Literaturhaus am Inn

Programm September – Oktober 1998

EditorialLiteratur Theater

Schon allein durch die Work­shops für Schreibende und Theaterleute, die das Literaturhaus am Inn - meist gemeinsam mit dem Tiroler Landestheater - veranstaltet, ist die dramatische Literatur fest im Literaturhaus-Pro­gramm verankert. Auch in dieser Saison wird es einen Workshop geben, zum zehnten Mal. Daß die Workshops so gut angekommen sind - und zwar sowohl bei den Autorinnen und Autoren als auch bei den Theaterleuten -freut uns. Das gemeinsame Ar­beiten an Texten ist wie erhofft als literarische Bereicherung und Ermutigung erfahren worden. Irene Prugger (Teilnehmerin am ersten Workshop für Schreibende und Theaterleute des Literaturhauses am Inn und des Tiroler Landestheaters), ist vor kurzem das Dramatikerstipendium der Republik Österreich zuerkannt worden. Für sie war - nach eigenen Worten — der Workshop eine wichtige Ermutigung; eine Aussage, die wir natürlich gerne weitergeben ... Wir gratulieren von Herzen!

Als weitere Bereicherung im Bereich der dramatischen Lite­ratur möchten wir das Autorengespräch mit Thomas Hürli-mann, dem bekannten schweizerischen Theaterautor, anbieten. Hürlimann wird im Herbst mit einer österreichischen Uraufführung im Tiroler Landesthea­ter vertreten sein. (Näheres siehe unten.) Der „Schweizer Nationaldichter" (Neue Zürcher Zeitung) ist ein Theatermann, der aus der Praxis kommt: Er ar­beitete einige Jahre als Regieassistent und Produktionsdramaturg am Schiller-Theater in Berlin und kennt das Theater von allen Seiten. Das Gespräch mit ihm führt Theaterdirektor Dietrich Hübsch, es ist für alle Interessierten geöffnet. Es versteht sich als öffentliche Ergänzung zu den Workshops für Schreibende und Theaterleute. (Auch für die kommende Saison sind Autorengespräche dieser Art bereits geplant.)

Daß in Tirol offensichdich eine starke und lebendige dramatische Tradition vorhanden ist, wurde auch beim Tiroler Literaturwettbewerb für Jugendliche 1998 der Kulturinitiative Inzing deutlich: Es gab 80 (!) Einsendungen von Jugendlichen im Alter von 15 - 20 Jahren; die eingesandten Theaterstücke waren, wie die Jury feststellte, zumeist von erstaunlicher Professionalität. Viele der Autorinnen und Autoren verstanden es, dramaturgisch Spannung aufzubauen, Probleme darzustellen, Witz zu erzielen — und das alles im Rahmen eines Kurz­theaterstücks von 15-20 Minuten Spiellänge. Die Ergebnisse werden von der Kulturinitiattve Inzing im Spätherbst in Inzing und Innsbruck präsentiert, u.a. durch die Inszenierung des Siegerstücks.

Wir freuen uns auf die neue Literaturhaus-Saison, und wir freuen uns auf Ihr Kommen. Erfahrene Literaturhaus-Gäste wissen es schon lange: Lassen Sie sich durch baustellenähnliches Flair im Eingangsbereich nicht ab­schrecken; wir hoffen, daß Sie im 10. Stock auf ihre literarischen Kosten kommen ...

Ob diese gedankliche Konstruktion der Einladung und Vor­warnung nun eine duale Aufteilung in die Lebensbereiche „Kunst" und „Leben" voraussetzt oder aber deren Vermischung propagiert, kann nicht grundsätzlich beantwortet werden.





Ursula Schneider
Erika Wimmer
Literaturhaus am Inn,
Josef-Hirn-Straße 5, 10. Stock
6020 Innsbruck.
Tel.: 0512 / 507-4503 und 4505 Fax: 0512 / 507-2960
e-mail: Literaturhaus@uibk.ac.at
Internet: http:// info.uibk.ac.at/c/c1/ c111/lithaus.html

Lesung mit Rosmarie ThümingerPlatzhalter

Donnerstag, 17. September, 16.30 Uhr; Lesung für Kinder mit Rosmarie Thüminger. Ab 8 Jahren. Eintritt frei.

Die bekannte Kinder- und Jugendbuchautorin Rosmarie Thüminger liest aus ihrem neuen Buch „Ich heiße Nagekotsch und habe mich verlaufen" (Dachs Verlag).
Nagekotsch ist das perfekte Meerschweinchen: dreifarbig (schwarz, weiß und rot), kuschelig und anhänglich. Lukas ist, seit er es hat, nicht mehr so alleine, wenn er nach Hause kommt. Aber eines Tages hat Lukas vergessen, die Terassentür zu schließen, und als er heimkommt, ist Na­gekotsch verschwunden. Eine turbulente Suchaktion beginnt, und Lukas erfährt, daß auch andere Leute so ihre Probleme mit der Einsamkeit haben ... Ab 8 Jahren!

Rosmarie Thüminger, geb. 1939 in Laas, lebr in Innsbruck. Neben Prosa und Hörspielen zahlreiche Veröffentlichungen im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur (u.a. Österreichischer Kinderbuchpreis für Zehn Tage im Winter, 1988).


nach oben

Heimat Theater?

Am 27. September 1997 findet im Tiroler Landestheater die österreichische Erstaufführung von Thomas Hürlimanns Stück Das Lied der Heimat(Uraufführung 30.4.1998, Schauspielhaus Zürich) statt. Das Stück besteht aus vier Sketchen, die „Heimat" thematisieren: Gottfried Kellers, des Nationaldichters, Tod; Internierungslager und Gefangenschaft; moderne Lebenswirklichkeiten und Verwechselbarkeit; Beziehungshorror. - Abgründe der Heimat, Abgrund Heimat. Am Tag darauf, am Montag, den 28. Sep­tember, spricht Schauspieldirektor Dietrich W. Hübsch mit dem Autor über Theater und Heimat, Schreiben und die Schweiz, Dramaturgie und den Markt Theater, und die Premiere...

Thomas Hürlimann, geb. 1950, lebt als Autor (Dramen, Prosa) in der Schweiz. Seine bekanntesten Stücke sind Großvater und Halbbruder (1981), Stichtag(1985), Der Gesandte(1991) oder Innerschweizer Trilogie (1991).


nach oben

Traduttore, traditore? Die literarische Übersetzung

Montag, 12. Oktober, 20 Uhr
Mit der Übersetzerin Stefanie Schaffer-de Vries spricht Susanne Costa. Zweisprachige Lesung (engl./ dt.) aus den Werken von Nadine Gordimerund Kersty Gunn. Eintritt frei.

Die literarische Übersetzung ist ein Stiefkind der Literatur. Und doch ist sie in unserem Zeitalter des weltweiten Buchmarktes und der internationalen Lizenzen absolut notwendig und selbstverständlich. So selbstver­ständlich, daß die Übersetzung in der Literarurkritik oft nur negativ erwähnt wird.

Stefanie Schaffer-de Vries, Übersetzerin von Nadine Gordimer, Arthur Miller und Jeannette Winterson, erzählt aus der Praxis: über die Schwierigkeiten sich entscheiden zu müssen zwischen wortgetreuer Übersetzung und dem Treffen des „Tones" der Autorin/des Autors; über die Übersetzerinnen als Sprachrohre der Autorinnen in anderen Sprachen und Kulturen; über das Glück und die Tücken der literarischen Übersetzung. Mit ihr spricht Susanne Costa.

Stefanie Schaffer-de Vries, geb. 1940, lebt in Graz. 1998 Österreichischer Staatspreisfür literarische Übersetzung.


nach oben

Adelheid Dahimène: Gar schöne Spiele
Margret Kreidl:
In allen Einzelheiten
Freitag, 16. Oktober, 19 Uhr; Lesung Adelheid Dahimene. „Gar schöne Spiele" (Wieser Verlag) und Margret Kreidl: „In allen Einzelheiten" Katalog (Ritter Verlag). Eintritt frei.

Gar schöne Spiele — ein Roman in Form einer wissenschaftlichen Ver­suchsanordnung: „Spieltheorie ist das Studium strategischer Situationen. Zwei oder mehrere Individuen müssen Entscheidungen treffen". Vier Ich-Erzähler werden auf Wanderschaft - Zeitreise - geschickt, um mit einer Geschichte zurückzukehren. Doch das soll - von einem anonymen fünf­ten Erzähler - vethindert werden. Was bleibt am Ende des Spiels? Eine Geschichte, fünf Geschichten? Oder sechs? Auf jeden Fall Polyphonie, Krimi-Spannung und sprachlicher Witz.

Adelheid Dahimene, geb. 1956 in Oberösterreich, freiberufliche Wer-berexterin und Schriftstellerin (Prosa, Kinder- und Jugendbücher). Preise und Auszeichnungen u.a. Theodor-Körner-Förderungspreis 1995, österreichischer Kinder- und Jugendbuchpreis 1998. Werke u.a. Meine Seele ist eine schneeweiße Windbäckerei, 1996; Indie Underground. Jugendroman in LP-Form, 1997.

In allen Einzelheiten. Katalog. — Aufzählung und Aufdeckung. Beschrei­bung und Entblößung. Klassifikation und Enthüllung: Wo treffen sich das öffentliche und das Private in der blanken Auflistung? Wie werden Figuren in den Raum gesetzt, Definitionen über ein Porrrait gestülpt? Wo endet die Darstellung der einfachen Dinge, wo treffen sich die Informationen über das Natürliche und Künstliche? — Die Kritik war vom Katalog begeistert: So war die Rede vom Anklingen der sprachlichen Eleganz Gertrude Steins und von der Autorin als "eine der großen Hoffhungen der österreichischen Literatur" (Neue Zürcher Zeitung).

Margret Kreidl geb. 1964 in Salzburg, lebt als freie Schriftstellerin in Wien, schreibr Theaterstücke und Prosa. Zahlreiche Stipendien und Preise, u.a. Reinhard Priessnitz Preis Wien 1994, großes Salzburger Literaturstipendium 1998. Aufführungen in Graz, Wien und Berlin. Veröffentlichungen u.a.: Meine Stimme, Graz 1995; Ich bin eine Königin. Auftritte, Klagenfurt 1996.


nach oben

Eine Biographie in Gedichten Bert Brecht zum 100. Geburtstag

Dienstag, 20. Oktober, 20 Uhr; Lyrik - Lesung zum Anlaß des 100. Geburtstages von Bert Brecht. Es liest und kommentiert Michael Klein. Eintritt frei.           

Bertolt Brecht (1898 - 1956) ist vor allem als Dramariker bekannt. Und doch hat er mit über 2.000 Gedichten eines der umfangreichsten lyrischen Werke des 20. Jahrhunderts hinterlassen: Seine Themen sind Alltägliches, Frivoles, Obszönes, Politisches, aber auch Traditionell-Lyrisches. Bekannt sind heute vor allem seine Lieder, aber das lyrische Werk Bert Brechts umfaßt alle möglichen Formen und Töne.

Brecht schrieb sein Leben lang Gedichte: Michael Klein wählt sie aus, liest sie vor, kommentiert - und erzählt uns seine Biographie in Gedichten.


nach oben

Franz Joseph Czernin: Märchen, Fabeln, Erzählen

Mittwoch, 28. Oktober, 20 Uhr — Lesung und Buchpräsentation Franz Josef Czernin: Anna und Franz. 16 Arabesken (Haymon 1998). Eintritt frei.

In sechzehn Erzählungen variiert Franz Josef Czernin literarische Motive aus Fabeln und Märchen, der Bibel und der philosophischen Erzähltradition. Der Handlungsfaden jeder Erzählung kreuzt dabei mehrmals die Handlungsfäden der anderen - das so entstandene Geflecht, das Motivgespinst, veranlaßte den Autor, seine Texte „Arabesken" zu nennen. Die Texte erläutern und erweitern einander, heben den Unterschied zwischen Hand­lung und Ausschmückung auf, verweisen auf überraschende Zusammenhänge und Ansatzpunkte zum Weiterspinnen im dicht geknüpften Netz der Gedanken.

Franz Josef Czernin, geboren 1952 in Wien, schreibt seit 1978 Gedichte, Prosa, Theaterstücke, Essays und Aphorismen. Seit 1980 Arbeit an der Kunst des Dichtens, einem enzyklopädischen Versuch, alle Formen, Verfahren und Themata der Poesie in ein literarisches Werk zu integrieren. Zahlreiche Ver­öffentlichungen, u.a. Sechs tote Dichter, 1992; Naturgedichte, 1994; Marcel Reich-Ranicki. Eine Kritik, 1995; jüngst Herausgeber eines Clemens-Brentano-Lesebuchs ( O Stern und Blume, Geist und Kleid,1998)


nach oben