Neophyten – ein unterschätztes Problem
Neophyten sind in Tirol – ebenso wie in vielen anderen Gebieten der Erde – zu einem festen Bestandteil der Flora geworden. Neben einigen Fremdpflanzen, die eine Bedrohung für die Biodiversität darstellen, sind es insbesondere der Riesenbärenklau und die Beifuß-Ambrosie, die für die menschliche Gesundheit gefährlich sein können und enorme ökonomische Schäden anrichten.
Der Neophyten-Anteil an der Gesamtflora liegt in Tirol bereits bei 22 Prozent und steigt nach wie vor. Nahezu jährlich kommen neue Arten dazu. „Rein statistisch ist jede fünfte Pflanze, die einem unterwegs begegnet, nicht Teil der ursprünglich einheimischen Flora“, sagt Konrad Pagitz vom Institut für Botanik und Neophyten-Beauftragter des Landes Tirol. An siedlungsnahen, stark vom Menschen überformten Standorten, kann der Anteil an Neophyten weit über 50 Prozent ausmachen. Der überwiegende Teil dieser Fremdpflanzen kann sich entweder gar nicht längerfristig im Gebiet halten oder bleibt auf stark durch den Menschen gestörte Plätze beschränkt, hat keine negativen Auswirkungen und kann als Bereicherung der Flora angesehen werden. Einige wenige Neophyten zeigen jedoch stark expansive Ausbreitungstendenzen, bilden Massenvorkommen und dringen in die naturnahe Vegetation ein. Sie werden als Invasive Neophyten bezeichnet und dominieren zur Blütezeit ganze Landstriche. Darüber hinaus haben sie negative Auswirkungen auf Flora und Fauna der betroffenen Standorte. Um ihrer weiteren Verbreitung gegenzusteuern sei eine flächendeckende Aufklärung der Öffentlichkeit nötig, so Pagitz. Aus diesem Grund organisierte das Institut für Botanik am 29. September in Kooperation mit dem Amt der Tiroler Landesregierung / Abteilung Umweltschutz und den ÖBB ein Seminar zum Thema „Neophyten – ein unterschätztes Problem“. Auch die aktuelle und künftige Vorgangsweise bei der Bekämpfung von Neophyten wurden bei der Veranstaltung von Experten diskutiert.
Verlust der Artenvielfalt
Neobioten, also nicht heimische Tier- und Pflanzenarten, gelten weltweit als zweitwichtigster Faktor für Diversitätsverlust. Für Tirol sind hier besonders die Kanadische-Goldrute und die Riesen-Goldrute (Solidago canadensis u. S. gigantea), das Indische Springkraut (Impatiens glandulifera) sowie der Japan-, Sachalin- und Bastard-Staudenknöterich (Fallopia ssp.) zu nennen. Ebenfalls starke Ausbreitungstendenz zeigt der als Zierpflanze so beliebte Sommerflieder (Buddleja davidii).
Der Riesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium), der aufgrund seiner phototoxischen Inhaltsstoffe schwerwiegende Hautverbrennungen hervorrufen kann, ist in Tirol ebenfalls keine Seltenheit mehr. Er verdankt seine Verbreitung nicht zuletzt seiner Beliebtheit als Bienenweide.
Größter Ragweed-Bestand in Tirol gestern entdeckt
Nicht aktiv durch den Menschen verbreitet ist die auch als Ragweed bekannte Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia), die hochallergen ist und allein in Mitteleuropa bereits dutzende Millionen Euro an Kosten für das Gesundheitswesen verursacht. Sie tritt in Tirol seit mehr als hundert Jahren vereinzelt auf, erst in letzter Zeit nehmen die Vorkommen zu. An manchen Stellen hat die Ambrosie bereits größere Bestände gebildet. – Erst gestern wurde westlich von Telfs der bisher größte Beifußambrosia-Bestand Tirols entdeckt. – Die Beifuß-Ambrosie ist in Tirol aber noch nicht etabliert und auf permanente Neueinschleppung zum Beispiel durch Vogelfutter angewiesen. Um künftig schwere gesundheitliche Folgen und ökonomische Schäden in Millionenhöhe zu vermeiden, ist eine Aufklärung der Bevölkerung wichtig. Nur so können allfällige Initialstadien in Privatgärten entfernt werden.
Laufende Überwachung
Die Vorkommen des Riesen-Bärenklau werden in Tirol seit drei Jahren im Auftrag der Umweltabteilung des Landes Tirol reguliert, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern bzw. die Art aus Tirol zurückzudrängen. Neben Privatpersonen führt insbesondere die Bergwacht Entfernungen vor Ort aus. Ebenso wichtig ist die Bestandsregulierung der Beifuß-Ambrosie, für die Hinweise aus der Bevölkerung essenziell sind. Gemeldete Standorte der Beifuß-Ambrosie werden geprüft, da Bestände ehestmöglich entfernt werden müssen, um eine Etablierung in Tirol und die damit verbundenen schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen möglichst lange abzuwenden.
Weitere Maßnahmen nötig
Gegen die ökologischen Problemneophyten mit Auswirkungen auf Umwelt und Diversität gibt es derzeit nur punktuelle Maßnahmen an bestehenden Standorten. Sie werden künftig bei neuen Bauvorhaben jedoch mitberücksichtigt und fließen in Form von Auflagen in Genehmigungsverfahren ein. Ein verbindliches Regelwerk, das den Umgang mit Problemneophyten für Tirol festlegt, steht noch aus.
Einstweilen stellt das Institut für Botanik Merkblätter zu Invasiven Neophyten zur Verfügung. Sie stehen ab nächster Woche auf der Homepage des Instiuts für Botanik zum Download bereit. Ansprechstellen in Neophytenfragen sind die Abteilung Umweltschutz der Tiroler Landesregierung und das Institut für Botanik der Universität Innsbruck, aber auch die Tiroler Bergwacht.
Fotos zur Aussendung unter: https://www.uibk.ac.at/public-relations/presse/medienservice/index.html#pa105
Link Institut für Botanik: http://botany.uibk.ac.at/
Rückfragehinweis
Ass.-Prof. Mag.Dr. Konrad Pagitz
Neophyten-Beauftragter des Landes Tirol
Institut für Botanik
Universität Innsbruck
Tel.: +43 (0)512 507 5959
E-Mail: Konrad.Pagitz@uibk.ac.at