Kritische Worte zum geplanten "Umbau der Universität"
Offener Brief des scheidenden Senatsvorsitzenden Prof. Hans Winkler





An die Rektoren und die Senatsvorsitzenden der Universitäten Österreichs und an die Universitätsbediensteten der Universität Innsbruck

Am von mir gewünschten Ende meiner Tätigkeit als Senatsvorsitzender fühle ich mich verpflichtet, noch einmal eindringlich vor den jetzigen universitätspoliti-schen Entwicklungen zu warnen. Ich selbst hatte das Glück, seit 1954 (zuerst als Student, ab 1964 als Assistent, ab 1972 als Professor) in einer Phase der ständigen Aufwärtsentwicklung Mitglied der Innsbrucker Universität (für nahezu 4 Jahre auch Postgraduate und dann Fellow der University of Oxford) zu sein. Jetzt besteht die Gefahr, dass in Österreich vieles ins Negative verkehrt wird und zwar nicht aus sachlicher Notwendigkeit, sondern rein aus ideologi-schen Beweggründen. Wir sind daher verpflichtet, die Öffentlichkeit viel deutli-cher als bisher über diese Entwicklung zu informieren.
Tatsächlich ist es gewissen Kräften gelungen den Eindruck zu erwecken, dass die Universitäten höchst reformbedürftig sind, und dies, obwohl wir uns in einer aktiven Reform befinden. Es ist nun so, dass es nicht nur positive sondern auch Fehlentwicklungen gegeben hat, die Frage ist nur, wer daran die Schuld trägt - die Universitäten oder die zuständige Sektion im Ministerium und die dort poli-tisch Verantwortlichen. In den letzten 30 Jahren waren die Universitäten am ehesten im Wissenschaftsbetrieb autonom. In diesem Bereich zeigte sich, dass trotz im Vergleich zum Ausland limitierter Geldmittel, eine stetige Aufwärtsent-wicklung erfolgte. Dort, wo wir im Wissenschaftsbereich selbst entscheiden konnten, haben weite Bereiche der Universität internationalen Anschluss ge-funden und auch Spitzenleistungen erbracht. Hier braucht es keine Reform, sondern höchstens mehr Geldmittel und Ruhe zur Arbeit. Wer auf dem Gebiet der Wissenschaften den Universitäten Versagen vorwirft, der lügt meiner Mei-nung nach. Nehmen wir ein anderes Beispiel: Es wird den Universitäten vorge-worfen, dass sie Studienrichtungen kultivieren, die es in Österreich mehrfach gibt, dass es Studienrichtungen mit zu geringen Studentenzahlen gibt. Wer ist denn nun für diese mangelnde Koordination in Österreich verantwortlich gewe-sen: diese Koordination konnte ja aufgrund der Gesetzeslage nur vom Ministe-rium erreicht oder verbessert werden. Ich behaupte daher, dass vieles, was den Universitäten an Versagen, an Erstarrung und mangelnder Reformfreudigkeit vorgeworfen wird nichts anders als eine Flucht nach vorne von denen ist, die die gesetzliche Macht hatten, diese Dinge zu ändern. Wenn also die Universi-täten zusätzlich zum Wissenschaftsbereich auch für das Budget noch mehr Autonomie bekommen, ist die Chance einer positiven Entwicklung gegeben. Ich nehme an, dass dies ein Motiv für eine Mehrheit der Senatsvorsitzenden und Rektoren im letzten Jahr war, dem Ministerium anzubieten, an einer Universi-tätsreform mitzuarbeiten. Man hat allerdings ein einfaches Prinzip der wissen-schaftlichen Methodik vergessen: nämlich eine genaue Analyse der Ist-Lage, also eine Evaluierung der Resultate der Reform des UOG93, die in den gro-ßen Universitäten erst begonnen hatte. Man hat auch vergessen zu analysie-ren, ob diese Regierung bereit ist, sachliche Lösungen, die im Bereich der poli-tischen Mitte (also von etwas links bis etwas rechts) liegen, durchzuführen. Eine solche Politik der Mitte war für Österreich in den letzten Jahren typisch.
Welche Wünsche von Senatsvorsitzenden, Rektoren und Universitätsmit-gliedern erfüllt nun dieser neue Gesetzesentwurf, liegt er im Bereich der politischen Mitte?
Von der geforderten Vollrechtsfähigkeit ist keine Rede, so sind z.B. die Univer-sitäts-Liegenschaften der Bundesimmobiliengesellschaft zugesprochen und bereits jetzt zeigt sich, welche Schwierigkeiten das den Universitäten bringt.
Ein paar geplante Maßnahmen, wie erhöhte Budgetflexibilität, sind positive Fortentwicklungen der Autonomie, und wenn es um diese gegangen wäre, wä-ren diese Fortschritte mit ein paar Gesetzesänderungen (Herausnahme der Universitäten aus dem Geltungsbereiches des Bundes im Haushaltsabschluss etc.) möglich gewesen.
Tatsächlich bezweckt dieser Entwurf aber nicht die Stärkung der Autono-mie, sondern ganz etwas anderes: nämlich Reduktion der Autonomie und Abschaffung der Mitbestimmung und damit Errichtung von autoritären Universitätsstrukturen mit politischer Beeinflussbarkeit
Dazu ein paar Beispiele: Ein Universitätsrat bekommt weitgehenden Einfluss auf die Universitäten. Ihm gehören zwei vom Ministerium ernannte Vertreter (einer kann Beamter des Ministeriums sein), und zwei Mitglieder, die vom Senat gewählt werden. Diese dürfen allerdings keine Mitglieder der Universität sein. Offensichtlich haben wir als Universitätsmitglieder ausreichend gezeigt, dass wir für kompetente und unabhängige Entscheidungen unfähig sind. Das fünfte Mitglied wird von den anderen 4 bestellt. Wenn diese sich nicht einigen, wird wohl wieder das Ministerium das 5. Mitglied bestellen. Wer die österreichischen Vorgänge kennt weiß, dass so ein Gremium unter starkem Einfluss des Ministe-riums und damit von politischen Kräften stehen wird. Dieses Gremium wird we-sentliche Entscheidungen treffen, nicht nur solche, die früher dem Ministerium vorbehalten waren, sondern auch solche, die bisher die Universitäten durch-führten. Dies als eine Stärkung der Autonomie verkaufen zu wollen ist gro-tesk. Dieses Gremium, das auch unter politischem Einfluss steht, hat nun auch noch Einfluss auf die Wahl des Rektors. Aus einem Dreiervorschlag der Univer-sität wählt sie den Rektor aus, kann aber diesen Vorschlag auch zurückweisen. Die Stärkung unserer Autonomie heißt also, dass wir auch die unabhängi-ge Wahl des Rektors verlieren. Dies mit dem Schlagwort doppelte Legitimati-on zu versehen ist eine Vernebelung sondergleichen, dies ist ein Versuch politi-scher Einflussnahme und das Ende sogar der Autonomie, die wir bis jetzt hat-ten.
Die wahre Zielsetzung des Entwurfes zeigt sich aber dann in der Abschaf-fung der Mitbestimmung. Nur mehr ein Gremium, der Senat, soll zumindest kollegialen Charakter haben, allerdings praktisch nur mehr mit Professoren. Da die meisten wesentlichen Entscheidungen aber im Universitätsrat bzw. beim nicht mehr autonom gewählten Rektor liegen, ist das fast gleich.
Die Mitbestimmung war einmal ein Ausdruck eines sozialdemokratischen Pos-tulats in der Ära Kreisky zur Demokratisierung aller Lebensbereiche. Heute ist ein vernünftiges Maß an Kollegialität und Mitbestimmung in den Universitäten ein politisches Gut der Mitte und nicht ein Linkselement. Vielleicht war manchen die Mitbestimmung des UOG75 zu weit weg von der Mitte, für die Mitbestim-mung im UOG93 kann dies nicht mehr gesagt werden. Die exekutiven Organe vom Institutsvorstand bis zum Rektor können heute fast alle wesentlichen Ent-scheidungen nur nach Anhörung von Mitbestimmungsorganen treffen, können also letztlich sehr selbständig entscheiden. Dies ist das, was man als eine Lösung der politischen Mitte, oder auch etwas rechts davon, bezeichnen könnte.
Nach diesen Worten wird auch klar, wo der neue Gesetzesentwurf liegt. Es geht darum, in den Universitäten autoritäre, nicht demokratische Struktu-ren einzuführen. Das wird jene Kräfte in Österreich freuen, denen auch andere demokratische Strukturen in Österreich ein Dorn im Auge sind.
Weiters soll dieser Gesetzesentwurf den politischen und staatlichen Einfluss auf die Universitäten stärken und zwar über den Universitätsbeirat und über die nicht mehr autonom erfolgende Rektorswahl. Ich kann in einem solchen Ent-wurf nicht mehr eine Politik der Mitte (bis etwas rechts) sehen, sondern einen Gesetzesentwurf, der weit von der Mitte im rechten Lager steht.
Die Universitätsgremien, z.B. Senate und andere, haben in den letzten Monaten bereits klargemacht, dass sie solche Entwicklungen ablehnen. Die Mehrheit der Rektoren und Senatsvorsitzenden hat ihre Reformbereitschaft angeboten, aber mit klaren Forderungen. Ich nehme an, dass sie niemals die Abschaffung der Mitbestimmung wollten. Wenn sie dies stillschweigend taten, wäre dies eine massive Täuschung ihrer Wähler gewesen. Die erste Reaktion der Rektoren "Nein zu einer Ministerialuniversität" zeigt die neu einsetzende Erkenntnis, dass Ihnen Ihre Reformbereitschaft schlecht vergolten wurde und dass es jetzt zu handeln gilt, um die Universitäten vor diesem rein ideologisch bedingten Rechtsruck zu bewahren.

Ich persönlich sehe 4 Wege:

1. Die alte Forderung (auch beschlossen von den Senatsvorsitzenden und Rektoren), dass eine Universitätsreform ohne Zeitdruck (speed kills) und erst nach eingehender Evaluation des Erfolges oder Misserfolges der jetzigen lau-fenden Reform erfolgen kann, ist zu erneuern.

2. Der vorgelegte Entwurf, der die Universitäten aus ideologischen Gründen nach rechts rücken soll, ist keine Diskussion- oder Verhandlungsgrundlage. Diskutieren kann man nur über gezielte Bestimmungen zur Autonomieförde-rung, die durch Gesetzesnovellierung eingeführt werden.

3. Wenn das Ministerium gegen den erklärten Willen der Universitäten diese Reform brachial beschließen will, ist an einen Streik zu denken. Nicht an einen Vorlesungs- und Prüfungsstreik, der die Studentinnen und Studenten schädigt, sondern die Gewerkschaft wird an eine Bestreikung der Durchführung und Implementierung eines Gesetzes denken müssen, das zum Niedergang der Universitäten führt.

4. Wir müssen an die Öffentlichkeit gehen und klar machen, dass für die Uni-versitäten eine Politik weit rechts von der Mitte nicht akzeptabel ist. Auch in an-deren Bereichen wurde die in Österreich bewährte Politik eines Mittelweges, eine Politik des Konsensus verlassen. Wenn die Universitäten hier öffentlich-keitswirksam gegen eine solche neue Politik mit Hinweis auf die nächsten Wahlen aktiv werden, so ist dies eine wirksame Methode. Wir müssen in die-sem Fall unsere an sich zweckmäßige Zurückhaltung von politischen Maßnah-men verlassen. Die Universitäten dürfen nicht Opfer eines massiven Rechtsruckes werden. Die Bevölkerung muss wissen was hier geschieht und Konsequenzen für das Wahlverhalten als einzig wirksame Maßnahme ziehen.
Wie eingangs gesagt, ich hatte das Glück in einer Periode des Aufbruchs, der positiven Entwicklung, der wissenschaftlichen Entfaltung und der politischen Vernunft zu arbeiten. Mich persönlich wird es kaum mehr schädigen, wenn dies alles verloren geht. Diejenigen, die noch viele Jahre an der Universität arbeiten, müssen sich klar sein, was ihrer Zukunft angetan wird.
Als Wissenschaftler ist man sich immer klar, dass man auch unrecht haben kann. Ich wäre in diesem Fall, im Gegensatz zu meiner wissenschaftlichen Tä-tigkeit, sehr glücklich, wenn dies im Interesse unserer , in den letzten 40 Jahren doch bisher so schönen und so dynamischen und erfolgreichen Innsbrucker Universität der Fall wäre, und ich in meiner Einschätzung unrecht hätte. Wenn wir aber empirisch sehen müssen, dass ich recht hatte, dann ist es für die neue Generation in der Hochschule zu spät.


Dr. med. sub ausp.praes. H. Winkler, D Phil, MA Oxon
Former Fellow of Lincoln College, Oxford
Universitätsprofessor und Senatsvorsitzender