eBay, Google und Nobelpreis
Der diesjährige "wirtschaftswissenschaftlichen Preis der schwedischen Reichsbank zum Gedenken an Alfred Nobel" geht erneut an Forscher im Bereich der Spieltheorie. Leonid Hurwicz, Eric S. Maskin und Roger B. Myerson wurden für die Entwicklung der „Mechanismus-Design-Theorie“ ausgezeichnet. Diese Theorie untersucht, welche Institutionen (Allokationsmechanismen) zum Erreichen des bestmöglichen Ergebnisses geeignet sind, wenn in einem Markt Bedingungen wie Informationsasymmetrien, unvollständiger Wettbewerb oder externe Effekte vorliegen. In diesem Falle sind nämlich die theoretischen Anforderungen des perfekten Marktes, der durch die „unsichtbare Hand“ das Handeln der einzelnen Marktteilnehmer in Richtung des Gemeinwohls lenkt, nicht erfüllt. Die Theorie des Mechanismus Designs befasst sich also mit Situationen, in denen individuelles Handeln ohne Eingriffe in den Markt nicht zu gesellschaftlich optimalen Ergebnissen führt.
Auch wenn dies etwas theoretisch klingen mag, gibt es doch sehr praktische Anwendungen für die Mechanismus-Design-Theorie. Ein Beispiel dafür ist das online-Auktionhaus eBay. Auf der eBay-Platform treffen sich Käufer und Verkäufer verschiedenster Güter mit dem Ziel, ein bestimmtes Gut zu einem guten Preis zu kaufen bzw. zu verkaufen. Die Mechanismus-Design-Theorie beschäftigt sich mit den Spielregeln, die festzusetzen sind, um genau dieses Ziel zu erreichen. Die eBay Auktion ermöglicht es, dass der meistbietende Käufer das jeweilige Gut erwirbt. Die genauen Regeln einer solchen Auktion müssen von vornherein festgelegt werden: Bei eBay muss der Gewinner, also der Höchstbietende, das zweithöchste Gebot als Preis für das Gut bezahlen. Ein weiterer Anwender der Mechanismus-Design-Theorie ist die Suchmaschine Google. Inserenten, die ihre Werbung auf den Internet-Seiten von Google anzeigen lassen wollen, müssen Gebote abgeben. Wessen Werbung auf den Ergebnisseiten einer Google-Suche angezeigt wird, bestimmt eine Auktion.
Die Mechanismus-Design-Theorie charakterisiert die optimalen Institutionen, d.h. wie die Anreize gesetzt und die Spielregeln gestaltet werden müssen, um ein vorgegebenes Ziel zu erreichen. Sie beantwortet also z.B. die Frage welche Art von Auktion den Erlös des Verkäufers maximiert. Sie findet auch Anwendung in der Versteigerung von Emissionszertifikaten oder Telekom-Lizenzen, sie klärt die Rolle des Regulators (z. B. Schienen-, Telekom- und Stromregulator). Sie erklärt aber auch, warum es oftmals keine gute Marktlösung zum Problem der Bereitstellung öffentlicher Güter gibt.
Die Entwicklung der Mechanismus-Design-Theorie begann mit der Arbeit von L. Hurwicz, der einen Mechanismus als ein Spiel mit vorgegebenen Regeln definierte, die für jedes mögliche Verhalten der Teilnehmer ein Ergebnis, z.B. eine Allokation von Gütern, vorsehen. In einem solchen Mechanismus sollen die Spieler einen Anreiz haben, ihren wahren Präferenzen gemäß zu handeln. R.Myerson und E.Maskin entwickelten diese Theorie weiter und wendeten sie auf spezifische ökonomische Probleme wie Auktionen und Regulierung an.
Wie wichtig die Beiträge der Spieltheorie zu neuen Erkenntnissen in der Ökonomie sind, zeigten bereits vergangene Preisverleihungen der schwedischen Reichsbank: 1994 wurden der deutsche Ökonom Reinhard Selten sowie John Harsanyi und John Nash für ihre Beiträge zur Spieltheorie ausgezeichnet, 2005 waren es Robert Aumann und Thomas Schelling für die spieltheoretische Analyse von Konflikt und Kooperation. 2002 wurden Danny Kahnemann und Vernon Smith ausgezeichnet, die im Bereich der ökonomischen Verhaltensforschung und experimentellen Wirtschaftsforschung tätig sind. Sowohl die Forschung als auch die forschungsgeleitete Lehre an der Fakultät für Volkswirtschaft und Statistik der Uni Innsbruck vertreten diese Felder der Ökonomie sehr stark - der seit drei Jahren eingerichtete Forschungsschwerpunkt "Experimentelle Wirtschaftsforschung und angewandte Spieltheorie" belegen dies deutlich.
Einer der Forscher im Forschungsschwerpunkt "Experimentelle Wirtschaftsforschung und angewandte Spieltheorie", Prof. Rudolf Kerschbamer vom Institut für Wirtschaftstheorie etc., hat ein besonderes persönliches Naheverhältnis zu einem der diesjährigen Preisträger: Prof. Myerson, seit 2001 an der University of Chicago, vorher an der Northwestern University (ebenfalls in Chicago), lud ihn im Februar 1996 zu einem längeren Forschungsaufenthalt an die Northwestern University ein, eine Einladung, die Professor Kerschbamer gerne annahm. Weitere produktive Forschungsaufenthalte in anregender Atmosphäre folgten in den darauf folgenden Jahren, insgesamt verbrachte Prof. Kerschbamer auf Mayersons Einladung hin etwa ein Jahr an der Northwestern University.
Im Forschungsschwerpunkt "Experimentelle Wirtschaftsforschung und angewandte Spieltheorie" wird die Eigenschaft von Mechanismen nicht nur theoretisch erforscht, sondern auch experimentell getestet. So untersucht z.B. eine neue Arbeit am Forschungsschwerpunkt mit experimentellen Methoden, ob ein zur Effizienzsteigerung in Sozial-Dilemma-Situationen designter Mechanismus in der Praxis auch funktioniert. Die Arbeit mit dem Titel 'How Non-Binding Agreements Resolve Social Dilemmas', eine gemeinsame Arbeit von Rudolf Kerschbamer, Julian Rauchdobler, Rupert Sausgruber (alle drei vom Forschungsschwerpunkt) und Jean-Robert Tyran (von der Uni Kopenhagen), wurde am letzten Freitag am heuer in Innsbruck stattfindenden 'Workshop on Behavioral Public Economics' präsentiert und sie zeigt, dass der Mechanismus im Experiment sogar noch besser abschneidet als in der Theorie. Der erwähnte Workshop findet jährlich statt, und zwar abwechselnd einmal an der Fakultät für Volkswirtschaft und Statistik der Uni Innsbruck und das andere Mal am Economics Department der University Copenhagen. Organisiert wird der Workshop von Rupert Sausgruber vom Forschungsschwerpunkt gem. mit Jean-Robert Tyran von der Uni Kopenhagen. Auch heuer gelang es wieder eine ganze Reihe renommierter internationaler Wissenschafter für zwei Tage an einem Ort zu vereinen, das Programm war äußerst spannend, die Atmosphäre extrem anregend.