Literaturhaus am Inn

Programm November–Dezember 1997


Editorial
Die Schule wendet die neuen Regeln gemäß der Rechtschreibreform (unverdrossen?) an, wer sie nicht beherrscht, bekommt bald ein "nicht genügend". Doch in der Bevölkerung fehlt die Akzeptanz, nur wenige wollen umdenken. Seit längerem wird in den zuständigen Politikerkreisen und in der Öffentlichkeit eine "Reform der Reform" heftig debattiert. Nun haben sich auch die österreichischen Autorinnen und Autoren zu Wort gemeldet: Eine überwältigende Mehrheit untersagt die Anwendung der Rechtschreibreform auf ihre Texte. Bei den Verlagen und Urheberrechtsvertretungen läuten die Alarmglocken... Fazit - Das Reformwerk wurde zu spät auf einer breiten Basis diskutiert, daher: "nicht genügend"? Am 4. November laden wir vom Literaturhaus das interessierte Publikum dazu ein, sich zum Thema eine eigene Meinung zu bilden. In der Aula der Universität am Innrain soll informiert und diskutiert werden. Schließlich sind wir früher oder später alle betroffen und müssen womöglich "umschreiben".
Daneben gibt es bei uns unter dem Motto "Literatur unter der Lupe" (siehe Titelbild) auch im November und Dezember wieder einiges zu hören und zu schmökern. Eine nicht geringe Zahl von Schrifstellerinnen und Schrifsteller reisen an, um ihre Texte zu präsentieren. Wir freuen uns und sind gespannt. Trotzdem stellt sich nach einigen Monaten Literaturhaus-Betrieb intern die Frage: genügt das? Wir glauben, es genügt nicht ganz. Das Literaturhaus am Inn sollte sich auch hinter den Kulissen als eine Anlaufstelle, als ein Ort der Information und Dokumentation profilieren. An Ideen und Konzepten mangelt es nicht. Nur: Es steht dafür weder Zeit noch Geld zur Verfügung. Bei einem Mitarbeiterstand von 2 Personen, angestellt zu je 10 Stunden (kein Sekretariat, keine Hilfskräfte...), lautet der Schluß wieder: "nicht genügend"!
Angesichts der bestehenden Geld- und der damit zusammenhängenden Personalprobleme ist es umso erfreulicher, daß sich andere Institutionen und Veranstalter - etwa aktuell das Tiroler Landestheater und das Italienische Kulturinstitut (siehe Programm) - um Kooperationen bemühen. Vielen Dank, das erleichtert und intensiviert manches und heißt: Die Literatur macht sich - trotzdem - bemerkbar!
Wir wünschen unserem Publikum, uns selbst und allen, die Bücher lesen, daß die Literatur - und damit "... der Triumph, es in Worten wiederzuerkennen..." (Martin Kubaczek) - weiterhin mit allen Kräften ermöglicht werde.

4. November, 17 Uhr
Aula der Universität, Innrain 52.

Nicht Genügend?
Die Rechtschreibreform in Österreich:
Vorträge zum Thema von Gerhard Ruiss und Dr. Wolfgang Mentrup.
20 Uhr: Podiumsdiskussion mit ExpertInnen.
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91,5% der österreichischen Autorinnen und Autoren sind mit den Ergebnissen der Rechtschreibreform nicht einverstanden, aber auch einige Politiker, Literatur- und Sprachwissenschaftler erheben schwere Bedenken. Auch in Innsbruck soll jetzt informiert und diskutiert werden. Auf dem Podium sind Experten aus Literatur, Wissenschaft und Schule: Dr. Elisabeth Lercher, Deutschlehrerin an der HAK in Innsbruck / Dr. Wolfgang Mentrup, Institut für Deutsche Sprache, Mannheim / Prof. Mag. Hermann Möcker, Institut für Österreichkunde, Österreichisches Wörterbuch / Univ. Prof. Dr. Hans Moser, Lehrstuhl für Linguistik an der Germanistik, Innsbruck. / Gerhard Ruiss, Vorsitzender der IG AutorInnen, Wien / Sylvia Treudl, Milena Verlag, Wien.
Diskussionsleitung: Mag. Irene Heiss, Tiroler Tageszeitung.

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17. November, 20 Uhr

Martin Kubaczek - Wanderungen durch Tokio: Überfüllte U-Bahn und Seelengarten am Some-i
Lesung und Buchpräsentation: Martin Kubaczek: Somei. Prosatexte.
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"Some-i" bedeutet wörtlich "Färbe-Brunnen". Farben als Lebenszeichen durchziehen Kubaczeks neue Prosa, eine Sammlung japanischer Notate, entstanden auf Wanderungen durch den "Seelengarten am Färbebrunnen" und auf der Fahrt in der stets überfüllten Ringlinie der Yamanote-Sen.
Martin Kubaczek, geboren 1954 in Wien, Germanist und Absolvent der Musikakademie Wien (Violine), lebt seit 1990 in Japan und ist Dozent an der Tokyo University of Foreign Studies. Er hat zahlreiche Studien zur österreichischen Literatur und eine "Poetik der Auflösung" publiziert.

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20. November, 20 Uhr

Erminia dell' Oro - "L'abbandono" oder Widerspruch zweier unversöhnlicher Welten/font>
zweisprachige Lesung aus Ermina dell'Oros Buch: Der Tag des Regenbogens. In Zusammenarbeit mit dem Italienischen Kulturinstitut.
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Erminia dell'Oro, geboren 1938 in Asmara/Eritrea, einer ehemals italienischen Kolonie des heutigen Abessinien, lebt und arbeitet als freie Schriftstellerin in Mailand. Sie hat mehrere Kinderbücher und drei Romane veröffentlicht, die alle in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Mit "Der Tag des Regenbogens" wird die Autorin erstmals dem deutschsprachigen Publikum bekannt gemacht.
Beispielhaft für die rechtlose, erniedrigte eritreische Frau in der Zeit von Mussolinis "afrikanischem Abenteuer" erzählt Dell'Oro die Geschichte einer Afrikanerin, die in den dreißiger Jahren mit dem Italiener Carlo eine Familie gründet und zwischen zwei unvereinbaren Kulturen zerrieben wird. Noch Sellas Kinder tragen die Folgen des Krieges, des Faschismus und des Aufeinanderprallens zweier Welten.

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23. November und 7. Dezember, jew. ganztägig

Offene Bühne für junge Menschen
Workshop für Schreibende und Theaterleute, 2. und 3. Teil. In Zusammenarbeit mit dem Tiroler Landestheater.
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Am Workshop nehmen folgende AutorInnen teil: Irene Prugger, Georg Aichinger, Bernhard Aichner, Ernst J. Schmidlechner, Georg Winkler und Armin Moser. Regie: Manfred Schild. Schauspiel: Nora Bürcher, Sabine Podlaha und Hans Sigl.

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27. November, 20 Uhr

Erich Kräutler - Menschen am Xingu oder Autobiographie eines Missionars
Buchpräsentation und Lesung mit Musik. Die Herausgeberin Angelika Meusburger und Walter Methlagl geben eine Einführung, Robert Neuschmid liest Erich Kräutler. Musik:Bernhard Klas.
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Erich Kräutler war beinahe 50 Jahre lang Missionar und als solcher auch schriftstellerisch tätig. Neben seiner Autobiographie verfaßte er Erzählungen und zahlreiche Berichte. Geboren 1906 in Koblach, Vorarlberg, ging Kräutler 1934 nach Brasilien und wirkte zusammen mit seinen Mitbrüdern in der Xingu-Prälatur, einem der schwierigsten Missionsgebiete des Landes. 1965 wurde er zum Vizegeneral seiner Kongregation gewählt und verbrachte die folgenden 6 Jahre in Rom, wo seine Autobiographie entstand. 1971 kehrte er als Bischof an den Xingu zurück und blieb weitere 10 Jahre, bis er die Leitung der Prälatur seinem Neffen, Bischof Erwin Kräutler, übergab.
"Menschen am Xingu" schildert in zahlreichen Begegnungen mit Menschen die schwierige Situation der indianischen Ureinwohner zwischen ursprünglicher Lebensform und Anpassung bzw. Untergang.

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2. Dezember, 20 Uhr

Kofler / Pock / Rosei - Umberto Sabas "Canzoniere"
zweisprachige Lesung.
In Zusammenarbeit mit dem Italienischen Kulturinstitut.
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Der "Canzoniere" ist Umberto Sabas immer wieder verändertes und erweitertes Hauptwerk: ein "Lyrisches Tagebuch", 1957 in der Ausgabe letzter Hand erschienen. Der Lyriker Saba, der Zeit seines Lebens ein Außenseiter der italienischen Literatur war, gehört heute zu den Großen der europäischen Literatur dieses Jahrhunderts. Geboren 1883 in Triest, gestorben 1957 in Görz, war er Inhaber eines Triestiner Antiquariats und Mitarbeiter bei Zeitungen und literarischen Zeitschriften. Eine erste Fassung des "Canzoniere" hat er bereits 1921 veröffentlicht.
Gerhard Kofler, Peter Rosei und Christa Pock haben eine Gedichte-Auswahl Sabas übersetzt und werden daraus lesen.

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12. Dezember, 20 Uhr

Was reizt am Krimi? Wen reizt der Krimi? Liaty Pisani und Kurt Lanthaler.
Lesung Liaty Pisani aus "Der Spion und der Dichter" und Autorengespräch mit Kurt Lanthaler. Im Zusammenarbeit mit dem Italienischen Kulturinstitut.
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Liaty Pisani, geboren 1950 in Mailand, hat mehrere Lyrik- und Prosabände verfaßt. Sie lebt und arbeitet in Mailand. Der Kriminalroman "Der Spion und der Dichter" (Diogenes) ist ihr zuletzt erschienenes Werk, das "außerhalb der italienischen Tradition, nämlich zwischen Chandler und Le Carré angesiedelt werden muß" (La Stampa, Turin).
Kurt Lanthaler, geboren 1960 in Bozen, lebt als freier Schriftsteller in Berlin und ist Vorsitzender der Südtiroler Autorenvereinigung. Bekannt geworden ist er durch seine Kriminalromane rund um den Antihelden Tschonnie Tschenett. Sein neues Buch "Heisse Hunde. Hirnrissige Geschichten und ein Stück Karibik", auch als Bühnenstück im Tiroler Landestheater aufgeführt, sorgt derzeit für Gesprächsstoff.
Nach ihrer Lesung diskutiert Liaty Pisani mit Kurt Lanthaler zur Frage: Was interessiert die Dichter am Genre Krimi und welche Leser haben sie?

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