Älteste tibetische Hand- und Fußabdrücke
Die Besiedelungsgeschichte des Tibetischen Hochplateaus lag bis heute weitgehend im Dunkeln. Michael Meyer vom Institut für Geologie an der Uni Innsbruck hat gemeinsam mit seinem Team den bisher ältesten archäologischen Nachweis für dauerhafte Besiedelung des Hochplateaus erbracht und die Ergebnisse im Fachmagazin Science veröffentlicht.
Das als „Dach der Welt“ bekannte Tibetische Hochplateau stellt große Herausforderungen an die menschliche Anpassungsfähigkeit. Aufgrund der extremen Höhenlage und der Abgeschiedenheit, war das Hochplateau vermutlich eine der letzten Regionen dieser Erde die der Mensch besiedelt hat. Hand- und Fußabdrücke in ausgehärtetem Travertin hat Michael Meyer gemeinsam mit seinen internationalen Kolleginnen und Kollegen erstmals sicher datiert. Zwischen 8.000 und 12.000 Jahren sind die im Stein hinterlassenen Spuren in Chusang alt. Dies ist bisher der älteste Nachweis für eine permanente menschliche Besiedelung Hochtibets. Es gibt bereits eine ältere Datierung derselben Abdrücke, in der ihr Alter auf etwa 20.000 Jahre geschätzt wird, eine Zeit, die genau in das Hochglazial fällt. Tibet war damals extrem trocken und kalt und eine Besiedelung sehr unwahrscheinlich. „Diese ursprüngliche Datierung galt daher in der Fachwelt als umstritten und gleichzeitig war es ein erster und wichtiger Versuch einer Altersbestimmung an einem methodisch sehr herausforderndem geologischen Material“, erklärt Michael Meyer. Mit einem Bündel an Methoden gelang es ihm mit seinem Team nun erstmals, die Abdrücke gesichert zu datieren und aufzuzeigen, dass es sich dabei um eine frühe permanente Besiedelung des Hochplateaus handeln muss. Mit an der Studie beteiligt waren Mark Aldenderfer von der University of California, Zhijun Wang von der Universität Innsbruck, Dirk Hoffmann vom Max Planck Institut aus der Abteilung für Human Evolution, Jennifer Dahl vom National Isotope Center in Neuseeland, Detlev Degering von der VKTA in Dresden, Randy Haas von der Universität Wyoming sowie Frank Schlütz vom Niedersächsischen Institut für historische Küstenforschung.
Gespeichertes Licht
Chusang liegt im zentralen Teil des Hochplateaus das im Süden durch den Hohen Himalaya begrenzt wird. Da Tibet von geologischen Brüchen durchzogen ist, treten an diesen Störungszonen häufig heiße Quellen, die Carbonat ausfällen, auf. Meterdick wird das Seitental in Chusang von Heißwasserquellkalk, auch Travertin genannt, überzogen. In diesem, vor Jahrtausenden noch weichen Travertin-Schlamm, sind noch heute die Hand- und Fußabdrücke dieser frühen Tibeter sichtbar. „Man hat sehr selten solche Glücksfälle. Wir wussten, dass mit der Datierung der Schicht des Travertins auch das Alter der Abdrücke, die mit dem Stein ausgehärtet sind, bestimmbar sind“, so Meyer. Neben der gängigen Radio-Carbon Methode und der Datierung mit der Uran-Thorium Technik, kam zusätzlich die Lumineszenz-Datierung zum Einsatz. „Bei dieser Technik wird direkt Sediment datiert und wir bestimmen, wie viel Lumineszenz oder in anderen Worten, wie viel Licht in einem Mineral gespeichert ist“, so Meyer. Minerale haben die Fähigkeit, Licht zu speichern, indem Elektronen in den jeweiligen Atomen auf höhere Orbitale gehoben werden, wo sie für lange Zeit an Fehlstellungen im Kristallgitter haften bleiben. Die natürliche Radioaktivität treibt diesen Prozess an. Die Position der Elektronen auf diesen erhöhten Orbitalen ist sehr sensitiv. Die lichtdicht verschlossenen Gesteinsproben werden im Labor unter kontrollierten Bedingungen Licht ausgesetzt. Diese Energiezufuhr reicht bereits aus, damit die Elektronen auf ihr Ursprungsorbital zurückfallen, wobei sie bei diesem Vorgang ein messbares Lichtsignal aussenden, das proportional zum Alter der Probe ist. Die Spezialität der Wissenschaftler in Innsbruck ist die Messung von einzelnen Quarz-Körnern, die separat mit dem Laser stimuliert werden. Der umfassende Datensatz der Lumineszenz von tausenden Einzelkörnern ergibt dann den errechneten Wert. „Nach unseren Berechnungen und unter Einbezug der anderen Datierungsmethoden sind die Abdrücke zwischen 8.000 und 12.000 Jahre alt. Diese Zeitspanne fällt auch in den Beginn des Holozäns, also in den Beginn der jetzigen Warmzeit von der man weiß, dass der Monsun sehr stark war“, erklärt Meyer. Diese Vermutungen legen auch nahe, dass die Menschen mit der immer grüner werdenden Flora und der wachsenden Fauna klimagesteuert in höhere Lagen mitgezogen sind, um neue Jagdareale zu erschließen. Die Abdrücke im heute ausgehärteten Travertin blieben jedoch keineswegs unentdeckt. Als Hand- und Fußabdrücke des Guru Rinpoche, einem buddhistischen Meister und jenem Guru, der den Buddhismus nach Tibet gebracht haben soll, werden die Spuren heut von den Menschen in Tibet als Heiligtum verehrt.
Saisonales Wohnen nicht möglich
Auf 4.500 Metern Seehöhe liegt durchschnittlich das Hochplateau in Tibet, dessen Besiedelungsgeschichte im Fokus der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler steht. Manche Gegenden können jedoch auf noch einem wesentlich höheren Meeresniveau liegen. Zum Vergleich erwähnt Meyer den Mont Blanc, der mit 4.810 Metern mit der Höhe des Plateaus in Tibet vergleichbar ist. „Wir wissen heute relativ gut, wie sich unsere Vorfahren aus Afrika kommend über den Planeten verteilt haben. Dass Tibet einer der letzten Bereiche war der vom Menschen besiedelt wurde, ist gewiss. Allerdings mussten die Menschen damals beachtliche physiogeographische Barrieren überwinden und sich genetisch an die extreme Höhe anpassen, um permanent sesshaft werden zu können“, so Meyer, der unter anderem auch mit einem Expertenteam an Archäologen zusammenarbeitet. Ein weiterer Aspekt der Untersuchungen beschäftigte sich daher mit der Frage, ob es möglich gewesen wäre, das Gebiet von Chusang im Zuge saisonaler Jagdstreifzügen zu erreichen. Mit Hilfe von Migrations- und Reisekostenmodellierungen konnten Meyers Kollegen Mark Aldenderfer und Randy Haas zeigen, dass der Weg auf das Plateau nur für die Sommersaison zu weit und zu beschwerlich gewesen sein muss. „Im Winter wieder in tiefere Regionen zu ziehen wäre nicht möglich gewesen, zeigen die Hand- und Fußspuren auch deutlich, dass Kinder Teil der Gruppe waren“, so der Archäologie Mark Aldenderfer der unterstreicht, dass diese Ergebnisse ein permanentes Leben auf dem Tibetischen Hochplateau nahelegen. Das Leben auf dieser Höhe erfordert eine spezielle Anpassung der Menschen, die soweit geht, dass ein spezielles Gen zur Höhenanpassung nur bei Tibetern zu finden ist. Manche Theorien von Genetikern gehen sogar von der beginnenden Mutation dieses Gens vor etwa 30.000 Jahren aus. Meyer verdeutlicht, dass es durchaus sein kann, dass der älteste Nachweis des prähistorischen Menschen auf dem Tibetischen Hochplateau noch nicht gefunden wurde. Bis dahin stellt jedoch die Altersbestimmung der Hand- und Fußabdrücke von Chusang einen Meilenstein bei der Erforschung der Besiedelungsgeschichte des „Dachs der Welt“ da.
Publikation: Permanent human occupation of the central Tibetan Plateau in the Early Holocene. M.C. Meyer, M.S. Aldenderfer, Z. Wang,1 D.L. Hoffmann, J.A. Dahl, D. Degering, W.R. Haas, F. Schlütz. Science, am 6. Jänner 2017 DOI:10.1126/science.aag0357
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