EU-Sanktionen im Fokus

Wie wirksam sind Sanktionen der Europäischen Union? Diese Frage zieht nicht erst seit den Sanktionen der EU gegen Russland viel Aufmerksamkeit auf sich.Dr. Clara Portela von der Singapore Management University befasst sich als Expertin für EU-Außenpolitik mit Sanktionen. Im Rahmen einer Hypo Tirol Bank-Gastprofessur forschte sie nun zwei Monate am Institut für Politikwissenschaft.
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Der Sanktionspolitik der Europäischen Union soll in der sozial- und politikwissenschaftlichen Forschung mehr Platz eingeräumt werden. Foto: istockphoto.com

Politische, wirtschaftliche oder militärische Sanktionen sind ein häufig eingesetztes außenpolitisches Handelsinstrument und prägen den gesellschaftspolitischen Diskurs auch gegenwärtig sehr stark mit. Die Erforschung dieser Maßnahmen spielte in den Politik- und Sozialwissenschaften bislang aber – überraschenderweise - eine eher untergeordnete Rolle. Deutlicher Schwerpunkt lag und liegt auf Sanktionen, die von den USA oder der UNO verhängt werden. „Eine fundierte Analyse der Sanktionspolitik der Europäischen Union hat bisher kaum stattgefunden“, betont Dr. Clara Portela. Die Politikwissenschaftlerin ist Expertin auf dem Gebiet der Europäischen Außenpolitik und beschäftigt sich seit mehreren Jahren intensiv mit dem Sanktionsregime der EU.
Bereits in ihrer Promotion 2008 und der damit verbundenen Publikation ihrer Untersuchungen zwei Jahre später setzte sich Portela mit EU-Sanktionen auseinander. Die zentrale Forschungsfrage lautete dabei, wie und warum die Sanktionen der Europäischen Union funktionieren – oder auch nicht. „Bis 2010 können die Sanktionen der EU allgemein als eher schwach umschrieben werden“, erklärt Portela. „Natürlich wurden regelmäßig Sanktionen verhängt, sie bestanden häufig aus Waffenembargos und waren meistens nicht sehr effektiv, zumindest nicht in den betroffenen Staaten selbst“. Effektivität sieht Portela auch nicht als Hauptmotivation für die Sanktionspolitik der EU vor 2010. „Mehr als 90 Prozent der Sanktionen wurden verhängt, um auf Menschenrechtsverletzungen oder demokratische Krisen zu reagieren. Sie äußerten sich durch die Verhängung von Einreiseverboten, waren also keine ökonomischen Sanktionen. Vielmehr sind sie als Erklärung von Verantwortlichen in Drittstaaten zu personae non gratae zu deuten ". Sicherheitspolitische Überlegungen standen meistens nicht im Vordergrund, vielmehr ging es um eine Positionierung, um die Bildung einer externen Identität: „Die EU möchte sich als Vereinigung verstanden wissen, die international für Werte der Demokratie und die Wahrung der Menschenrechte eintritt", verdeutlicht die Politikwissenschaftlerin. „Diese Anliegen sollten die 'schwachen' Sanktionen signalisieren, eine Veränderungen der Bedingungen in den Drittstaaten, trat dadurch aber nicht ein". Als Beispiel nennt Portela etwa die EU-Sanktionen gegen die politische Führung in Simbabwe ab 2002, Weißrussland, Sudan, Myanmar oder China. Häufig sollten sie auch Solidarität mit den USA zum Ausdruck bringen.

Neue Ära seit 2010

Die Sanktionsmaßnahmen angesichts des Konflikts mit dem Iran, der rund um die Frage des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen im Jahr 2010 seinen Höhepunkt erreichte, sieht die Politikwissenschaftlerin als Wendepunkt in der Sanktionspolitik der EU. Die Iran-Krise galt aufgrund der Gefährdung des Friedens im Nahen Osten als internationales Sicherheitsrisiko und brachte dementsprechende Reaktionen der USA mit sich, denen sich auch die Europäische Union weitgehend anschloss. „Natürlich spielte auch der Druck vonseiten der USA eine Rolle, dennoch sah die EU angesichts der globalen Gefährdung durch mögliche Nuklearwaffen des Irans nun die Notwendigkeit gekommen, sich nicht nur zu positionieren, sondern auch die Wirksamkeit ihrer Maßnahmen zu steigern – und verhängte wirtschaftliche Sanktionen", sagt Portela. Ziel dieser wirtschaftlichen Sanktionen gegen den Iran war die Verhinderung einer kriegerischen Auseinandersetzung „Ich würde diese Sanktionen als effizient einstufen, da sie zur Wahl eines neuen Regierungschefs im Iran beigetragen haben, der zu Verhandlungen bereit war und ist“, ergänzt Clara Portela. Die Wende ist auch an den Sanktionen gegen die Elfenbeinküste 2011 und an den gegenwärtigen Sanktionen gegen Syrien ersichtlich.

 28 „Ja-Stimmen“

Die Europäische Union beschließt Sanktionen gegen andere Staaten auf Basis eines einstimmigen Beschlusses des Rats im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik (GASP). Mit den aktuell 28 Mitgliedsstaaten und der Notwendigkeit eines einstimmigen Beschlusses zur Einsetzung von Sanktionen könne die EU nun viel geschlossener auftreten, ist Clara Portela überzeugt: „Das belegen zum Beispiel die aktuellen Sanktionen gegen Russland, die ökonomischer Natur sind und massive wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen. Im Vergleich zum Einschreiten der EU in der Tschetschenien-Krise 1999 zeigen die aktuellen Sanktionen wesentlich stärkere Auswirkungen als damals“. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Sanktionspolitik der EU sieht Clara Portela auch künftig als wichtiges Thema der EU Außenpolitikforschung.
Den von der Hypo Tirol-Bank ermöglichten 8-wöchigen Gastaufenthalt am Innsbrucker Institut für Politikwissenschaft nutzte Portela auch für einen intensiven Austausch mit dem EU-Forscher Prof. Andreas Maurer und der Doktorandin Mag. Martina Fürrutter im Hinblick auf mögliche gemeinsame Projekte. Damit möchte die Politikwissenschaftlerin gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen auch in Zukunft Impulse für das Vorantreiben einer fundierten sozial- und politikwissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Sanktionspolitik der Europäischen Union setzen.

Dr. Clara Portela ist seit 2008 Assistenzprofessorin für Politikwissenschaft an der Singapore Management University, ihren PhD in Politikwissenschaft absolvierte sie am European University Institute in Florenz und schloss davor das Masterstudium an der Freien Universität zu Berlin ab. Sie ist Trägerin des THESEUS Award for Promising Research on European Research aus dem Jahr 2011 und Autorin der Monographie „European Union Sanctions and Foreign Policy“. Die Forschungsarbeit von Portela zeichnet sich durch zahlreiche Gastaufenthalte an Universitäten aus aller Welt aus, wie etwa Frankreich, Belgien, Australien, Kanada, Deutschland und nun zuletzt auch Österreich.