Editorial |
"Winterzeit ist Lesezeit"?
Ist die Frankfurter Buchmesse im Oktober erst einmal vorbei, beginnt die stillste Zeit im Jahr: Da wird gebastelt, gebacken, gekauft, da werden Geschäfte gemacht und Familienmitglieder werden besucht, gefeiert und gegessen und getrunken wird, was das Zeug hält. Noch geschwächt von den sozialen und kulinarischen Exzessen, ist man gut vorbereitet für die im Jänner beginnende Grippewelle.
Zu diesem Zeitpunkt der allwinterlichen Entwicklung wurde vorliegende Seite niedergeschrieben: Wie zu hören war, sind zur Zeit allein 20.000 WienerInnen an Grippe erkrankt. InnsbruckerInnen geht es sicherlich nicht besser: Krächzende Stimmen melden sich an der anderen Seite des Telefons, Termine werden mehr-mals verschoben, Tips für Tees, homöopathische Tropfen und - bei fortgeschrittenen Grippekranken - für herkömmliche Medikamente werden bei beinahe jedem Arbeitsgespräch per Telefon ausgetauscht; persönliche Treffen werden tunlichst vermieden - Ansteckungsgefahr! Wirft es eine oder einen tatsächlich dann aufs Krankenlager, geht der Streß erst los: Tropfen nehmen, Tee trinken (Tee zubereiten), inhalieren, mit Rotlicht bestrahlen, Hustenzuckerl lutschen, sich in die Apotheke schleppen, Arztbesuch, viel trinken, Wärmflasche füllen, schlafen, leiden, nach Luft ringen, husten, ruhen! Jetzt wäre Zeit zu lesen, aber das Kopfweh, die Augenschmerzen, das sowieso bereits genervte Krankenpflegepersonal ("Was, du kannst schon lesen?!") verbieten es.
Kaum genesen, fordert der frisch gefallene Schnee (Schitouren! Langlaufen! Frische Luft!) sowie die Faschingszeit ihren Tribut (Bälle! Tanzen! Musik!). Ist die Ballsaison vorbei, fängt der Frühling an (Die schönsten Bastelideen für den Osterhasen! Fit und schlank für den Strand! Neue Farben, neuer Look! Paris im Frühling! Der Garten!).
Die Vorstellung, irgendwo eingeschneit in einer komfortablen Hütte, allein und in guter Gesellschaft, ohne Telefon und Radio, aber nicht beängstigend abgeschnitten von der Welt, mit schöner Aussicht und ohne Lawinengefahr, mit Schnee und schönem Wetter, mehrere Wochen, aber nicht zu lange, mit einer gut bestückten Bibliothek, vor einem offenen Kamin, den jemand anderer einheizt, mit Hauben-Catering und Reinigungs-Service, die Winterzeit als Lesezeit zu verbringen, ist verlockend; die Vorstellung, Frühling, Sommer und Herbst ohne Lesen verbringen zu müssen, ein Szenario für einen Alptraum. Meistern Sie diese schreckliche Zukunftsvision, indem Sie ihr mutig und entschlossen entgegentreten, ein Buch in der Hand!
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Eine Liebesgeschichte
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Donnerstag, 4. März, 20 Uhr: Buchpräsentation und Lesung Erich Hackl: Entwurf einer Liebe auf den ersten Blick (Diogenes Verlag 1999).
Eintritt frei.
Im Januar 1937 wird der österreichischer Spanienkämpfer Karl Sequens in ein Krankenhaus in Valencia eingeliefert. Als ihn Herminia Roudière Perpina dort kennenlernt, ist es für beide Liebe auf den ersten Blick. Sie heiraten, Herminia muß mit der gemeinsamen Tochter fliehen: Nach langen Jahren bekommt sie Briefe von ihren Mann: aus Dachau, aus Lublin, aus Auschwitz.
Erich Hackl, geboren 1954 in Oberösterreich, studierte Germanistik und Romanistik, lehrte an den Universitäten Wien und Madrid und lebt heute als Schriftsteller, Journalist, Übersetzer und Herausgeber in Wien. Seine Bücher Auroras Anlaß, Abschied von Sidonie oder Sara und Simón wurden viel gepriesen und viel gelesen. Erich Hackl erhielt zahlreiche Preise, zuletzt den Premio Hildalgo der spanischen Romavereinigung für sein Gesamtwerk (1998).
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Rosa Mayreder: Kritik der Weiblichkeit
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Freitag, 5. März, 20 Uhr: Lesung und Buchpräsentation Rosa Mayreder: Zur Kritik der Weiblichkeit; Geschlecht und Kultur (AUFedition im Verlag Mandelbaum 1998). Eva Dité liest aus Mayreders Essays, Eva Geber hält eine Einführung.
Eintritt frei.
Rosa Mayreder (1858-1938) ist die hervorragendste feministische Theoretikerin der Wiener Moderne. Sie war Philosophin, Schriftstellerin und eine blendende Stilistikerin (und auch eine anerkannte Malerin). Ihre beiden Essaysammlungen Zur Kritik der Weiblichkeit (1905) und Geschlecht und Kultur (1923), lange Jahre vergriffen, wurden nun von Eva Geber neu herausgegeben.
In ihren Analysen setzte sich Rosa Mayreder mit der Kultur und mit der Identität der Weiblichkeit auseinander. Ihre Ziele waren "Freiheit der Selbstbestimmung" und "Lebensformung im Sinne höherer Kultur" - also Fortschritt in individuellem und gesellschaftlichem Sinne.
Mayreders Formulierungen und Gedanken sind auch heute noch von überraschender Gültigkeit.
Eva Dité liest aus Essays von Rosa Mayreder, die Herausgeberin Eva Geber liest aus dem Nachwort.
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Geschichten: Verheissungen und Hindernisse des Glücks
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Freitag, 12. März, 20 Uhr: Lesung mit Alex Capus.
Eintritt frei.
Alex Capus, 1961 in Frankreich geboren, ist ein Schweizer Autor. Sein Debüt-Roman Munzinger Pascha (1997) war ein großer Erfolg. In Munzinger Pascha erzählt Capus von der historischen Figur Werner Munzinger, einen Schweizer, der vor 150 Jahren nach Afrika ging, um die Sklaverei abzuschaffen. Capus' letztes Buch, die Geschichtensammlung Eigermönchundjungfrau (1998; beide Bücher im Diogenes Verlag) erzählt, zum Teil mit leiser Wehmut, zum Teil mit bissiger Ironie, vom Leben der heute Dreißigjährigen.
"Alex Capus findet jenen Ton treffsicherer und leichthändiger Ironie, der in der deutschsprachigen Literatur so selten ist." (FAZ)
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Schwestern
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Mittwoch, 24. März, 20 Uhr: Lesung und Buchpräsentation: Sybille Mulot: Die unschuldigen Jahre (Diogenes Verlag 1999).
Eintritt frei.
Sybille Mulot beschäftigte sich immer wieder mit weiblichen Lebensentwürfen und mit der Dramatik des Alltags (u.a. Baby Euridike, Haymon 1997). In ihrem neuen Roman zeichnet sie das Porträt dreier Schwestern vor dem Hintergrund der frühen sechziger Jahre.
Die vierzehnjährige Mimi liebt ihre beiden älteren Schwestern nicht nur, sie vergöttert sie. Die Welt ist für Mimi im Lot, solange die drei nur zusammen sind, sich aneinander messen, alles bereden, teilen: die Kinderzeit, die Familienrituale, auch die Wut auf die Mutter. Der Zusammenhalt der Schwestern überstrahlt heikle Großereignisse wie die ersten Bälle, die ersten Parties, die ersten Verehrer ... bis Mimi das Trauma erfährt, daß die, die sich die liebsten waren, zu Todfeindinnen werden.
Sybille Mulot, geboren 1950 in Reutlingen, studierte Literaturwissenschaft, arbeitete als Journalistin und lebt jetzt als Schriftstellerin und Übersetzerin in Frankreich.
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Tiroler Landestheater - die neue Intendanz
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Freitag, 9. April, 20 Uhr: Podiumsgespräch mit der designierten Intendantin des Tiroler Landestheaters Kammersängerin Brigitte Fassbaender. Ein Gespräch mit Prof. Jutta Höpfel.
Eintritt frei.
Brigitte Fassbaender, bekannte Mezzosopranistin und Opernregisseurin, wurde im April 1998 zur Intendantin des Tiroler Landestheaters von Herbst 1999 bis zum Herbst 2004 bestellt. Als Sängerin war Brigitte Fassbaender auf allen großen Bühnen der Welt tätig. In ihren Regiearbeiten deckt sie ein breites Spektrum - von Mozart und Rossini über Verdi und Wagner zu Strauss und Berg - ab. Im März wird sie den Spielplan für ihre erste Saison in Innsbruck bekanntgeben.
Im Literaturhaus spricht sie mit Jutta Höpfel über die Intendanz, das Theater, ihre Ziele, den Spielplan ...
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Romane und politische Essays - Porträt Slavenka
Drakulic
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Donnerstag, 22. April, 20 Uhr: Zweisprachige Lesung mit Slavenka Drakulic.
Eintritt frei.
Slavenka Drakulic, geboren 1949 in Kroatien, ist Schriftstellerin und Journalistin. Sie schreibt auf Kroatisch, ihre Werke sind in zahlreiche Sprachen übersetzt. Ihre Romane Das Liebesopfer und Marmorhaut (1997 bzw. 1998, Aufbau-Verlag) erzählen, jeder für sich, die Geschichte einer Obsession. Während in Marmorhaut die unglückliche Mutter-Tochter-Liebe bei beiden Frauen verheerende seelische Verletzungen hinterläßt, schreckt die zerstörerische Liebe in Das Liebesopfer auch vor der physischen Vernichtung des Geliebten nicht zurück. - In ihren Essaysammlungen Café Paradies oder Die Sehnsucht nach Europa (Aufbau, 1997) und Sterben in Kroatien - vom Krieg mitten in Europa (Rowohlt 1992) beeindruckte Drakulic mit Schilderungen, die einer unmittelbaren Sensibilität und Wahrheitssuche entspringen.
Eleonore Bürcher liest aus Werken von Slavenka Drakulic, die Autorin liest Ausschnitte auf Kroatisch. Ein anschließendes Gespräch (auf Englisch) ist möglich.
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Junge Kunst aus Tschechien
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Montag, 26. April, 18 Uhr: Vernissage der Ausstellung von Matej Forman, Daniel Václavík und Rony Plesl.
Eintritt frei.
Matej Formans Grafiken sind "leidenschaftlich, hartnäckig und poetisch wie die tschechischen Dichter", der Künstler ist "geduldig wie die Mönche beim Illuminieren ihrer Gesangsbücher" (Petr Sís).
Daniel Václavíks Werk wurde als wertendes Bemühen charakterisiert, seine Tapisserien als von Musik und geistlicher Thematik inspiriert (Jiri Grusa).
Rony Plesls Skulpturen machen Kontraste sichtbar: die Kontraste zwischen den verwendeten natürlichen und synthetischen Materialien, und die Kontraste zwischen dem Raum, den sie einnehmen, und dem Raum, den sie bilden, zwischen Leichtigkeit und Beschwerung.
Die Arbeiten aller hier gezeigten Künstler zeigen die Spannung der Auseinandersetzung mit der künstlerischen Tradition Europas, sei es nun Formans Erleben von Rodin oder Václavíks Erfahrung mit den Werken Fra Angelicos.
Die Vernissage der jungen tschechischen Künstler bildet die Eröffnungsveranstaltung der Tschechischen Kulturwoche.
Die Ausstellung ist bis einschließlich 17. Mai geöffnet (Montag bis Freitag 9-12, 14-17 Uhr).
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Kultur und Politik in Tschechien
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Dienstag, 27. April, 16 Uhr: Podiumsdiskussion über Kultur und Politik in der Tschechischen Republik.
Eintritt frei.
Auf dem Podium diskutieren Jiri Grusa, Botschafter der Tschechischen Republik, Karl-Peter Schwarz (Die Presse), Michael Frank (Süddeutsche Zeitung) und Barbara Coudenhove-Kalerghi (ORF).
Im Rahmen der Tschechischen Kulturwoche.
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Jiddische Autorinnen
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Mittwoch, 28. April, 20 Uhr: Buchpräsentation und Lesung: Aus der Finsternis geborgen. Erzählungen jiddischer Autorinnen (Otto Müller Verlag). Mit einer Einführung des Herausgebers und Übersetzers Armin Eidherr.
Eintritt frei.
Beschrieben wird der traditionelle Lebensalltag in den Schtetls und Städten Osteuropas, der Schrecken des Holocaust und seine unvermeidlichen Nachwirkungen, der harte Existenzkampf in den neuen Heimaten - Nordamerika, Palästina und Israel.
Die Erzählungen überraschen vor allem durch die selbstbewußte und kritische Perspektive in einer von Vätern dominierten Kultur. Den LeserInnen eröffnen sich somit die noch kaum ans Licht gebrachte weibliche Facette jüdischer Lebensart: die erste Anthologie jiddischer Autorinnen - Aus der Finsternis geborgen.
Die Tiroler Autorinnen Irene Prugger, Rosmarie Thüminger und Erika Wimmer lesen Erzählungen ihrer Wahl aus dem Band.
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Tschechische Kultur von innen
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Freitag, 30. April: Kulturpolitische Ausblicke: Abschlußveranstaltung der Tschechischen Kulturwoche mit VertreterInnen aus Film, Literatur, bildender Kunst und des tschechischen Kulturministeriums.
Eintritt frei.
Nähere Informationen finden Sie im Falter der Tschechischen Kulturwoche, der ab Mitte März im Institut für Slawistik (Tel. 0512/507-4231) zu bestellen ist.
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