Rezeption des Rundfunks in den österreichischen Printmedien: Eine Analyse zeitgenössischer Periodika aus der Anfangszeit des Radios (1924-1934)
Johanna Walcher
Ausgehend von der Frage nach der Rezeption des neuen Mediums Radio in den österreichischen Printmedien der Zeit, zeigt sich der Rundfunk aus unterschiedlichsten Sichten und Themenzusammenhängen äußerst rege diskutiert. Mit einem Verständnis von Mediendiskursen „als prominente Orte gesellschaftlicher Selbstbeschreibungen“ (Schneider, Spangenberg 2002, S. 16) und der Annahme, dass „Medien Diskurse nicht nur (mit) organisieren, sondern zugleich auch privilegierte Themen, Motive und Gegenstände von Diskursen sind“ (Stauff 2005, S. 127), bieten die in dieser Zeit veröffentlichten Pressetexte zum Rundfunk wertvolle Einblicke in dessen Prozess der Etablierung, der damit verbundenen Medienkritik und allgemeinen Stimmung zu Medienwandel bzw. -revolution (dazu u.a. Kümmel et al. 2004). Teil des Analysekorpus sind Publikationen aus ausgewählten österreichischen Tages- bzw. Wochenzeitungen und Radio-Zeitschriften. Sie werden auf Basis eines medienhistorischen Zugangs und Fragen der Mediendiskurs- und Medienkulturgeschichte (u.a. in Anlehnung an Garncarz 2016; Faulstich 2012) untersucht.
Die Analyse nimmt einerseits Fragen nach der gesellschaftlichen Relevanz und Etablierung des Radios im Alltag der Menschen in den Blick, weiter die Beziehungen des Radios zu den bereits etablierten Medien. Darin entfalten sich Diskurse rund um Öffnung und Abgrenzungen, gegenseitige Nützlichkeit und Konkurrenz, den wünschenswerten Einsatz des Rundfunks und Vorstellungen der kulturellen Dekadenz und des Technikoptimismus. Medienkonkurrenz und Intermedialitätsdebatten als ein Interagieren und Konkurrieren von Medien und Künsten (Müller 2009; Garncarz 2009) werden in diesem Zusammenhang diskutiert. Überdies sind formale Aspekte der Rezeption wie Darstellungs- und Textformen in den Zeitungen Teil der Auseinandersetzung.
Das Ringen um Verfügungshoheit über den Rundfunk zeigt die darin eingeflochtenen Machtverhältnisse, die aus diskursanalytischer Perspektive reflektiert werden (Stauff 2005; Foucault 1992). Mit Konzepten des Medienwandels, insbesondere den Vorstellungen von Medienevolution versus -revolution (u.a. Ribeiro 2015; Balbi 2015; Rusch 2007; Garncarz 2016), stellt sich die Frage, zu welcher Einordnung das Aufkommen des Radios hinsichtlich dessen Diskursivierung in der Presse tendiert. Bezugspunkte zeitgenössischer Forschung sind unter anderem die empirische Ravag-Studie von Paul Felix Lazarsfeld aus dem Jahr 1932 (Desmond 1996) sowie die etwas später entstandenen ästhetischen Analysen zum Radio von Theodor W. Adorno („Current of Music“). Darüber hinaus werden die Beobachtungen aus den Pressediskursen in Kontext und Diskussion zu wesentlichen medientheoretischen Konzepten der Zeit (wie von Bertolt Brecht, Walter Benjamin, Rudolf Arnheim) gesetzt.