Grabung in der Giarnera Piccola
(1999, 2001-heute)
Parallel zu den Ausgrabungen am Colle Serpente
führte das Institut für
Klassische und Provinzialrömische Archäologie der Universität Innsbruck
nach
einer geomagnetischen Prospektion durch Dr. J. Fassbänder vom
Bayerischen
Amt für Denkmalpflege bisher fünf Grabungskampagnen auf den Feldern der “Giarnera Piccola” durch. Das weitläufige Gelände der
Masseria
Giarnera Piccola gehört zu den bedeutendsten Fundplätzen des daunischen
Ascoli, wobei Streufunde sowohl auf eine der wahrscheinlich größten
Nekropolen
des Gebietes als auch auf eine Siedlungszone schließen lassen.
Abb. 1: Ansicht Giarnera Piccola
Grabungskampagnen Giarnera Piccola
27.9. bis 15.10. 1999
10.9. bis 29.9. 2001
14.9. bis 11.10. 2002
7.9. bis 27.9.2003
29.8. bis 18.9.2004
5.9. bis 24.9.2005
27.8. bis 23.9.2007
10.9. bis 28.9.2008
In
dem siebenbändigen Werk von Pasquale Rosario wird die Giarnera Piccola
neben anderen Stellen als ein Ort genannt, an dem man Mauern und Häuser
beobachten konnte. Bereits im 19. Jahrhundert dürften durch die
Feldarbeit eher zufällig auch viele Grabfunde ans Tageslicht gekommen
sein. Mit steigendem Interesse an gewinnbringenden, meist apulischen Vasen
wurden wohl in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Abhänge der
ascolotischen Hügel
Nach
den Erkenntnissen durch die Survey-Untersuchungen der Universität Bologna
in den Jahren 1990-1991 waren die Gebiete an den Abhängen seit dem 6.
Jahrhundert v. Chr. sowohl bewohnt und als Begräbnisplätze genutzt und
wurden zwischen der Mitte des 4.Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 3.
Jahrhunderts v. Chr. verlassen. Die Teile der daunischen Bevölkerung, die
dort lebten, waren einerseits Handwerker, die unter Nutzung des
anstehenden Lehms die lokale Keramik produzierten und andererseits
Ackerbauer, die die weiten, sanft abfallenden Flächen für den Anbau
nutzten. Zeugnisse dafür sind entsprechende Oberflächenfunde wie die für
Ascoli typischen pentagonalen Antefixe, Unmengen an Dachziegeln,
Gebrauchskeramik, große Vorratgefäße, zahllose Webgewichte und
Fragmente von Mühlsteinen aller Größen. In ebensolcher Weise sind die
Gräber an der Oberfläche durch subgeometrisch daunische Ware aller
Phasen, durch apulische Fragmente oder schwarze Glanztonware dokumentiert.
Vielleicht sind die Hangsiedlungen auch als Vorposten für die Hügelkuppen
anzusehen.
Mit
der Anlage des neuen Ausculum der hellenistisch–römischen Zeit im
Bereich zwischen den Hügeln Serpente, Castello und Pompei, spätestens
gegen die Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. muss man mit einer vollständigen
Auflösung aller Siedlungsgruppen der Hügelabhänge rechnen und in der
Folge mit einer rein landwirtschaftlichen Nutzung zur Versorgung der
„neuen“ Stadt. Die bisherigen Grabfunde in der Giarnera Piccola lassen
noch keine über den
Grabfunde:
Bei Beginn der ersten Grabungskampagne in der Giarnera Piccola war die Erwartungshaltung zunächst ausschließlich auf Grabfunde ausgerichtet. In den vergangenen Jahren der Forschung kamen über 50 Gräber aus der Zeit zwischen dem 7. und 4. Jh. v. Chr. zu Tage. Der Hauptanteil der Gräber waren Fossa-Gräber, daneben fünf Grotticella-Gräber (Erdkammergräber), von denen sehr viele bereits beraubt waren. Aber dennoch lassen sich auch aus den ausgeraubten Anlagen ebenso wie natürlich aus den intakten Bestattungen wertvolle Rückschlüsse für ein Gesamtbild des Wechsels zwischen Gräbern und Siedlungsstrukturen gewinnen. Auch die Entwicklung der Grabbräuche von flachen, oberflächlichen Gruben mit geringem Inventar des 7.Jhs.v.Chr., über die aus mehreren Platten bestehenden, massiven Bedeckungen des 6. und 5.Jhs.v.Chr. bis zu tiefgelegten Grabgruben mit quantitativ, teilweise auch qualitativ reichen Beigaben und ein bis zwei Deckplatten des 4.Jhs.v.Chr. wurde mit den Funden in der Giarnera fassbar. Bisher waren vier Gräber dem 7.Jh.v.Chr. und höchstens drei Gräber dem 6.Jh.v.Chr. zuzuweisen. Die überwiegende Anzahl von Bestattungen, ob intakt oder ausgeraubt, gehören dem Zeitraum zwischen 5.Jh. und Ende des 4.Jhs.v.Chr. an.
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Abb.
2: mit Steinen ausgekleidete Grabgrube des 7.Jhs.v.Chr. (Grab 2/09) |
Abb.
3: Inventar von Grab 2/09: protodaunische Olla, handgeformter Napf und
Bronzefibel |
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Abb.
4: Inventar von Grab 1/10 des 6.Jhs.v.Chr.: daunische Olla, zwei Schöpftassen
und ein Kännchen der Phase subgeometrisch daunisch II |
Abb.
5: Fossagrab mit Deckplatte, Steinen zur Befestigung und Steinkranz (Grab
1/02) |
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Abb.
6: Inventar des 5.Jhs.v.Chr. (Grab 3/09) |
Abb.
7: Inventar des 4.Jhs.v.Chr. (Grab 5/04) |
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Abb.
8: ausgeraubtes Erdkammergrab mit Rest der Beigaben (Grab 7/05) |
Strukturelle Befunde:
Die Evidenz der Oberflächenfunde und die eher vagen Aussagen über „Häuser“ wurden schließlich in der dritten Kampagne im Jahr 2003 durch eindeutige Siedlungsbefunde mit der Fundamentlage einer Mauer im Zentralbereich der Grabungsfläche bestätigt. Diverse Ziegelverstürze, Kieselrollierungen, Reste von Abflussanlagen und Funde von Gebrauchskeramik und Webgewichten bestätigten die Funktion dieser Struktur (Haus 1-ältere Phase, Haus 4-jüngere Phase). Als Zugang zu dieser Struktur und als Hangsicherung diente ein serpentinenförmig angelegter Weg aus Flusskieseln. Auf Grund vielfältiger Störungen durch Baggerschneisen von Raubgräbern sind die Befunde schlecht erhalten und schwer zu erkennen. |
Abb.
9: Mauerzug im zentralen Bereich |
Ab
2006 wurde die Grabungsfläche stark nach Süden( Parzelle 546) erweitert,
wo sich ein großer Gesamtkomplex von Gebäuden, mehreren Pflasterwegen
aus Flusskieseln und Gräbern aufdecken ließ. Die Gemeinde von Ascoli
Satriano erwarb im Jahr 2008 dankenswerterweise zwei Hektar dieser Ackerfläche
und erleicherte unsere Forschungen damit wesentlich.
Hangabwärts,
also unterhalb der Häuser 10 und 11 konnte 2010 eine eindrucksvolle Mauer
in der Fundamentlage freigelegt werden, die bisher eine Länge von 29 m
und nach einem rechtwinkligen Knick weitere ca.5, 5 m aufweist und einen
leicht bogenförmigen Verlauf hat. Im südlichen Profil setzt sich die
Mauer noch fort. Im Bereich des wohl ältesten Abschnittes der Mauer im Süden
wurden zwei Opfermulden entdeckt, von denen eine Keramikmaterial des
7.Jhs.v.Chr. enthielt.
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Abb.
10: Gesamtbild von Areal G (südliche Zone) mit Kieselpflastern
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Abb.
11: Haus 8 (ältere Phase)
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Abb.
12: Haus 11
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Abb.
13: Stützmauer von Haus 11
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Abb.
14: Hangmauer mit Opfergruben |
In
dem südlichen Bereich der Grabungsfläche (Abschnitte G – J) kamen
insgesamt drei Pflasterwege zu Tage, die jeweils in Rhomben und Fischgrätmustern
verlegt waren (317, 369 und 391). Die erste, aus vier Teilen bestehende
Pflasterung (teilweise in der Antike entfernt) wies zwei definierte Enden
auf und verlief auf drei Seiten um das sog.Haus 8 und umschloss darüberhinaus
die ausgeraubte Grabanlage 1/08. Fast parallel zu dieser verlief eine
Kieselpflasterung, die nach einer Verbreiterung auf Grab 5/07 zustrebte
und die im Nordosten in einer kleinen Abzweigung mit eingebauten Steinen
endete.
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Abb. 15: Kieselpflaster 317, erster Abschnitt |
Abb.
16: Kieselpflaster 391 mit Ziegelversturz
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Abb.
17: Kieselpflaster 391 nach Entfernung der Ziegel, sog. Prozessionstraße
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Abb.
18: hypothetische Rekonstruktion eines daunischen Daches
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Die
als Prozessionsweg zu bezeichnende Pflasterung 391 mündete in einen
Schacht, in dem in ca. 3,5 m Tiefe 2007 das
aussergewöhnliche Erdkammergrab 5/07 identifiziert wurde. Das zwar
eingestürzte, aber nicht beraubte Grab enthielt ein überaus reiches
Inventar, bestehend aus 130 Objekten, davon 26 apulisch rotfigurigen
Vasen, einer großen Anzahl von Gnathia-Ware und schwarzer
Glanzton-Keramik neben daunischen Gefäßen, einem Bronzebecken,
Silberfibeln, einer Kette aus Glasflussperlen, einer Lanzenspitze und zwei
Bronzegürteln. Der Reichtum der Beigaben und teilweise ihre hohe Qualität
lassen den Schluß zu, daß es sich dabei um Bestattungen von Angehörigen
einer hochstehenden Familie wie der eines Clanführers handelt.
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Abb. 19: Grab 5/07, erstes Niveau der Beigaben
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Abb.
20: Grab 5/07, apulisch rotfigurige Vasen
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Abb.
21: Grab 5/07, schwarze Glanztonkeramik |
Abb.
22: Silberfibel |
Dieser
singuläre Grabfund datiert nicht nur die Gesamtanlage in die zweite Hälfte
des 4.Jahrhunderts v. Chr., sondern erklärt auch die wahrscheinliche
Funktion derselben als ein Zeremonialzentrum für den Totenkult. Eine
daunische Grabanlage des Erdkammertyps solchen Ausmaßes wurde bisher im
Zuge von offiziellen Grabungen in Ascoli Satriano noch nicht zu Tage gefördert.
Im
Verlauf der endgültigen Freilegung von Grab 5/07 im Jahre 2008 konnte der
Dromos als sehr steil und nicht achsial zur Kammer hin verlaufend,
definiert werden. Die Erdkammer erwies sich als zur Gänze eingestürzt
und war damit in ihrer Form nicht mehr bestimmbar.