Der Aktienmarkt braucht auch Pessimisten

 

Wissenschaftler der Universität Innsbruck äußern Bedenken über das geplante Verbot sogenannter Leerverkäufe an der Wiener  Börse. Das von Finanzmarktaufsicht und Nationalbank geforderte Verbot kann die Preise von Wertpapieren verzerren und die ohnehin schon sensible Situation am Finanzmarkt dadurch weiter verschlimmern.

 

 

Die Börsen in New York und London machen unter anderem Leerverkäufe – Handelsstrategien, die bei fallenden Aktienkursen Gewinne, bei steigenden aber Verluste einbringen – für den jüngsten Zusammenbruch des größten US-Versicherers AIG verantwortlich. In den USA reagierte man darauf mit strengeren Auflagen für Leerverkäufe, die Londoner Börse verbot sie für 29 Aktien gänzlich. – Eine Vorgangsweise die Univ.-Prof DDr. Jürgen Huber und Dr. Florian Hauser vom Institut für Banken und Finanzen der Universität Innsbruck für sehr bedenklich halten. Hintergrund ihrer Zweifel ist eine Reihe von Laborexperimenten, im Rahmen derer verschiede Arten von Restriktionen auf virtuellen Märkten simuliert wurden. „Experimente haben im Gegensatz zu echten Märkten den großen Vorteil, dass alle Einflussfaktoren kontrolliert werden können und man mehrere Szenarien direkt miteinander vergleichen kann“, erläutert Hauser die Methodik der Studie, deren Ergebnisse gegen die auch in Österreich geplanten Leerverkaufsverbote sprechen: „Immer wenn bei unseren Experimenten Leerverkäufe eingeschränkt oder ganz ausgeschlossen waren, kam es zu systematischen Preisverzerrungen“, beschreibt Huber die Ergebnisse der Studie. Wenn es keine Restriktionen oder Verbote gab, gab es hingegen auch keine systematischen Preisverzerrungen. „Wir haben unter anderem jene Situation simuliert, die derzeit an der New Yorker bzw. an der Londoner Börse für Finanzaktien vorherrscht, nämlich die Verfügbarkeit von Geld gepaart mit der Einschränkung von Leerverkäufen“, führt Hauser weiter aus. „Dabei kam es nicht nur zu deutlich ineffizienten und verzerrten Preisen, sondern auch zu Überbewertungen von Aktien.“ Insbesondere letztere Beobachtung macht den Forschern Sorgen. „Im Extremfall kann es in solchen Situationen zu Spekulationsblasen kommen. Platzt so eine Blase, hat das dramatische Preisstürze zur Folge“, meint Huber. Darüber hinaus bewirken Restriktionen höhere Kursschwankungen und ein niedrigeres Handelsvolumen.

 

Pessimismus tut der Preisentwicklung gut

 

Die Frage, warum Leerverkaufsbeschränkungen sich negativ auf Märkte auswirken, beantworten die Forscher folgendermaßen: „An einer Börse handeln die Akteure aufgrund ihrer Erwartungen: Optimisten kaufen, während Pessimisten verkaufen. Nur wenn ein Gleichwicht zwischen Pessimisten und Optimisten herrscht, können sich Preise realistisch entwickeln.“ Sind nun aber Leerverkäufe nicht erlaubt, so können pessimistische Händler, die gerade über keine entsprechenden Aktien verfügen nicht an diesem Meinungsbildungsprozess teilnehmen. Als Konsequenz dominieren die Optimisten und die Preise sind höher, als es eigentlich gerechtfertigt wäre. Leerverkaufsbeschränkungen wie sie in London am 17. September eingeführt wurden, lehnen Hauser und Huber daher ebenso ab, wie den Gesetzesentwurf zur Einschränkung von Leerverkäufen, den die österreichische Finanzmarktaufsicht FMA und die Österreichische Nationalbank durchsetzen wollen. „Das Verbot von Leerverkäufen würde der Funktionalität der Wiener Börse mehr schaden als nützen“, so das Resümee der Wissenschaftler nach Abschluss ihrer Studie.

 

 

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Dr. Florian Hauser
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