Wenn der Nil in Innsbruck fließt
Sudanesische Regierung schätzt Know How der LFU
16 ExpertInnen aus dem Sudan, Deutschland und Österreich beurteilten kürzlich die hydraulische Funktionsfähigkeit des im Bau befindlichen Merowe Staudammes im Sudan. Das Großprojekt, das am 4. Nilkatarakt errichtet wird, ist das größte Infrastrukturprojekt, das augenblicklich in Afrika realisiert wird. Das Institut für Wasserbau (IWI) der LFU unter Vorstand Prof. DI Peter Rutschmann hat die hydraulischen Modellversuche durchgeführt. Während der Versuche wurden verschiedene Schwachstellen des ursprünglichen Entwurfs festgestellt und behoben.
Vom 14. bis 16. Dezember fand im ICT Gebäude ein „Panel of Experts Meeting“, einberufen von der DIU (Dam Implementation Unit), einer staatlichen, sudanesischen Organisation statt. Innsbruck wurde deshalb als Ort des Meetings ausgewählt, weil das IWI die hydraulischen Modellversuche durchgeführt hat.
Innsbrucker Forschende schulen Ingenieure des Sudan
Die Sudanesische Delegation unter Leitung des stellvertretenden Ministers für Bewässerung und Wasserwirtschaft Eng. Mohamed Hassan Ahmed El Hadari war mit den Untersuchungen des IWI sehr zufrieden. Sie betonten den Willen für eine weitere Zusammenarbeit mit der LFU Innsbruck. Immerhin sollen in den nächsten Jahren sukzessive 17 weitere Wasserkraftprojekte im Sudan realisiert werden. Vereinbarungen wurden mit dem IWI auch dahingehend getroffen, dass die Versuchsmodelle in vier Schiffscontainern in den Sudan transportiert werden. Sie sollen den jungen, einheimischen Wasserbauingenieuren und –studierenden dazu dienen, sich in das Gebiet des hydraulischen Versuchswesens einzuarbeiten. Es ist vorgesehen, dass das IWI die Modelle nicht nur wiedererrichtet, sondern auch eine Schulung durchführt. Ebenso soll das Wasserbaulabor, das in unmittelbarer Nähe des Staudammes errichtet wird, vom IWI geplant werden.
Internationale Drittmittelaufträge kurbeln innovative Forschung und Technik an
IWI Vorstand Rutschmann sieht die Zusammenarbeit mit dem Sudan nicht als einen einseitigen Wissenstransfer: „Wir haben von dem Merowe-Auftrag sehr profitiert. Für uns kam die Untersuchung gerade zum richtigen Zeitpunkt: Wir haben ganz neue und innovative Konstruktionsmethoden für den hydraulischen Versuchsbau erarbeitet und konnten diese Techniken beim Merowe Projekt zum ersten Mal praxisrelevant austesten. Unsere diesbezüglichen Techniken und die damit gewonnenen Erfahrungen sind international einmalig und sichern uns für die nächste Zukunft einen Vorsprung gegenüber Mitbewerbern. Viele Leiter anderer Versuchsanstalten haben unsere Techniken studiert und überlegen sich, den gleichen Weg einzuschlagen. Der Merowe Auftrag hat uns aber auch bei der Messtechnik ein ganzes Stück weitergebracht. Wichtig ist für mich auch die Tatsache, dass es zahlreichen Wasserbaustudierenden möglich war, im Rahmen des Projektes mitzuarbeiten und damit erste, praxisbezogene Erfahrungen mit einem internationalen Großprojekt zu sammeln.“
Dass Drittmittel-Auftragsforschung nicht nur eine zusätzliche, erwünschte Geldquelle darstellt, belegt die Tatsache, dass bisher aus den Versuchen zwei internationale Publikationen entstanden sind und noch weitere folgen werden. Außerdem war der Auftrag die Grundlage zu zwei Diplomarbeiten und einem möglichen, zukünftigen Dissertationsthema. Prof. Rutschmann: „An solchen praxisnahen Untersuchungen erkennt man praxisbezogenen Forschungsbedarf. Es ist wichtig, dass wir an der Hochschule nicht im Elfenbeinturm arbeiten, sondern uns danach ausrichten, wo den Wasserbauer in der Praxis der Schuh drückt.“
Das IWI wendete bei den Merowe Untersuchungen auch erstmals die hybride Modellierung, d.h. die Kombination von physikalischen und numerischen Modellen, konsequent an. In Bereichen, wo durch die skalierten, physikalischen Versuche Maßstabseffekte auftreten, konnte so dank der Numerik auf das Verhalten der Naturanlage geschlossen werden. Prof. Rutschmann: „Dank des rasanten Fortschritts im Bereich der Informatik sind wir heute in der Lage, mit dem Computer die Strömungen sehr realitätsnah zu berechnen. Wie wir zeigen konnten, liegen die Unterschiede in den Resultaten von numerischem und physikalischem Modell im Bereich der Messgenauigkeit. Die hybride Modellierung ist momentan ein Schlagwort. Jeder spricht davon, nur wenige können die Technik auch wirklich umsetzen. Unser nächster Innovationsschritt wird darin bestehen, die Computerberechnungen direkt als Randbedingungen in das physikalische Modell einzuspeisen. Damit wird es uns möglich sein, den physikalisch modellierten Bereich zu verkleinern, ohne Verlust der Aussagekraft durch unphysikalische Randeffekte.“
Rückfragehinweis:
Manuela Rainalter
Büro für Öffentlichkeitsarbeit und Kulturservice
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