Wenn Missverständnisse tödlich enden
Neue Erkenntnisse zur Kommunikationsstrategie der Zellen
Forschern am Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien und an der Universität Innsbruck ist es gelungen, einen Mechanismus der Signalübertragung in Zellen aufzuklären. Von der Entdeckung, die heute veröffentlicht wurde, erwarten die Wissenschaftler Aufschlüsse über die Entstehung von Krebs und neue therapeutische Ansätze.
Zellen in lebenden Organismen sind unablässig einer Flut von Informationen ausgesetzt. Signale von aussen, sogenannte Wachstumsfaktoren, diktieren der Zelle ihr Schicksal: Wachsen, Teilen, Differenzieren, oder auch Sterben. Die vielfältigen Signale müssen richtig interpretiert und präzise umgesetzt werden. Falsch gedeutete Signale führen zu Fehlreaktionen der Zelle, bisweilen mit fatalen Folgen für den Organismus. Krebs ist schliesslich nichts anderes als die Folge einer fortgesetzten, unkontrollierten Zellteilung.
Damit Signale empfangen werden können, gibt es an der Zelloberfläche Antennen, sogenannte Rezeptoren. Von diesen wird das Signal in einer kaskadenartigen Reaktionskette innerhalb der Zelle weitergeleitet, bis es beim Empfängermolekül ankommt. Das kann beispielsweise ein Transkriptionsfaktor sein, der im Zellkern ein entsprechendes Genprogramm anwirft. Scheinbares Paradox: einer Fülle von möglichen Signalen steht nur eine begrenzte Anzahl von Übertragungsmolekülen zur Verfügung.
In der heute in “Developmental Cell” (Vol. 3, No. 6, 803-814) erschienenen Arbeit beschreibt Dr. David Teis aus der Arbeitsgruppe von Univ. Prof. Dr. Lukas Huber, wie Zellen dieses Problem lösen. Die an den Signalkaskaden beteiligten Eiweißmoleküle müssen in genau definierter räumlicher und zeitlicher Abfolge aufeinander treffen, um bestimmte Signale zu übermitteln. Auf diese Weise können wenige Elemente viele unterschiedliche Komplexe bilden und eine Fülle von Reaktionen wie Differenzierung, Apoptose (programmierter Zelltod) oder Proliferation (Folge von Zellteilungen, die zu Krebs führen kann) auslösen.
David Teis konnte am IMP, dem Grundlagenforschungsinstitut von Boehringer Ingelheim, einen solchen Komplex an menschlichen Tumorzellen identifizieren. Er besteht aus den Eiweißmolekülen p14 und MP1, sowie zwei Enzymen aus der Gruppe der MAP-Kinasen. Dieser Komplex ist an einer bestimmten Struktur innerhalb der Zelle, dem sogenannten Endosom, aufgehängt.
“Hier sehen wir eine faszinierende Möglichkeit, Medikamente zu entwickeln, die gezielt entartete Signale hemmen. Dadurch könnte die Tumorbildung unterdrückt werden, ohne gleichzeitig andere lebenswichtige Funktionen der Signalkette zu zerstören”, erläutert Lukas Huber die mögliche medizinische Bedeutung der Entdeckung. Huber, der unlängst von Wien an den Lehrstuhl für Histologie und Molekulare Zellbiologie der Universität Innsbruck berufen wurde, will diesen Ansatz weiter verfolgen. Gemeinsam mit seinem Team sollen die therapeutischen Möglichkeiten in Innsbruck entwickelt werden. Ein europäisches Patent wurde vorsorglich bereits angemeldet.
Bilder von Prof. Lukas Huber und dem Experiment finden Sie unter:
https://www.uibk.ac.at/public-relations/presse/download/index.html#huber
Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. med. Lukas Huber
Abteilung für Histologie und Molekulare Zellbiologie
Institut für Anatomie, Histologie und Embryologie, Universität Innsbruck
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