Dem Nickelanstieg auf den Grund gehen
243 Mikrogramm (µg) Nickel pro Liter maß ein interdisziplinäres Innsbrucker Forschungsteam im Jahr 2005 bei einer Probenentnahme im Rasass-See – die Grenze für Trinkwasser liegt bei 20 µg pro Liter. Zwar ist diese extrem hohe Konzentration nicht die Regel, eine deutliche Zunahme von Nickel konnte damals jedoch von Prof. Dr. Karl Krainer, Mag. Dr. Ulrike Nickus und Dr. Hansjörg Thies in zahlreichen Quellen und Gebirgsseen beobachtet werden. „Bereits 2005 zeigten Messungen meiner Kollegen deutlich erhöhte Werte“, erläutert Karin Koinig. „Die Ursache dafür ist allerdings noch ungeklärt, obwohl der Anstieg teilweise toxische Ausmaße erreicht.“ Insbesondere die Frage, ob natürliche oder hauptsächlich anthropogene Prozesse dafür verantwortlich sind, wird das Team rund um Koinig in den kommenden Jahren im Rahmen des von der Autonomen Provinz Bozen geförderten Projekts „Nickel Control“ beschäftigen.
Sedimentanalyse ermöglicht Blick zurück
Herzstück des Projekts ist die Analyse von Sediment-Bohrkernen: Diese geben unter anderem Aufschluss über den Nickelgehalt in den vergangenen 10.000 Jahren und in welcher Beziehung dieser mit Kälte- beziehungsweise Wärmeperioden steht. „Derzeit schmelzen durch die Erwärmung Blockgletscher und Permafrostböden. Eine Überlegung ist, dass Nickel und andere Metalle durch den Schmelzvorgang in die Gewässer mit eingetragen werden. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, sich die Nickeleinträge in vergleichbaren historischen Wärmeperioden anzuschauen und mit den aktuellen zu vergleichen“, verdeutlicht die Wissenschaftlerin. „Wenn es sich um einen natürlichen Prozess handelt, müsste man ähnlich hohe Konzentrationen in älteren Schichten sehen. Wenn der Anstieg hingegen hauptsächlich anthropogen verursacht wird, zum Beispiel durch Luftverschmutzung, dann sollten in älteren Schichten keine derartig hohen Metalleinträge zu finden sein,“ erläutert sie weiter. Ein besonders interessanter Vergleichszeitraum ist eine Wärmeperiode, die 8.000 bis 5.000 Jahre zurückliegt und der aktuellen Erwärmung ähnlich ist.
Aufwändige Bearbeitung
Den sogenannten Langkern wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im kommenden Sommer aus dem Rasass-See entnehmen. „Der Bohrkern wird mit einem runden Plastikrohr vom Seegrund entnommen und wird in unserem Fall vermutlich rund 150 cm lang sein. Er wird in 1 cm dicke Stücke geschnitten. Wir verwenden eine Kombination von geochemischen, mineralogischen und biologischen Analysen; je nach Analyseart müssen die Proben unterschiedlich weiterverarbeitet werden“, schildert Koinig den aufwändigen Prozess, der auch in einem weiteren, von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften geförderten Forschungsvorhaben zum Einsatz kommt: Im Projekt MELTING geht es nicht nur um den Anstieg der Metallkonzentration, sondern auch um die Auswirkung auf die betroffenen aquatischen Ökosysteme, insbesondere auf Wasserlebewesen (Algen, Insekten, Fische).
Im Rahmen eines FWF-Projektes, in dessen Mittelpunkt der Schwarzsee ob Sölden steht, haben die Wissenschaftler bereits erste Erkenntnisse gewonnen: „Wir haben vom Schwarzsee schon einen 10.000 Jahre alten Kern, der nahelegt, dass auch rein natürliche Metalleinträge auftreten können. Allerdings weist der Schwarzsee im Vergleich zum Rasass See viel geringere Metallkonzentrationen auf. Der Rasass-See verspricht in dieser Hinsicht sicherere Ergebnisse“, sagt Koinig. Neben der Frage nach den Ursachen sind auch die zu erwartenden Folgen auf Gewässer, die aus dem Ausrinn des Sees gespeist werden, im Mittelpunkt des Projekts. – Nicht zuletzt betrifft der hohe Nickelanstieg in manchen Gebieten auch die Trinkwasserversorgung.