„In Wirklichkeit gibt es keine Kunst. Es gibt nur Künstler.“
Der Kunsthistoriker Ernst H. Gombrich wäre 100 Jahre alt
Am 30. März jährt sich der Geburtstag des weltbekannten Kunsthistorikers Ernst Hans Josef Gombrich zum 100. Mal. Die Alfried Krupp Stiftung und das Alfried Krupp Wissenschaftskolleg in Greifswald (BRD) richten deshalb zum 30./31.3.2009 ein Internationales Symposium aus. Die wissenschaftliche Leitung dafür liegt bei der Innsbrucker Kunsthistorikerin Univ.-Prof. Dr. Sybille-Karin Moser-Ernst, die sich sehr intensiv mit der Arbeit und den Theorien des Weltbürgers österreichischer Herkunft auseinandersetzt.
Sir Ernst H. Gombrich zählt zu den berühmtesten Kunsthistorikern des 20. Jahrhunderts. Nach seiner Emigration aus Wien im Jahre 1936 arbeitete Gombrich am weltbekannten Warburg Institute in London, dessen Leiter er dann von 1959 bis 1976 war. Im Jahre 1950 veröffentlichte er „The Story of Art“ (dt. Die Geschichte der Kunst 1953), seine bekannteste kunsthistorische Publikation, die inzwischen weltweit in 34 Sprachen und unzähligen Auflagen (z.Z. 16. Auflage) erschienen ist und als ein Standardwerk für Kunsthistoriker bezeichnet werden kann. Der für Gombrichs einzigartigen Schreibstil geradezu typische, provokante, Einführungs-Satz zu diesem Buch lautet: „There really is no such thing as Art. There are only artists“ (In Wirklichkeit gibt es keine Kunst. Es gibt nur Künstler).
Starker Einfluss auf die Kunstgeschichte
Im deutschen Sprachraum zitiert man Gombrich zwar in nahezu jeder Neuerscheinung zur Kunstwissenschaft, dennoch weicht man „dem Kunsthistoriker mit Bodenhaftung“ in Österreich und Deutschland an vielen kunsthistorischen Instituten aus. „Man stellt Gombrich in den Hintergrund, weil er den im vergangenen Jahrhundert so modisch gewordenen Kulturwissenschaften mit seiner grundlegenden Kritik an der Hegelschen Geschichtsphilosophie (`Zeitgeist´-Theorie) den Boden entzogen hat“, so beschreibt Univ.-Prof. Dr. Sybille-Karin Moser-Ernst, wissenschaftliche Leiterin des kommende Woche in Greifswald stattfindenen Gombrich-Symposium, die Auseinandersetzung mit Gombrichs kulturwissenschaftlichem Ansatz. Ganz anders sei dies in Italien, vor allem in Spanien oder zunehmend auch in Japan und China, wo sein Antihegelianismus nicht nur die Kunstgeschichte beeinflußt, sondern sogar Spuren bis in die Politik hinterlassen habe, so die Wissenschaftlerin. Eine sehr wichtige Rolle spielen die Theorien Gombrichs im angloamerikanischen Raum: Vor allem in Nordamerika und Kanada gehören seine Werke zur Standardlektüre für alle Kunststudierende.
Die Macht der Bilder
„Es liegt mir sehr daran, den `deutschsprachigen Gombrich´ bekannt zu machen. Die geistige Heimat Gombrichs, die sogenannte "Wiener Schule der Kunstgeschichte", stellte sich dem hohen Anspruch eines machtvollen Beitrags zur Entwicklung der Kunstgeschichte hin zu einer strengen Wissenschaft. Im Wiener Milieu, in dem Wissen zwischen den Disziplinen vermittelt wurde, konnte Gombrich sein starkes anthropologisches Interesse in Fragen an das Bildermachen bestens pflegen. Schon früh wandte er sich unter dem Eindruck von Karl Bühler und Ernst Kris, der ihn zur Mitarbeit an einem Buch über die Karikatur einlud, den Problemen der Darstellung und der Wirkung oder „Macht des Bildes“ zu. Der österreichische Emigrant Gombrich nahm dieses Wissen mit in die Wahlheimat London, wo er Erkenntnisse entwickelte, deren Wert der Gehirnforschung (Beitrag von John Onians) schon längst bekannt sind, die aber auch für den zukünftigen kunstwissenschaftlichen Diskurs bahnbrechend sein können. Deshalb war es mir sehr wichtig, das Gombrich-Symposium in Österreich oder Deutschland durchzuführen. Es ist jedoch so, dass weitaus mehr englischsprachige Kolleginnen und Kollegen in Sachen Gombrich zur Verfügung stehen als deutschsprachige. Daher mussten wir die Tagung zweisprachig anlegen, was auch dank der sehr großzügigen Unterstützung durch das Wissenschaftskolleg Greifswald gelang.“ So erklärt Sybille-Karin Moser-Ernst ihr wissenschaftliches Interesse und die Wahl des Tagungsortes. Interessant ist auch die Aktualität des Themas der Tagung: „E.H. Gombrich auf dem Weg zu einer Bildwissenschaft des 21. Jahrhunderts“. In einer Welt, in der (politische) Inhalte weit mehr über Bilder als über Worte vermittelt werden und in der nicht zuletzt auch Karikaturen Aufstände verursachen, ja gefährliche Feuer zwischen den Kulturen entfachen können, ist es wichtig, sich mit diesen Phänomenen auseinander zu setzen. Persönlichkeiten wie Hans Belting, David Carrier oder Werner Hofmann stehen den Tagungsteilnehmern mit ihren Beiträgen zu solch brisanten Fragen zur Verfügung. Der Einfluss Gombrichs auf die Entwicklung der aktuellen Bildwissenschaft liegt daher im Zentrum der Tagung. Es soll gezeigt werden, dass die Wirkung der Arbeiten Gombrichs weit über den westlichen Kulturkreis hinausreicht und die für Gombrich charakteristische Verbindung von bildwissenschaftlicher und politischer Analyse auch Erklärungsansätze für die chinesische Kunst liefern kann (Vortragender Yiqiang Cao von The National Academy of Art in Hangzhou, China).
Weltbürger mit österreichischen Wurzeln
E.H. Gombrich wurde am 30. März 1909 in Wien als Sohn einer zum Protestantismus konvertierten jüdischen Familie des Wiener Bildungsbürgertums geboren. Seine Schul- und einen Großteil seiner Studienzeit verbrachte Gombrich in Wien. 1936 war er gezwungen, Österreich zu verlassen und nach London zu emigrieren, wo er von da ab lebte und arbeitete. Gombrich sprach in seinen letzten Jahren viel von seiner Vaterstadt Wien und wie es gekommen wäre, hätte er in seiner deutschen Muttersprache sein Werk entwickeln können. Die deutsche Sprache, Literatur und Musik bedeuteten ihm zeitlebens besonders viel. Umso mehr führten ihn das eigene Schicksal des Vertriebenen und die Entwicklungen des 20.Jahrhunderts zu den „elementaren ethischen Fragen, so wie zu den Ursachen des menschlichen Entgleisenkönnens aufgrund irregeleiteten Denkens“.
Sir Ernst war der Träger unzähliger wissenschaftlicher und anderer Auszeichnungen und Mitglied gelehrter Gemeinschaften in ganz Europa. In Österreich wurde Gombrich 1975 mit dem Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, 1986 mit dem Preis der Stadt Wien für Geisteswissenschaften und 1988 mit dem Ludwig-Wittgenstein-Preis des FWF geehrt.
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