„James Bond“ aus Tirol
In seiner zeitgeschichtlichen Diplomarbeit wollte Peter Wallgram seine beiden Interessen Geschichte und Spanisch verbinden. Im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes wurde
er auf einen Tiroler aufmerksam, der 1937 auf der Seite der Spanischen
Republik gekämpft hatte. Zu diesem gab es nur ein paar Zettel mit
dürftigen Informationen, doch sein Forscherdrang war geweckt worden. Ein
Journalist, der über die britische Special Operations Executive (SOE)
arbeitete, konnte ihm weitere Hinweise geben, und Recherchen in Wien
und London sowie erhaltenen Dokumente in Familienbesitz ergaben eine
faszinierende Lebensgeschichte:
Hubert Mayr, Sohn eines streng
katholischen Vaters, war in seinen Lehrjahren in Deutschland mit
sozialdemokratischem Gedankengut in Berührung gekommen und betätigte
sich nach seiner Rückkehr nach Tirol für die 1934 in die Illegalität
gedrängte Sozialistische Arbeiterpartei. Wegen dieser Aktivitäten
kurzfristig inhaftiert, ging er – aus politischen Motiven und da er nach
der Haft keine Arbeit mehr gefunden hatte – 1937 nach Spanien, wo er
als Interbrigadist auf Seiten der legalen Regierung gegen die
aufständischen Generäle kämpfte. Vor dem Sieg Francos floh er im Februar
1939 nach Frankreich und wurde dort unter unbeschreiblichen Bedingungen
interniert. Beim Angriff der Wehrmacht im Mai 1940 unterstützt er
Frankreichs Verteidigungsanstrengungen in einer Arbeitskompanie, nach
der Niederlage gelang ihm die Flucht nach Algerien, wo er seinen Beruf
als Gärtner ausüben konnte. Nachdem die Alliierten 1942 in Nordafrika
gelandet waren, stellte sich Mayr den Briten im Kampf gegen die
Achsenmächte zur Verfügung.
Bei einem Kommandounternehmen gegen
die Wehrmacht in Hammamet (Tunesien) wurde Mayr gefangengenommen und von
Deutschen – die ihn offenbar nicht enttarnt hatten – anschließend in
Italien interniert. Nach der Landung amerikanischer und britischer
Truppen im September 1943 südlich von Neapel gelang es ihm offenbar, aus
dem Gefangenenlager auszubrechen und sich zu den Alliierten
durchzuschlagen. Und nun wurde er der „Austrian Section“ in der Special Operations Executive –
dem „most secret service“ (M. R. D. Foot) – zugeteilt. Mit dem
Fallschirm über von italienischen Partisanen gehaltenem Gebiet
abgesprungen sollte lieutenant Mayr unter dem Decknamen Jean
Georgeau mit seinem Kommando in seine alte Heimat vordringen, die
Bedingungen erkunden und den Widerstand organisieren. Doch die SOE
verfügte kaum über Erkenntnisse über die Lage in der Ostmark und Mayr
ging von falschen Voraussetzungen aus: Er glaubte, so wie 1809 würden
sich seine Landsleute gegen Fremdherrschaft erheben ...
Seine
Gruppe wurde entdeckt, seine Männer verhaftet oder erschossen. Hubert
Mayr selbst – Demokrat, Sozialist und Freiheitskämpfer – ist seit der
Jahreswende 1944/45 verschollen. Sein Vater übrigens, der dem
NS-Kreisleiter in aller Öffentlichkeit mitgeteilt hatte, er lasse seine
Kinder aus religiösen Gründen nicht zur Hitlerjugend gehen, war ins
Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt worden und dort bereits
1940 zugrunde gegangen. Hubert Mayr, dessen Kampf für Freiheit, für
Sozialismus und Demokratie in Spanien, Frankreich und Österreich durch
diese Diplomarbeit rekonstruiert wurde, wird am Freitag, 11. Februar
2011, im Tiroler Landhaus im Auftrag des Bundespräsidenten posthum das Ehrenzeichen für Verdienste um die
Befreiung Österreichs verliehen.