Dauerbrenner Uni-Reform: Ein Blick auf die Reform von Leo Thun-Hohenstein
Verschulung oder Offenheit, mehr Mitbestimmung, Lehr- und Lernfreiheit: Diese Punkte begleiten Universitätsreformer schon seit langem. Thema waren sie bereits im 19. Jahrhundert: Die Reform der Universitätslandschaft der Habsburgermonarchie unter Leo Thun-Hohenstein ab 1849 wirkt bis heute und steht im Mittelpunkt einer internationalen Tagung in Innsbruck zwischen 5. und 7. Juni.
„Die Universitätsreform des Jahres 1849 war eine wesentliche Errungenschaft des Revolutionsjahrs 1848“, ist Mag. Christof Aichner überzeugt. Er arbeitet an einem vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) finanzierten Projekt zum Namensgeber dieser Reform, Unterrichtsminister Leo Thun-Hohenstein. Im Rahmen des FWF-Projekts wird die gesamte erhaltene Korrespondenz Thun-Hohensteins aus dessen Ministerzeit vollständig digital editiert und aufgearbeitet. „Die Universitäten wurden mit der Thun-Hohensteinschen Reform zu wissenschaftlichen Einrichtungen.“ Davor waren die Universitäten, auch jene in Innsbruck, reine Lehr- und Ausbildungsanstalten, die Ausbildung selbst war dem Nützlichkeitsinteresse unterworfen. Zum Abschluss des FWF-Projekts zu Thun-Hohenstein findet nun in Innsbruck eine internationale Tagung zur Reform und zur Person Leo Thun-Hohenstein statt, Projektleiterin ist Prof. Brigitte Mazohl.
Dauerthema Reform
„Wir waren überrascht, wie sehr sich Diskussionen immer wieder wiederholen“, sagt Dr. Tanja Kraler, eine weitere Projektmitarbeiterin. „Vieles, was damals diskutiert wurde, etwa die Frage des Zwecks der Universitäten und der Nutzen eines Studiums, wird auch heute wieder aufgeworfen.“ Neben den Universitäten wurden damals auch die Gymnasien stark reformiert: Die Matura als Studienberechtigung wurde eingeführt, davor war die Universität selbst mit einem zweijährigen philosophischen Grundstudium für die Universitätsreife ihrer Studenten zuständig. „Seit damals dauert das Gymnasium acht statt sechs Jahre und endet mit der Matura“, erklärt Tanja Kraler. Die Abschaffung dieses Grundstudiums führte zugleich zu einer Aufwertung der philosophischen Fakultät, die nun als gleichberechtigte Fakultät neben die Rechts-, Theologie- und Medizin-Fakultäten rückte und nicht mehr nur für die Grundausbildung für diese Fakultäten zuständig war. „Die neuen philosophischen Fakultäten, die damals noch Geistes- und Naturwissenschaften umfassten, wuchsen daraufhin schnell und die damals entstandenen Disziplinen prägen bis heute die Universitäten“, sagt Christof Aichner. Zentrale Elemente der Neugestaltung der Universitäten in Österreich waren außerdem die Gewährung der Lehr- und Lernfreiheit und die Übertragung der Verwaltung der Universitäten auf die Professorenschaft. Die Thun-Hohensteinschen Reformen prägen die Organisation und das Selbstverständnis der Universitäten in weiten Teilen bis heute. „Ein Nachdenken über die Thun-Hohensteinschen Reformen schließt immer auch ein Nachdenken über aktuelle Entwicklungen im Bildungswesen ein“, sagt Christof Aichner. Dabei ergeben sich nicht nur Parallelen zu inhaltlichen Fragen, etwa darüber, was die Aufgabe der Universitäten sein soll und welchen Wert Wissenschaft und Bildung für die Gesellschaft und den Staat haben oder haben sollen, sondern auch Parallelen dazu, welche Ängste und Abwehrmechanismen eine solche Reform freisetzen kann und mit welchen Problemen eine Reform der Universitäten konfrontiert ist.
Die Tagung
An insgesamt drei Tagen werden 13 Wissenschaftlerinnern und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland ihre Forschungen zu Leo Thun-Hohenstein vorstellen. Eröffnet wird die Tagung am Abend des 5. Juni (17:30 Uhr) mit einem Vortrag von Walter Höflechner (Graz), der in seinem Beitrag die Thunschen Reformen in den Kontext der Entwicklung der Wissenschaften in Österreich stellen wird. Am Donnerstag, 6. Juni, stehen Vorträge auf dem Programm, die sich zunächst den Vorbildern und der Konzeption der Reform widmen, ein zweiter Fokus liegt auf der Umsetzung der Reformen an einzelnen Universitäten der Habsburgermonarchie. Dabei soll auch untersucht werden, wie die zentral geplante Reform in den unterschiedlichen Ländern des Habsburgerreiches umgesetzt und wahrgenommen worden ist. Am Freitag, 7. Juni, wird dieser Schwerpunkt fortgesetzt, außerdem werden die mittel- und langfristigen Folgen der Reform sowie die Rezeption Thuns und der Universitätsreformen durch die Geschichtswissenschaft behandelt. An diesem Tag wird außerdem das Team des FWF-Projekts „Die Thun-Hohensteinsche Bildungsreform 1849–1860“ erste Einblicke in die digitale Edition der Korrespondenz von Leo Thun-Hohenstein geben.
Hinweis für RedakteurInnen:
Die Tagung findet im Saal New Orleans im Hauptgebäude der Universität Innsbruck, Innrain 52, 1. Stock, statt. Alle Vorträge sind frei zugänglich, die Vortragenden stehen auch für Interviews zur Verfügung – wir bitten dennoch um vorherige Anfrage.
Detailliertes Programm: http://thun-korrespondenz.uibk.ac.at/wp-content/uploads/2013/04/Programm-Einladung.pdf