Presseinformation der Universität InnsbruckLogo Universität Innsbruck

Medieninformation

Konfrontation oder unterlassene Hilfeleistung?

Erstmals beobachtete ein internationales Team von Wissenschaftlern mit Loukas Balafoutas (Innsbruck), Nikos Nikiforakis (Abu Dhabi) und Bettina Rockenbach (Köln) das Verhalten von Menschen bei Bestrafung gegenüber Fremden. In einem Aufsatz über direkte und indirekte Bestrafung, erschienen im Magazin PNAS, zeigen sie, dass beide Formen im Feld eine große Rolle spielen.


Die drei Ökonomen Loukas Balafoutas (Innsbruck), Nikos Nikiforakis (Abu Dhabi) und Bettina Rockenbach (Köln) arbeiten zu Fragen rund um das Thema Kooperation. „Die Grundannahme ist, dass Menschen, im Gegensatz zu Tieren, sehr viel miteinander kooperieren und das nicht nur innerhalb kleiner Gruppen, sondern auch mit Fremden“, erläutert Loukas Balafoutas vom Institut für Finanzwissenschaft der Universität Innsbruck die theoretische Basis. In dem aufwändig konzipierten Feldexperiment möchten die Ökonomen herausfinden, warum Menschen ihnen fremde Personen für Normverletzungen bestrafen und wie sie das tun. Zwei mögliche Vorgehensweisen werden dabei in den Fokus gerückt: „Die Möglichkeiten einer direkten und einer indirekten Bestrafung interessieren uns dabei besonders“, so Balafoutas.

Ein Held des Alltags?

Die erste Forschungsfrage, der die Wissenschaftler nachgingen, war, ob Menschen, die eine soziale Norm verletzen, direkt von Beobachtern darauf angesprochen werden. Dieses Verhalten bezeichnen sie als direkte Bestrafung. Die zweite Alternative wäre eine indirekte Bestrafung durch Verweigerung von Hilfe. Die Ökonomen gestalteten dazu folgenden experimentellen Aufbau: Am Kölner Bahnhof warf ein Schauspieler absichtlich einen Plastikbecher auf den Bahnsteig, kurz darauf fielen dieser normverletzenden Person Bücher vom Arm. Die Wissenschaftler beobachteten die Reaktion von unbeteiligten Passagieren, die die Szene beobachtet hatten. In weniger als einem Fünftel der Fälle wird der normverletzenden Person geholfen, die Bücher aufzuheben, während die Hilfsbereitschaft ohne Normverletzung mehr als doppelt so hoch ist. Während eine Person, die einen Becher wegwarf, in 17 % der Fälle angesprochen wurde, ihren Becher wieder aufzuheben, fand diese direkte Ansprache fast nie statt, wenn die Passagiere durch unterlassene Hilfeleistung ihren Unmut äußern konnten. „Das zeigt klar, dass Menschen Normverletzungen lieber durch unterlassene Hilfeleistung als durch direkte Ansprache bestrafen“, fasst Bettina Rockenbach zusammen. In ihrer zweiten Forschungsfrage untersuchten die drei Ökonomen, ob jemand, der Normverletzungen direkt bestraft, von anderen dafür belohnt wird. „Eine Annahme war, dass sich für die Person, die wagt, etwas zu sagen, ein Vorteil ergibt, wie beispielsweise die Erhöhung des sozialen Images“, so Nikos Nikiforakis. Wie die Ergebnisse allerdings zeigen, bekommen diese „Helden“ keine zusätzliche Aufmerksamkeit oder Lob der umstehenden Passagiere. „Im Gegenteil. Wir konnten zeigen, dass ihr Einsatz nicht von anderen honoriert wurde“, so der Wissenschaftler.

Unterschied der Geschlechter

„Ein interessantes Ergebnis hat sich im Bereich der Geschlechtsverteilung ergeben. Wir konnten zeigen, dass Frauen viel häufiger direkt, Männer häufiger indirekt bestraft werden“, berichtet Balafoutas. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass sich Menschen tendenziell eher trauen, Frauen direkt auf ihre Normverletzung anzusprechen, weil das Risiko einer Eskalation als geringer eingeschätzt wird. Männer würden demnach mehr durch die Verweigerung von Hilfe bestraft. Das Fazit: Eine direkte Bestrafung, egal ob gegenüber Männern oder Frauen, bringt für den Bestrafenden keine Belohnung oder die Erhöhung des sozialen Images mit sich. „Die Frage, warum Menschen eine direkte Bestrafung wählen, bleibt damit noch offen“, so Rockenbach. „Kooperation ist ein sehr komplexes Feld. Mit dieser Studie ist es uns gelungen, erstmals im Feld die Funktionen von direkter und indirekter Bestrafung zu beobachten und zu analysieren“, resümieren die Wissenschaftler.

 

Publikation: Direct and indirect punishment among strangers in the field. Loukas Balafoutas, Nikos Nikiforakis, Bettina Rockenbach. PNAS Early Edition www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1413170111