Tiroler Ausstellung „Cella“ in Rom mit Polizeigewalt geschlossen

Gestern Vormittag wurde der Projektkünstler Flatz auf Anordnung des Italienischen Kulturministeriums mit Polizeigewalt aus den Räumen des Complesso Monumentale die San Michele a Ripa Grande im römischen Stadtteil Trastevere entfernt. Darüber hinaus wurde die Ausstellung, die nun bereits seit zwei Wochen sehr erfolgreich läuft, behördlich geschlossen. Organisator und Kurator Univ.-Prof. Dr. Christoph Bertsch vom Institut für Kunstgeschichte der Universität Innsbruck wurde aufgefordert, die Räume binnen zwei Tagen zu räumen.

 

Hintergrund für diese massive Intervention der italienischen Behörden ist die Tatsache, dass das Konzept von Flatz beinhaltet, die ihm zugewiesene Zelle über die gesamten drei Wochen der Ausstellung ganztägig zu bewohnen und die Zeit dazu zu nützen, diesen Raum auch künstlerisch zu gestalten. Die italienischen Behörden hatten dies aus Sicherheitsgründen untersagt. „Es war das Konzept von Flatz, sich rund um die Uhr in diesem Raum aufzuhalten. Er hat dafür auch die Verantwortung für allfällige Schäden und Beeinträchtigungen seiner Gesundheit übernommen. Zwei Wochen lang war dies kein Problem und nun wurden wir am Beginn der dritten und letzten Woche mit dieser massiven Intervention seitens des italienischen Staates konfrontiert“, erklärt der Kurator und Ausstellungsleiter Christoph Bertsch. „Nun stehen wir vor dem Problem, dass die bisher überaus erfolgreiche Ausstellung geschlossen wurde und wir innerhalb von zwei Tagen alles abbauen sollen. Das ist nicht möglich, weil es sich teilweise um hoch versicherte Exponate handelt und ein ordnungsgemäßer Abbau bzw. Rücktransport nicht so kurzfristig organisiert werden kann“, so Bertsch weiter.

 

Tiroler Projekt im Rahmen von „Geschichte trifft Zukunft“

Als Teil des Programms „Geschichte trifft Zukunft 1809/ 2009“ des Landes Tirol wurde unter der Gesamtleitung von Prof. Christoph Bertsch vom Institut für Kunstgeschichte und Silvia Höller eine Ausstellung konzipiert, die am 5. November im Complesso Monumentale die San Michele a Ripa Grande in Rom eröffnet wurde. Der Gebäudekomplex im Stadtteil Trastevere wurde in zentralen Teilen von Carlo Fontana in den Jahren 1686 – 1715 unter den Päpsten Innozenz XI, Innozenz XII und Clemens XI errichtet. Das Gebäude ist weltweit der erste Gefängnisbau, der mit einer Zellenstruktur arbeitet. Als Erziehungsanstalt für Jugendliche konzipiert, diente der Bau über die Jahrhunderte hinweg bis 1972 stets dem Aspekt der Ausgrenzung oder Überwachung. Heute befindet sich der Complesso Monumentale nicht mehr im Besitz des Vatikans. 1999 wurde er vom italienischen Kultusministerium renoviert und steht seitdem für diverse Kulturveranstaltungen zur Verfügung. Möglich gemacht wurde das Projekt durch die Unterstützung zahlreicher Sponsoren, allen voran des Hauptsponsors Hypo Tirol Bank und des Landes Tirol. Dieses fördert das Projekt „cella“ als Sonderprojekt im Rahmen des Programms zum Gedenkjahr Geschichte trifft Zukunft 1809/2009.

 

Verschiedene Blickwinkel

Vom 05. November bis 5. Dezember 2009 wollten die Künstler in den einzelnen Zellen und dem Refektorium des Complesso Monumentale ihre Arbeiten präsentieren. Dabei steht nicht die mediale Ausdrucksform im Mittelpunkt sondern der inhaltliche Aspekt. Videos, Fotoarbeiten und Installationen werden ebenso zu finden sein wie skulpturale Werke, Malerei und Grafik. Die ausgestellten Arbeiten von Pipilotti Rist, Matthew Barney, Jannis Kounellis, Giuseppe Penone, Gerwald Rockenschaub und anderen sind zum größten Teil eigens für die Ausstellung entstanden. „Der Inhalt der Ausstellung ist dabei aber nicht ein rein politischer, neben Themen wie Überwachung, Ausgrenzung und Haft wird die Zelle auch als Rückzugsort oder aus religiöser Sicht interpretiert. Diese Spannbreite des Themas abzubilden, ist Teil des Konzeptes der Ausstellung“, erklärt Bertsch.

 

Spannender Workshop zum Thema

Parallel zum künstlerischen Ansatzpunkt werden sich von 21. – 23. Jänner 21 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen bei einem Workshops in Innsbruck mit dem Thema der „cella“ beschäftigen. „Bei dem Workshop wird auch der größte Teil der Künstler anwesend sein. Durch diesen massiven Eingriff in die Freiheit der Kunst gewinnt er zusätzlich an Bedeutung“, erklärt Bertsch.

 

 

Rückfragehinweis:

Mag. Uwe Steger
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