebieten der Umwelt, Sicherheit, Migration, der geistigen Eigentumsrechte und der Technologie-Entwicklung entstehen neue Probleme.

 

Bei den Ideen für Entwicklung und Wachstum zeigt sich eine gewisse Konvergenz. Der so genannte Washingtoner Konsens (der auf Finanz- und Geldpolitik vertraute) ist zwar tot, aber es gibt einen neuen Konsens, der auf der Bedeutung des Eigentums und der Freiheit und Sicherheit für Markt-Transaktionen beruht. Ideen sind für die Entwicklung wichtiger als Geld.

 

Die Frage ist, wie schnell können sich die Institutionen an die neuen Herausforderungen anpassen? In den Institutionen selbst gibt es zu wenig Wissen um die Reformen; neue Institutionen zu gründen wäre angesichts der vielen vorhandenen zu schwierig. Deshalb unterstützte Goldin das Anliegen der 6. Konferenz des CSI (Centres for the Study of International Institutions), in deren Rahmen die Böhm-Bawerk-Vorlesung stattfand. Es braucht eine bessere Koordination und Kooperation der vorhandenen Institutionen. Manche Institutionen arbeiten schon besser zusammen als in der Vergangenheit, z.B. Weltbank und Weltwährungsfonds, aber bei der Kooperation zwischen der UN und Weltbank (für die Goldin zuständig war) gibt es noch Mängel, die oft auf mangelnden Kooperationswillen der beteiligten Regierungen zurückzuführen sind.